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Profishop

©Profishop GmbH

Mit Profishop wollen sie in Bremen Europas größte B2B-Beschaffungsplattform etablieren – ohne eigenes Lager und mit viel Tempo. Doch Eheleute als Unternehmer: Kann das gutgehen? Anna Hoffmann und Arasch Jalali beweisen: sehr gut sogar.

Dieser Ort atmet Handelsgeschichte. Ein stillgelegter Ladekran ragt vor dem mächtigen Backsteinbau im zugeschütteten Bremer Überseehafen in den Himmel. Im zugigen Treppenhaus warnt ein handgepinseltes Schild: „Zulässige Bodenbelastung 1000 Kg pro Quadratmeter“ – das sind Elefantendimensionen. Am Speicher XI lautet die Adresse. Zu Blütezeiten Anfang des 20. Jahrhunderts war das 400 Meter lange Gebäude ein riesiges Lager für Baumwolle aus Amerika. Heute ist es ein Paradies für Kunststudenten und Startups.

Anna Hoffmann und Arasch Jalali gehören zur zweiten Kategorie. Aus ihrem Büro-Loft im umgebauten Speicher verkaufen sie schweres Zeug: von der Gabelstapler-Traverse über Rammschutzbarrieren bis zum Aktentresor. Alles, was in Fabriken und Handwerksbetrieben gebraucht wird, lässt sich bei Hoffmann und Jalali mit einem Mausklick ordern. Der Clou ihrer Beschaffungsplattform PROFISHOP: Sie haben kein einziges Produkt auf Lager, geliefert wird direkt vom Hersteller. So er­sparen sie sich Lagerhaltung und Logistik.

 

Immer professionell bleiben

„Achtung! Profis am Werk“, steht selbstbewusst auf der XXL-Fußmatte am Eingang. In einem mit Glas abgetrennten Raum mit Blick auf die 50-köpfige Mannschaft haben Hoffmann und Jalali ihre Schreibtische postiert. Nicht vis-à-vis, sondern Seite an Seite. „Wir haben lange überlegt, wie wir uns am besten hinsetzen“, sagt Jalali, der den Fensterplatz innehat. Die Frage ist nicht ganz ohne, die beiden 34-Jährigen sind Firmengründer und Eheleute in Personalunion. Was Investoren als Klumpenrisiko bezeichnen könnten, lächeln die beiden charmant und professionell weg: „Wir sind erstens ein super eingespieltes Team“, sagt Jalali. Hoffmann nickt und fügt hinzu: „Aber keine Sorge: Zweitens sprechen wir zu Hause nicht nur über den Job.“

Das junge Unternehmen lebt vom gemeinsamen Ehrgeiz, mit Tempo eine einzigartige B2B-Beschaffungsplattform aufzubauen. 1,2 Millionen Produkte sind schon gelistet, 675 Hersteller bieten an, 150.000 Einkäufer bestellen bei PROFISHOP.de. „Die meisten sind Stammkunden“, sagt Jalali. „Wir sind deren Problemlöser.“

 

Profishop: Die B2B-Revolution?

Ein Marktplatz, ein Onlineshop? „Weder noch. Wir wollen das Beste aus beiden Welten zusammenbringen und die Nachteile vermeiden“, sagt Jalali und erklärt die Feinheiten: Ein Marktplatz wie Amazon Business vereint zwar viele Händler, die dort anbieten. Aber ein Einkäufer hat noch immer zig Ansprechpartner und Kreditoren – im Zweifel für jedes georderte Produkt einen anderen. „Das führt bei Geschäftskunden zu extrem kostenträchtigem Aufwand.“ Onlineshops im B2B-Sektor sind hingegen oft nur auf eine Warengruppe spezialisiert. „Da steckt noch die alte Versandkatalog-Denke drin. Die Shops kaufen es ein, legen es sich kapitalbindend aufs Lager und verkaufen entsprechend teuer ab. Fehlt nur noch der Außendienstler, der mit vollem Kofferraum umherfährt“, sagt er.

