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Creditreform

Der deutsche Mittelstand macht mehr als ein Viertel seiner Umsätze im Ausland – und kommt dabei vielerorts nicht umhin, seine Waren zu verzollen. Das kostet Zeit und Geld. Doch wer Zölle nicht einfach als notwendiges Übel hinnimmt, kann viel optimieren.

Kaum ein wirtschaftspolitisches Thema wurde in den vergangenen Wochen so sehr diskutiert wie die US-amerikanischen Zölle auf EU-Stahl- und -Aluminiumexporte, die seit dem 1. Juni gelten. „Unsere Debatten helfen vor allem der Kaffeeindustrie, weil wir so viel Kaffee dabei trinken“, sagte US-Handelsminister Wilbur Ross gegen Ende der Verhandlungen mit beißender Ironie. Was er eigentlich meinte war: Schluss mit Reden. Die USA werden mit den Zöllen ihre heimische Stahlindustrie schützen. Egal ob das den Europäern, deren Wirtschaft stark vom Export abhängt, nun passt oder nicht. Tatsächlich ist dieser Handelskonflikt nur ein Beispiel für viele vergleichbare Streitigkeiten. Unfair, sagen die einen. Legitim, um staatliche Interessen zu schützen, sagen die anderen.

„Unabhängig von der Frage, ob die US-Zölle in diesem Fall rechtmäßig sind oder nicht, sind Zölle grundsätzlich ein ganz alltägliches Phänomen in der Welt des globalen Handels“, sagt Eva Rehberg. Und zwar eines, das Rehberg besonders gut kennt. Die Diplom-Finanzwirtin hat zwölf Jahre lang im gehobenen Dienst der Zollverwaltung gearbeitet, bevor sie in die Beratung gewechselt ist. Beim Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsunternehmen Ebner Stolz unterstützt sie Mittelständler nun dabei, ihre Zollprozesse und -kosten zu optimieren.

» Es gibt vergleichsweise einfache Mittel und
Wege, Waren schneller oder günstiger zu
verzollen. «

Eva Rehberg, Ebner Stolz

„Früher wurden Zölle aus fiskalischen Gründen erhoben, sprich, um Einnahmen zu generieren“, sagt Rehberg. „Heute werden Zölle auf der einen Seite in vielen Bereichen gesenkt, andererseits werden sie aber auch mehr und mehr zur Durchsetzung wirtschaftlicher und politischer Interessen genutzt.“ Für Unternehmen muss das aber noch lange nicht bedeuten, Zollprozesse schlicht als notwendiges Übel hinzunehmen. „Je komplexer die Zollgesetze, desto größer sind auch die Spielräume. Es ist deshalb absolut ratsam, jemanden im Unternehmen zu haben, der sich mit dem Thema beschäftigt und die Zoll­abwicklung so anpasst, dass sie zum einen rechtlich richtig, aber zum anderen vor allem so effizient und kostensparend wie möglich ist“, empfiehlt Rehberg – wohl wissend, dass die Mitarbeiter in kleinen und mittleren Unternehmen sich selten ausschließlich mit Zollprozessen beschäftigen. Ihre gute Nachricht lautet deshalb: „Es gibt auch vergleichsweise einfache Mittel und Wege, Waren schneller oder günstiger zu verzollen.“ Ein Überblick:

Zugelassener Wirtschaftsbeteiligter

Die Zusammenarbeit mit den Zollbehörden sei ein Geben und Nehmen, beschreibt Eva Rehberg. Auf der einen Seite seien die Beamten sehr administrativ geprägt und erwarten klare Prozesse. Wenn die Unternehmen auf der anderen Seite nachweisen können, dass sie diese Prozesse umsetzen, die notwendige Kompetenz dafür im Haus haben und auch ansonsten unbescholten sind, können sie den Status als zugelassener Wirtschaftsbeteiligter (Authorized Economic Operator, AEO) beantragen – und erfüllen damit die Grundvoraussetzung, um viele Vorteile in Sachen Zoll zu erlangen. Dazu gehören unter anderem vereinfachte – und damit schnellere – Anmeldeverfahren sowohl beim Import als auch beim Export sowie, laut Aussage des Zolls, seltenere Prüfungen der Ware.

