Das Unternehmermagazin aus der Handelsblatt Media Group

Creditreform

In der Telekommunikationsbranche geht es derzeit Schlag auf Schlag: Der mexikanische Milliardär Carlos Slim will den KPN-Konzern übernehmen und hat dafür eine Prämie von rund 20 Prozent auf den Aktienkurs der Niederländer geboten. Die Papiere von Vodafone Group schossen um mehr als zehn Prozent nach oben, als bekannt wurde, dass der US-Konkurrent Verizon den Briten 130 Milliarden Dollar für deren Anteil am Gemeinschaftsunternehmen Verizon Wireless zahlen will. Die Nokia-Aktie gewann an einem einzigen Tag sogar über 33 Prozent, weil Microsoft den Finnen das Kerngeschäft mit Handys und Smartphones abkaufen wird.

Mal ehrlich: Wer hat sich angesichts solcher Kurszuwächse nicht schon einmal gewünscht, über vertrauliche Unternehmensinformationen zu verfügen, um damit auf explodierende Aktienkurse zu spekulieren? Doch Vorsicht. Selbst wenn man tatsächlich einmal an solch brisante Infos gelangen sollte: Das Ausnutzen von Insiderwissen ist in den meisten Ländern strafbar. Das deutsche Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) beispielsweise verbietet Insidergeschäfte mit einer Haftstrafe von bis zu fünf Jahren.

Doch es gibt auch Insidertransaktionen, die erlaubt sind. Denn Leitungs-, Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan einer börsennotierten Gesellschaft und sonstige Personen, die regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen haben und zu wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen ermächtigt sind, können nämlich Aktien des „eigenen“ Unternehmens legal erwerben. Freilich dürfen die Organe dabei keine Insiderinformationen ausnutzen – also beispielsweise Aktien kaufen, wenn sie wissen, dass ein Übernahmeangebot unmittelbar bevorsteht. Wenn diese Regeln eingehalten werden, sind solche Geschäfte, die auch als „Director’s Dealings“ bezeichnet werden, völlig legal.

Gemäß Wertpapierpapierhandelsgesetz müssen Insidertransaktionen seit 2002 der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) innerhalb von fünf Werktagen mitgeteilt werden, wenn der Wert aller Geschäfte bis zum Ende des Kalenderjahres 5.000 Euro übersteigt. Die Bundesanstalt sammelt die Transaktionen, bereitet sie in einer Datenbank auf und ermöglicht jedem interessierten Anleger via Internetzugang den Einblick (www.bafin.de). „Damit bekommen Anleger bei börsennotierten Unternehmen seit mittlerweile über elf Jahren sichtbare Signale von Managementseite, wie es um die Zukunft und die aktuelle Bewertung des eigenen Unternehmens stehen könnte“, meint Cosmin Filker, Finanzanalyst beim unabhängigen Augsburger Researchhaus GBC AG. In zahlreichen Studien hat sich nämlich bestätigt, was man ohnehin schon vermuten würde: Das Führungspersonal eines Unternehmens kann die künftige Entwicklung der eigenen Firma besonders gut beurteilen und trifft daher regelmäßig die besseren Entscheidungen beim Aktieninvestment.

In den USA beschäftigen sich Finanzmarktforscher bereits seit rund 50 Jahren mit dem Phänomen Insiderhandel. „Dabei belegen verschiedene Studien, dass Investmentstrategien, die auf der Auswertung von Insidergeschäften basieren, Erfolg versprechend sind“, sagt Filker. „So lässt sich gegenüber dem Gesamtmarkt eine um acht Prozent bessere Rendite erzielen.“ Selbst bei langen Zeiträumen über 20 Jahre, die damit auch Abschwungphasen enthielten, konnte eine Outperformance nachgewiesen werden.

Wissenschaftliche Untersuchungen für den deutschen Kapitalmarkt deuten ebenfalls darauf hin, dass sich auf Basis von gemeldeten Insiderdaten hohe Renditen erzielen lassen. Neben verschiedenen Studien, zum Beispiel der Frankfurter Hochschule für Bankwirtschaft und der Universität Zürich, bestätigen auch die Ergebnisse einer von GBC durchgeführten wissenschaftlichen Untersuchung die erzielten Überrenditen der deutschen Insider: „In den ersten sechs Monaten nach Meldung der Insidertransaktion konnten wir signifikante Überrenditen in Höhe von 7,1 Prozent ermitteln“, sagt Analyst Filker. Besonders stark ausgeprägt war der positive Effekt bei Transaktionen von Aufsichtsräten.