Die Revolution soll so aussehen: Hoher Service, großes Sortiment, kleine Preise. „Wir sehen uns als Online-Fachhändler, der von den Bedürfnissen in Handwerk und Industrie her denkt“, wirbt Jalali. Egal ob man einen Strohfeuchtemesser braucht, eine Blockbandsäge, Lacke, Helme oder Händetrockner für die Mitarbeitertoilette: „Der PROFISHOP-Kunde bestellt aus einer Hand und hat mit uns nur einen einzigen Kreditor.“ So sinke nicht nur der Abwicklungsaufwand in den Buchhaltungen. „Weil wir Großhändler und Einkaufsverbünde ausklammern, erzielen wir Ersparnisse, die wir komplett an die Kunden weitergeben.“ Alle Sonderwünsche würden über einen telefonischen Beschaffungsservice binnen 48 Stunden erfüllt. Jalali nennt das Modell „Managed ­Marketplace“.

„Wir sehen uns als Online-Fachhändler, der von den Bedürfnissen in Handwerk und Industrie her denkt.“

Arasch Jalali, Profishop

 

Wissen um den Einkäufer-Frust

Die Idee kam dem in Bremen aufgewachsenen Wirtschaftsingenieur, als er 2011 in seinem ersten Job das Leben auf Einkäuferseite kennenlernte: Als kaufmännischer Leiter bei einem Leuchtenhersteller in Regensburg bekam er für jedes kleine Nachschubteil „einen Stapel Papier auf den Schreibtisch – zum Aussuchen und Freizeichnen“. Solche Zeitfresser machen den Mann im Outdoorhemd verrückt: „Ich komme aus der Prozessschiene und gucke immer nach Optimierungspotenzial.“ Das Thema ließ ihn auch nach Feierabend nicht los.

„Ich dachte: Was gibt es online? Aber es gab keine Lösungen, die funktionierten“, stellte er fest. Was Jalali als „Painpoint“, deutsch Schmerzpunkt, beschreibt, wurde zum Antrieb. Am Küchentisch in Regensburg reifte eine Geschäftsidee. Jalalis Partnerin Anna Hoffmann grübelte mit. Sie war damals in München bei einem ­börsennotierten Medizintechnikkonzern tätig. „Wir haben 5.000 Euro Ersparnisse als Startkapital eingesetzt und sind losgeschwommen“, sagt Hoffmann. Nachdem Jalali 2012 seinen Job kündigte und voll auf die Selbstständigkeit setzte, stieg Hoffmann Ende 2013 fest ein – dagegen verabschiedete sich Jalalis erster Co-Gründer, Matthias Höfler, zwei Jahre später. Auch er hatte zuvor im strategischen Einkauf im Mittelstand Erfahrungen gesammelt.

 

Der Erste Versuch ein Flop

Zunächst nannte sich das Startup noch Crowdshop und verfolgte eine etwas andere Idee: Man wollte internetgestützt möglichst viele Bestellungen von Mittelständlern bündeln und so über hohe Stückzahlen die Einkaufskonditionen verbessern. „100 Tonnen Edelstahl zum Aktionspreis. In diese Richtung dachten wir.“ Der charmante Ansatz floppte: „Wir konnten nicht genügend große Kundenanfragen zusammenbekommen, damals fehlte uns die Reichweite“, sagt Jalali.

Anna Hoffmann erinnert sich an viele Autofahrten in den Jahren 2013 bis 2015: „Wir haben zahlreiche Betriebe besucht, um sie von unserer Idee zu überzeugen.“ Der Blick in den Alltag der Einkäufer war ernüchternd: „Deren wichtigstes Medium war das Fax. Internet war oft dem Chef vorbehalten.“

Überzeugungsarbeit war nicht nur auf Kundenseite zu leisten – auch Hersteller mussten erst begreifen, dass diese Newcomer mit ihrem PROFISHOP nennenswerte Umsätze schaffen könnten. „Sie waren noch schwerer zu überzeugen, schließlich hatten sie ihr angestammtes Händlernetzwerk“, sagt Hoffmann. „Außerdem hält jeder sein Produkt für außerordentlich erklärungsbedürftig, das gilt selbst für Papierhandtücher“, sagt Jalali. Die Digitalisierung führt hier zum Umdenken: Ein Youtube-Tutorial, wie man einen Papierspender korrekt befüllt, ersetzt manchen Auftritt eines Außendienstlers. Außerdem hilft die Präzision, mit der PROFISHOP-Mitarbeiter die Produkte nach einheitlichem Muster listen und beschreiben. „Die Produktdatenqualität ist entscheidend. Da sind wir auch Amazon weit voraus“, sagt Jalali. „Da würde ich mir vielleicht Socken bestellen, aber kein Sofa.“