Wahl des Abfertigungsortes

Zoll zahlt man an der Grenze – und muss dabei Wartezeiten und Lagerkosten, etwa am Seehafen, wohl oder übel in Kauf nehmen? Nicht unbedingt. „Gerade beim Import ist es eine relativ einfache Möglichkeit, Waren eben nicht an der Grenze abzufertigen“, erklärt Rehberg. Das sogenannte Versandverfahren T1 macht es möglich. Es kann angewandt werden, wenn die Waren erst am Bestimmungsort, etwa am Unternehmenssitz, versteuert und verzollt werden sollen. Um es zu nutzen, ist eine sogenannte T1-Anmeldung nötig. „Man muss eine Sicherheit leisten und weitere Voraussetzungen erfüllen“, sagt Rehberg. Sie empfiehlt gerade Mittelständern deshalb, den T1-Versand von einer angemeldeten Spedition als Dienstleister machen zu lassen.

Die richtige Tarifierung

Zu den wichtigsten Hausaufgaben, die jedes Unternehmen machen sollte, das Waren im grenzüberschreitenden Verkehr bewegt, gehört die sogenannte Tarifierung. „Darüber kann man sehr viel Geld sparen“, sagt Rehberg. Jede Ware besitzt im Zolltarifschema eine Codenummer und einen dazugehörigen Zollsatz. „Allerdings ist es nicht immer ganz offensichtlich, wie bestimmte Produkte eingruppiert werden“, erklärt sie. Blanker Kupferdraht etwa wird anders behandelt als Kupferdraht mit Isolierung. Ist eine Ware falsch eintarifiert, ist der Zollsatz falsch und unter Umständen zu hoch. „Wer geschickt damit umgeht, kann seine Lieferketten oder die Verarbeitungstiefe seiner Produkte so steuern, dass sie in den jeweils günstigeren Tarif fallen“, sagt Rehberg. Wer unsicher bei der Tarifierung ist, kann bei den Behörden eine verbindliche Zolltarifauskunft anfordern. Deren Ergebnis ist drei Jahre lang verbindlich in allen EU-Staaten gültig. „Dabei sollten Unternehmer allerdings abwägen und sich vorab beraten lassen, um das Risiko, dass ein Produkt unbeabsichtigt höher eintarifiert wird, zu minimieren“, empfiehlt die Expertin.

Aktive und passive Veredelung

Unter bestimmten Voraussetzungen können Unternehmen auch komplett vermeiden, eingeführte Waren oder Rohstoffe zu verzollen. „Zoll soll grundsätzlich immer nur dann fällig werden, wenn Produkte importiert und in den Wirtschaftskreislauf der EU eingebracht werden“, sagt Rehberg. „Nicht aber, wenn sie beispielsweise nur repariert oder weiterverarbeitet und anschließend wieder in das Ursprungsland oder andere Märkte geschickt werden.“ Aktive Veredelung heißt dieses Verfahren im Zollrecht. Wer es anwenden will, braucht eine Bewilligung vom zuständigen Hauptzollamt. Das Gleiche gilt für die sogenannte passive Veredelung. Dabei geht es um Produktionsschritte an Waren aus der EU, die aber aufgrund von geringeren Lohnkosten oder speziellem Know-how in Drittländern vorgenommen werden. Auch hier können Unternehmen bei der Wiedereinfuhr Zollvorteile genießen.

Zolllager einrichten

Zollersparnis und deutliche Liquiditätsvorteile können Unternehmen erzielen, die ein sogenanntes Zolllager nutzen. „Das ist interessant für Handelsunternehmen oder auch Unternehmen mit weltweiten Lieferketten. Viele Unternehmen verzollen noch immer alle Ware, die importiert wird, unabhängig von ihrem finalen Bestimmungsort“, sagt Rehberg. In einem Zolllager können Firmen Ware „parken“ und müssen sie erst dann, wenn sie entnommen wird, verzollen und versteuern. Oder auch gar nicht. Wird etwas beispielsweise aus China importiert, gelagert und weiter in die USA geschickt, muss es zu keinem Zeitpunkt in der EU verzollt werden. Als Zolllager kann eine separate Halle fungieren, ein abgetrennter und beim Zoll angemeldeter Bereich im Unternehmen oder ein Lager, das von einem Dienstleister, etwa einer Spedition, betrieben wird. Mittelständlern rät Rehberg zur letzteren Variante. „In der Praxis ist der Betrieb eines Zolllagers deutlich komplexer als etwa der T1-Versand. Insofern rentiert es sich in vielen Fällen, dabei auf den Service einer guten Spedition zurückzugreifen.“