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Creditreform

Das sieht HVB-Vorstand Diederichs ähnlich: Während Rezession und Schuldenkrise in Südeuropa die Kreditvergabe der dortigen Banken stark einschränke, sorge hierzulade ein „mehr als ausreichendes Angebot an Kapital“ für „sehr hohe Liquidität am Markt“. Hinzu komme der „sehr breit aufgestellte Bankenmarkt mit einem hohen Anteil der öffentlichen Förderinstitute an der Kreditvergabe“. Infolge von Euro- und Finanzmarktkrise hätten deutsche Banken ihr Geschäftsinteresse auf den Heimatmarkt verlagert, heißt bestätigend aus der KfW.

Als „aktuell äußerst attraktiv“ bezeichnet daher auch der BVR die Finanzierungsmöglichkeiten für den deutschen Mittelstand. „Hierfür sind sowohl die extrem lockere Geldpolitik als auch die verlässliche Kreditbereitstellung durch regional verankerte Mittelstandsfinanzierer verantwortlich“, schreiben die Genossenschaftsbanker mit Blick auf die eigenen Institute, aber auch die Sparkassen. „Die Kreditvergabe an Unternehmen ist 2012 im Vergleich zum Vorjahr sogar gestiegen“, sekundiert der VÖB: „Im dritten Quartal hat sie laut Bundesbank zu ersten Mal die Marke von 1.000 Milliarden Euro überschritten. Es scheint in der Gesamtbetrachtung zumindest weder ein Nachfrage- noch ein Angebotsproblem zu geben. Auch die von der EZB durchgeführte SAFE-Study sowie die vom Ifo Institut errechnete Kredithürde geben unseren Umfrage-Teilnehmern Recht: Firmenkredite in Deutschland sind derzeit im historischen Vergleich leicht zu bekommen. Zudem bleibt der Selbstfinanzierungsspielraum vieler Mittelständler trotz rückläufiger Erträge „weiterhin recht groß“, ist IKB-Expertin Dr. Vogt überzeugt – „zumal viele Firmen über reichlich Liquidität verfügen“.

Dennoch: „Eine gewisse Unsicherheit besteht mit Blick auf die weiteren regulatorischen Änderungen für die Banken“, räumt Postbank-Chefvolkswirt Bargel mit Blick auf das Regelwerk von Basel III ein. Eine „Kreditverengung“ sei nicht auszuschließen, so Lutz Diederichs von der HVB. Kreditsuchende Unternehmen müssten sich auf eine „engere Korsage“ einstellen, wenn so manche Bank ihre Kreditvergabe über „eine stärkere Berücksichtigung der Bonitäten“ steuern und – mehr als bislang – „kürzere und damit liquiditätsschonendere Kreditlaufzeiten“ vereinbaren wolle.

„Die verschärften Regeln werden nicht ohne Rückwirkungen auf das Kreditangebot bleiben“, befürchtet auch IKB-Volkswirtin Vogt. Es bestehe die Gefahr, dass Kredite sich verteuern und vor allem die langfristige Kreditgewährung eingeschränkt werde, stimmt sie den HVB-Kollegen zu. Und nicht nur sie: „Höhere Eigenkapitalkosten für Banken haben logisch eine Erhöhung der Finanzierungskosten für die Gesamtwirtschaft zur Folge“, schreibt Deutsche-Bank-Experte Schneider nüchtern. Allerdings: „Es ist unwahrscheinlich, daß dieser Effekt in Deutschland materiell sein wird.“ Zum einen werde es der erwähnte Wettbewerb im deutschen Fremdkapital-Markt den Banken nicht erlauben, höhere Margen durchzusetzen, zum anderen seien die durch Basel III erhöhten Eigenkapitalkosten ohnehin nur ein kleiner Teil der Refinanzierungskosten einer Bank. Und schließlich profitieren diese derzeit noch vom Status Deutschlands als sicherer Hafen in Europa. Auch wenn –das ergab unsere Umfrage auch – dieser Sonderstatus der Bundesrepublik im neuen Jahr nach und nach aufweichen dürfte, was sich auch in steigenden Renditen für Bundesanleihen niederschlagen dürfte. Noch wird um die Feinheiten von Basel III gerungen, vor allem um das Risikogewicht von Mittelstandskrediten (siehe Interview). „Gewissheit gibt es erst, wenn die Verhandlungen zwischen Parlament, Kommission und Europäischem Rat abgeschlossen sind“, so BVR-Experte Bley.

Mittelstand rüstet sich

Wie es auch kommt: „Der Mittelstand wird es verkraften“, ist Wissenschaftler Prof. Wallau überzeugt. Die Betriebe bauten derzeit mehr Eigenkapital absolut auf – und auch die Eigenkapitalquote steige. „Der Mittelstand macht sich unabhängiger.“ Und auch wenn der Forscher die Rolle alternative Finanzierungsinstrumente derzeit als noch nicht allzu bedeutend einschätzt: Sich diesen zu öffnen, lautet eine dringende Empfehlung aus den Banken. „Unternehmen könnten sich Kapitalmarktinstrumenten wie Schuldscheindarlehen, Private Placements oder Unternehmensanleihen öffnen“, schlägt Diederichs vor. Auch der Einsatz von Fremdkapital anderer Unternehmen sollte stärker in Betracht gezogen werden. Und natürlich sollte bei jeder Kreditentscheidung die Einbindung öffentlicher Fördermittel geprüft werden. Auch „intelligente Instrumente zur Verbesserung des Working Capital“ stünden bereit.

„Unternehmen, die eine längerfristige Fonanzierung benötigen, sollte darüber nachdenken, sich das aktuell sehr günstige Zinsniveau zu sichern“, rät Postbank-Chefvolkswirt Dr. Bargel. Denn: „Auf Sicht von drei bis fünf Jahren ist ein signifikanter Anstieg des Zinsniveaus im Euroraum nicht unwahrscheinlich, da einige Euro-Länder die Krise dann überwunden haben sollten.“ Und das ist für verunsicherte Unternehmer doch die eigentlich gute Nachricht.