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Creditreform

Auch mehr als eine Dekade nach Einführung des Rechtsanspruchs auf Entgeltumwandlung fristet die betriebliche Altersversorgung (bAV) in mittelständischen Unternehmen noch immer ein Schattendasein. Vor allem Arbeitgeber unterschätzen deren Vorteile. Ausgerechnet im tiefsten Zinstal könnte das Sparen mithilfe des Chefs nun aber neuen Auftrieb erhalten.

Sein Nachname ist Hoffnung und Herausforderung zugleich: Jürgen Gold verantwortet in der Geschäftsleitung der Julius Zorn GmbH, kurz Juzo, aus dem bayerischen Aichach die Bereiche Finanzen und Verwaltung. Zu seinem Aufgabengebiet gehört auch die betriebliche Altersversorgung (bAV), die die weltweit präsente Firmengruppe ihren mehr als 800 Mitarbeitern anbietet. Der Familienbetrieb in vierter Generation entwickelt, produziert und vertreibt Hilfsmittel zur Kompressionstherapie. Weitere Geschäftsfelder sind Bandagen und Orthesen.

Bei Juzo macht man sich seit Jahren auch Gedanken um die Altersvorsorge der eigenen Beschäftigten. „Dass die Kassen der gesetzlichen Rentenversicherung immer leerer werden, ist ein offenes Geheimnis. Und allein mit privater Vorsorge werden die Menschen die Lücken in der Vorsorge nicht schließen können“, so Gold. Seit Einführung des Rechtsanspruchs auf Entgeltumwandlung im Jahr 2002 förderte Juzo die bAV mit einer eigenen Unterstützungskasse. „Dann kamen wir jedoch zur Erkenntnis, dass dieser eine Durchführungsweg nicht alle glücklich macht.“ Zudem war die sogenannte Durchdringungsquote – also der Anteil der Beschäftigten, die die bAV-Offerte ihrer Chefs nutzten – nicht so hoch wie erhofft.

Weitere Infos zur praktischen Umsetzung einer bAV finden Sie auf creditreform-magazin.de/bav-2015

Heute liegt sie bei Juzo bei rund 80 Prozent, Tendenz weiter steigend. Das liegt vor allem daran, dass die Bayern ihr bAV-Angebot mithilfe der externen Berater der Münchner Consulio Consulting GmbH auf komplett neue Beine gestellt haben. „Zudem nehmen wir selbst für die bAV wesentlich mehr Geld in die Hände als früher“, sagt Gold, ohne Details verraten zu wollen.

Mit Vorsorge Mitarbeiter ködern

Nach dem Motto „Wer selbst vorsorgt, bekommt vom Arbeitgeber stattlich was obendrauf“ stärkt Juzo die zweite Vorsorgesäule seiner Mitarbeiter – und tut im Gegenzug etwas fürs eigene Image und die Nachwuchssicherung. Denn im knapp 20.000 Einwohner zählende Aichach ist es schwierig, genügend gute Mitarbeiter zu finden und dauerhaft zu binden. Ein gutes bAV-Angebot des potenziellen Arbeitgebers wird da womöglich zum Zünglein an der Waage beim „War for Talents“.

Bevor jedoch ein neuer Juzo-Beschäftigter die Unterschrift unter seinen Sparvertrag setzt, ist erst einmal eine umfassende Beratung vorgesehen. Die Juzo-Mitarbeiter sind keine Finanzexperten und sollen keiner Verkaufsshow klassischer Versicherungsvermittler auf den Leim gehen. Daher klären die Experten von Consulio Consulting im Einzelgespräch objektiv über Vor-, aber auch Nachteile einzelner bAV-Optionen auf – die Zeit dafür spendiert der Arbeitgeber. „Seitdem unsere Leute für die Beratung nicht mehr an der Zeiterfassung auschecken müssen, ist der bAV-Verbreitungsgrad im Unternehmen nochmals kräftig gestiegen“, freut sich Gold.

Deutschlandweit betrachtet, ist Juzo zwar nicht die Ausnahme, aber immer noch in der Minderheit. „Verfügen in Betrieben ab 500 Mitarbeitern bereits bis zu 85 Prozent der Beschäftigten über eine Betriebsrentenzusage, so nimmt die Durchdringungsquote in Firmen mit weniger als 50 Mitarbeitern, in denen fast jeder zweite Arbeitnehmer beschäftigt ist, deutlich ab“, weiß Stefan Neumer, Geschäftsführer von Consulio Consulting.

Und von den 3,3 Millionen Firmen mit bis zu neun Beschäftigten bieten gut 70 Prozent überhaupt keine bAV an, ergab eine Untersuchung im Auftrag des Versicherers Generali. Es ist vor allem die fast flächendeckende Präsenz von bAV-Angeboten bei Konzernen und sehr großen Mittelständlern, die die Durchdringungsquote insgesamt in Deutschland auf derzeit gut 60 Prozent hebt, so jüngste Zahlen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

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