Das Verfolgen von Insidertransaktionen und das entsprechende „Kopieren“ der Käufe und Verkäufe können sich also durchaus lohnen. Aufgrund der Vielzahl der gemeldeten Transaktionen ist der Aufwand allerdings ziemlich hoch. Einfacher ist es, wenn sich Anleger an entsprechende Finanzprodukte halten, die solche Strategien umsetzen.

Beispielsweise hat die Commerzbank im Oktober 2006 das Insider Index-Zertifikat auf den Markt gebracht (siehe Tabelle unten). Das Papier bezieht sich auf den „Insider Index“, der eigens hierfür berechnet wird. In dieses Auswahlbarometer werden diejenigen Aktien aufgenommen, welche die höchsten Kaufvolumina bei den gemeldeten Insidertransaktionen aufweisen. Die Indexzusammensetzung wird monatlich aktualisiert, wobei neue Insidertransaktionen ein höheres Gewicht erhalten. Aktuell sind die Aktien von BASF, Daimler, Deutsche Telekom, Fresenius Medical Care und RWE im Insider Index vertreten.

Da die Vorgehensweise relativ komplex ist, lässt sich die Commerzbank die Berechnung mit einer Gebühr von 0,8 Prozent pro Jahr vergüten. Hinzu kommen zehn Prozent der monatlichen Outperformance, die gegenüber dem Dax erzielt wird. Seit der Auflage hat das Zertifikat das wichtigste deutsche Auswahlbarometer jedoch nicht schlagen können: Einem Plus von rund sieben Prozent beim Insider Index steht ein Zuwachs von etwa 30 Prozent beim Dax gegenüber. Allerdings kann sich dieser Trend auch wieder umkehren.

Aus einem breiteren Auswahluniversum wählt das Solactive Insider Index-Zertifikat von der Deutschen Bank aus. Es umfasst die 100 liquidesten deutschen Aktien, die im amtlichen Markt in Frankfurt gehandelt werden. Daraus werden die 15 Aktien herausgepickt und im Index zusammengefasst, die im vorangegangenen Quartal das höchste Verhältnis von Insiderkäufen zur Marktkapitalisierung hatten. Die Berücksichtigung der Unternehmensgröße stellt sicher, dass auch kleinere Aktien in den Index einziehen können. Gerade das Führungspersonal von „Small Caps“ hat aufgrund der besseren Überschaubarkeit des unternehmerischen Umfelds einen besonders guten Blick für die Zukunft. Im Solactive Insider-Index sind daher aktuell nicht nur gestandene Dax-Werte wie E.ON und die Deutsche Telekom, sondern auch Farbtupfer wie das Windenergieunternehmen Nordex und das IT-Systemhaus Bechtle vertreten. Das Zertifikat schlägt mit einer Gebühr von 1,5 Prozent pro Jahr zu Buche. Positiv ist, dass die von den im Index enthaltenen Unternehmen ausgeschütteten Dividenden angerechnet werden.

Im Bereich der Investmentfonds ist das Angebot an Produkten mit Insider-Strategien dünn gesät. Aktuell ist mit dem Wallberg Acatis Value Inside nur ein einziger Fonds am Markt erhältlich. Seit Auflage im Jahr 2002 konnte der Fonds den Dax über weite Strecken hinter sich lassen. Jedoch hinkt er seit rund einem Jahr dem Index hinterher. Das Fondsmanagement analysiert Firmen, in denen Insidertransaktionen stattgefunden haben, zusätzlich auf ihre Werthaltigkeit. Dabei werden auch die Insidersignale auf Basis der paneuropäischen Insiderdatenbank des Finanzdienstleisters 2iQ Research herangezogen.

Der Wallberg Acatis Value Inside investiert in Unternehmen, die mindestens nach einem der folgenden Kriterien unterbewertet sind: Unternehmenssubstanz, Ertragskraft, Ausschüttungen, sowie vernachlässigte Branchen oder Länder oder überschätzte Krisen. Die Aktienauswahl wird in die klassischen sechs Grundstrategien eingeteilt: Dividendenrendite, Gewinnrendite, Kurs-zu-Buchwert, Owners Earnings, Enterprise Value/Ebit und Turnaround. „Das Wissen der Insider gepaart mit der Value-Orientierung des Managements bieten eine doppelte Sicherheit“, lautet die Devise des Fondsmanagements.

Christian Scheid