 

Arbeit an der Nachkommastelle

Akribie und Präzision – das ist vor allem Anna Hoffmanns Baustelle. Sozialisiert in Finanzen und Controlling, sagt sie: „Arbeit an der zweiten Nachkommastelle macht mir Spaß.“ Bei PROFISHOP kann sie diese Detailversessenheit in ihrer Funktion der Technikchefin ausleben. Sie kümmert sich um den datengetriebenen Bereich, während ihr Mann kaufmännische und strategische Themen verantwortet. „Wir haben einfach gemerkt, dass diese Verantwortlichkeiten so am besten zu uns passen“, sagt Hoffmann.

Das Unternehmerpaar zog 2016 mit der Firma nach Bremen, anfangs lediglich unterstützt von einem Praktikanten. „Die Startjahre waren eine Berg- und Talfahrt. Man bekommt nicht jeden Tag Applaus“, sagt Hoffmann. Das Privatleben zu teilen, sei da sogar von Vorteil gewesen – auch um Stimmungen besser nachvollziehen zu können. Inzwischen konnten sie wichtige Marktanteile erobern. Der Umsatz in „zweistelliger Millionenhöhe“ wird nicht genannt. „Profitabilität wird noch nicht zwingend eingefordert“, deutet Jalali an. „Unsere Gesellschafter sagen: Wachst lieber mit Tempo.“

In drei Finanzierungsrunden haben die PROFISHOP-Macher insgesamt 17 Investoren an Bord genommen. „Unser Geschäft ist nicht fancy, wir müssen als B2B-Händler vor allem Belastbarkeit an den Tag legen“, sagt Jalali. „Unsere Partner schätzen unsere Solidität.“ PROFISHOP komme ohne Bankkredite aus, „wir sind rein eigenkapitalfinanziert“. Jalali und Hoffmann besitzen nach eigenen Angaben „noch ausreichend Anteile, um unsere Meinung durchsetzen zu können“. Business Angels und Family Offices haben sich beteiligt, aber auch Branchenkenner: So etwa die Takkt AG, die 2019 mit großer Expertise im Beschaffungsgeschäft einstieg.

Inzwischen läuft die internationale Expansion. Neben Deutschland, dem Hauptmarkt, sind auch Österreich und Frankreich angebunden. „Und die Niederlande haben wir im Januar livegeschaltet – nach nur acht Wochen Vorbereitung“, sagt Jalali stolz. Bei allem Vorwärtsdrang entlockt den beiden ein kleiner Blick zurück ein Lächeln: „Weißt du noch in Regensburg: unser erster fünfstelliger Warenkorb?“, fragt Hoffmann. In Echtzeit guckten beide gebannt zu, wie ein Kunde Intralogistik-Produkte im Wert von über 10.000 Euro in den Korb legte – und dann den Bestellknopf drückte. „Ein bahnbrechendes Erlebnis“, sagt Hoffmann. „Wir haben einen Sekt aufgemacht.“

Das ist PROFISHOP

Die Macher
Mit 34 Jahren sind Anna Hoffmann und Arasch Jalali bereits die Ältesten in ihrem 50-köpfigen Startup PROFISHOP. Als CEO kümmert sich der Diplom-Wirtschaftsingenieur Jalali um Kaufmännisches, während Hoffmann nach einem Studium der internationalen BWL als Chief Technology Officer unter anderem die Softwareentwicklung betreut. Gegründet 2012 in Regensburg, zog PROFISHOP 2016 nach Bremen.

 

Das Geschäft
Als B2B-Händlerplattform offeriert PROFISHOP vor allem Verbrauchsgüter und Ausstattungsgegenstände für Betrieb und Lager, Industriebedarf sowie Haus- und Gebäudetechnik. Bestellte Produkte werden stets direkt vom Hersteller geliefert. Die erzielten Einsparungen an Lager- und Logistikkosten kann Profishop so an die Kunden weitergeben. Jalali schätzt das Marktpotenzial in Europa auf 135 Milliarden Euro. In vier Ländern ist der Shop inzwischen online, die Retourenquote liege bei nur einem Prozent. Konkrete Angaben über Erlös und Ertrag macht PROFISHOP nicht. Die Bilanz 2017 weist einen ­Jahresfehlbetrag von einer Million Euro aus.