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Sie sind schnell, meist günstig und sprechen nahezu jede Fremdsprache. Dank maschineller Übersetzer können Unternehmer leichter mit internationalen Kunden und Lieferanten kommunizieren. Die Zahl der Anbieter ist kräftig gewachsen, genau wie die Qualität der Ergebnisse.
Rund 100 Texte lässt Mulag, ein Fahrzeugbauer im badischen Oppenau, jährlich in bis zu 23 Sprachen übersetzen. Die meisten sind Betriebsanleitungen für Fahrzeuge im Flughafenvorfeld. „Wir legen großen Wert auf maschinelle Übersetzungen“, sagt Thomas Hüger, Leiter Konstruktion und Entwicklung des Familienunternehmens.
Jeder Text geht an ein Übersetzungsbüro, welches für die weitere Bearbeitung abhängig von der Sprache wechselnde Softwareprodukte einsetzt. „Alle übersetzten Arbeiten werden von Muttersprachlern gegengelesen“, betont Hüger. Der Fahrzeugbauer möchte Übersetzungsfehler völlig ausschließen.
Mulag nutzt eine vergleichsweise junge Technologie. Seit rund fünf Jahren machen Tools mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) maschinelle Übersetzungen besser und schneller. Vorbei sind die Zeiten, als Unternehmen für Übertragungen in internationale Verkehrssprachen oder Muttersprachen der Adressaten fast reflexhaft auf die Angebote von Google, Bing oder Microsoft zurückgriffen.
Heute wird dieses Trio von rund zwei Dutzend Unternehmen herausgefordert, welche den Markt mit NMT-Software aufmischen. Die Abkürzung steht für Neural Machine Translation. Diese Systeme lernen kontinuierlich von bisherigen Arbeiten und können so immer treffendere Übersetzungen erstellen.
Warum die Ergebnisse immer besser werden
Vor 2016 arbeiteten Übersetzungssoftwares nach festen Sprachregeln, die jedoch immer wieder Begriffe und Textpassagen nicht richtig erfassten. Mit NMT kommen solche Pannen kaum noch vor. „Viele Anbieter überzeugen mit immer besseren Ergebnissen“, lobt Andrea Modersohn, Geschäftsführerin des Übersetzungsbüros Oneword in Böblingen.
Die meisten KI-Übersetzer haben ihre Rechnerkapazitäten ausgebaut und können immer größere Datenmengen verarbeiten. Vor allem Unternehmen, die in internationalen Märkten unterwegs sind oder solche erschließen wollen, sollten laut Modersohn NMT nutzen. An Anbietern herrscht kein Mangel.
Am bekanntesten ist Deepl. Das von Jaroslaw Kutylowski gegründete Unternehmen wirbt mit einer Software, die bereits kurz nach ihrer Markteinführung 2017 mit deutlich besseren Ergebnissen als Google punktete. Konkurrenten sind Systran, ein 1968 in Kalifornien gegründetes Softwareunternehmen, KantanAI, ein KI-Spezialist in Dublin, sowie Lengoo, ein zwei Jahre altes Startup aus Berlin.
Alle wollen mit Branchen- und unternehmensspezifischen NMT-Lösungen Kunden gewinnen. Auch cloudbasierte Anbieter sind unterwegs. Ein Beispiel ist RWS (Trados) mit mehr als einem Dutzend Niederlassungen in Europa und Südostasien. Hinzu kommen Nischenanbieter, die sich auf einzelne Branchen oder spezifische Sprachräume wie Skandinavien spezialisiert haben.
Wie Unternehmen den passenden Anbieter finden
Auch Google optimiert seine Übersetzungen mittlerweile mit neuronalen Netzen. Trotzdem sind die Dienste des Suchmaschinenkonzerns allenfalls für Unternehmen hilfreich, die nur sporadisch Texte übersetzen. Wer wie Mulag regelmäßig auf professionelle Übersetzungen angewiesen ist, sollte eher einen spezialisierten NMT-Anbieter wählen. Aber wie? „Die eine passende Lösung gibt es nicht“, betont Modersohn.
Bisherige Erfahrungen haben jedoch gezeigt, dass viele Lösungen in mindestens einem Sachgebiet oder einer Sprache Bestwerte erzielen. Jeder Interessent müsse deshalb prüfen, ob er wie Mulag sogar wechselnde Produkte nutze, und seine Auswahl von mehreren Kriterien abhängig mache.
So ist es natürlich ein Unterschied, ob die zu übersetzenden Texte für die interne Kommunikation verwendet werden oder an Lieferanten und Kunden gehen. Außerdem fallen Übersetzungen schwerer, wenn ein Unternehmen mit vielen eigenen Begriffen und Stilvorgaben arbeitet.
Für individuelle Lösungen: Software trainieren
Der Markt hat auf solche Anforderungen reagiert. Modersohn differenziert zwischen generischen und unternehmensspezifischen Systemen. Generische Systeme konzentrieren sich auf allgemeinverständliche Inhalte und zeichnen sich durch vergleichsweise niedrige Preise aus.
Sie sind eine Domäne von Anbietern wie Deepl. Das Unternehmen hat sich vor allem mit qualifizierten Übersetzungen in Englisch und anderen Verkehrssprachen einen Namen gemacht.
Unternehmensspezifische Systeme werben mit individualisierten Lösungen für einzelne Branchen und Betriebe. Ihre NMT-Software wird mit dem Content des Kunden trainiert und anschließend in dessen System integriert. Mit solchen Dienstleistungen will Lengoo im Markt punkten.
Der Newcomer wirbt mit Einsatzfähigkeit ab zehn Tagen Training und Online-Tools für Korrekturen. „Solche Lösungen zeichnen sich durch eine sehr hohe Textqualität aus“, sagt Modersohn. Aus Kostengründen rechnen sie sich jedoch nur für Unternehmen mit hohen Übersetzungsvolumina. Also solchen, die regelmäßig auf internationalen Märkten unterwegs sind.
Keine Software arbeitet fehlerfrei
Fünf Tipps fürs maschinelle Übersetzen
- Prüfen Sie Zahl, Art und Bedeutung der zu übersetzenden Texte: Überwiegen Präsentationen, Betriebsanleitungen, größere Rundmails oder Mailings? Wie viele Sprachen werden genutzt? Welche Folgen können Übersetzungsfehler für Image und Vertrieb haben?
- Planen Sie Trainingseinheiten für die künftige Software ein. Die meisten maschinellen Übersetzungen sind sofort verfügbar und formulieren flüssig. Allerdings erfassen viele den Kontext nur unzureichend und beherrschen Fachtermini nicht.
- Oft können optimale Ergebnisse in mehreren Sprachen nur mit unterschiedlichen NMT-Softwares erreicht werden. Prüfen Sie die Beauftragung eines Übersetzungsbüros mit einer Machbarkeitsanalyse.
- Jede Software macht Fehler. Stellen Sie sicher, dass jeder übersetzte Text von einem (möglichst muttersprachlichen) Posteditor gegengelesen wird. Faustregel: Je schwieriger die Sprache, desto häufiger muss nachgebessert werden.
- Fragen Sie bei der Auswahl von Anbieter und Software nach Zertifikaten (ISO 17100 für Übersetzen, ISO 18587 für Postedieren) beziehungsweise Qualitätsmanagement-Maßnahmen. Auch ein Übersetzungsbüro sollte zertifiziert sein.