Eine Rente vom Chef ist angesichts wachsender Altersarmut für viele Arbeitnehmer eine beruhigende Option – umso verwunderlicher ist, dass die betriebliche Altersversorgung (bAV) noch zu selten genutzt wird. Insbesondere Geringverdiener und Teilzeitbeschäftigte würden von ihr profitieren – so die Ergebnisse einer aktuellen Untersuchung.
Die Ergebnisse der Untersuchung „bAV-Kompass Mittelstand“, die die Universität Leipzig im Auftrag der R+V Versicherung durchgeführt hat, zeigt auf, dass noch viel zu wenige Arbeitnehmer die bAV in Anspruch nehmen. Dabei wird sie inzwischen von fast allen mittelständischen Unternehmen angeboten und bietet, insbesondere in Hinblick auf die wachsende Altersarmut, eine gute Möglichkeit der Zusatzvorsorge.
Fast drei Viertel (72 Prozent) der befragten Entscheidungsträger und leitenden Repräsentanten kleiner und mittlerer Unternehmen in Deutschland sind überzeugt, dass ein kollektives Einbeziehen der Arbeitnehmer in die bAV mit individueller Widerspruchsmöglichkeit die Verbreitung deutlich steigern kann.
Opting-out-Modell ist erste Wahl für den Mittelstand
Das Opting-out-Modell, bei dem der Mitarbeiter bei der Annahme des Arbeitsvertrages automatisch der Umwandlung des Entgelts zustimmt, so dass ein Vorsorgevertrag zustande kommt, ist für die Förderung von bAV die beste Wahl. Erst der ausdrückliche Widerspruch des Arbeitnehmers bei Unterzeichnung des Vertrages verhindert die Umwandlung in eine bAV.
„Ein gutes Beispiel sind die USA: Hier liegt die Beteiligungsquote dank Opting-out bei über 80 Prozent. Dies schafft eine flächendeckende Versorgung über alle Unternehmensgrößen und Branchen hinweg“, sagt Frank-Henning Florian, Vorstandsvorsitzender der R+V Lebensversicherung AG. „Wir als Versicherer wünschen uns von der deutschen Politik einen rechtlichen Rahmen, der insbesondere den kleinen und mittleren Unternehmen Sicherheit gibt, ein Opting-out-Modell einzuführen. Dies könnte der betrieblichen Altersversorgung einen neuen Schub verleihen. Die Versicherungsunternehmen stehen dafür der Wirtschaft und der Politik als Partner bereit.“
Gesetzliche Grundlage für Opting-out-Modell würde helfen
Eine solche Lösung käme auch bei den Unternehmen gut an: Aktuell können sich 35 Prozent der Firmen die Einführung von Opting-out in ihrem Betrieb vorstellen, 13 Prozent haben sich das Modell bereits näher angeschaut. Noch deutlich größer wäre die Zustimmung, wenn es eine gesetzliche Grundlage für Opting-out gäbe. Denn für viele Unternehmen ist das Modell aktuell noch stark erklärungsbedürftig: Häufig wird es als bevormundend empfunden, obwohl natürlich für den einzelnen Arbeitnehmer eine Widerspruchsmöglichkeit besteht.
Arbeitgeberhaftung sehen nur wenige Firmen als Hürde
Überraschendes Ergebnis: Die oftmals als bAV-Hemmnis genannte Haftung des Arbeitgebers spielt für die Unternehmen hingegen nur eine untergeordnete Rolle. Zwar bietet fast jedes kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland eine bAV an, die Mehrzahl der Beschäftigten nutzt diesen (inzwischen gesetzlich geregelten) Anspruch aber nicht.
§ 1a BetrAVG
Jeder Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf eine bAV durch Entgeltumwandlung.
Wie der „bAV-Kompass Mittelstand“ zeigt, liegt die bAV-Quote bei einem Drittel der Unternehmen unter 20 Prozent, bei einem weiteren Viertel nur zwischen 20 und unter 40 Prozent der gesamten Belegschaft. Das ist deutlich niedriger als in Großunternehmen und liegt auch unter dem Schnitt der gesamten deutschen Wirtschaft, wo die bAV-Quote bei 60 Prozent seit einigen Jahren stagniert.
Die Gründe dafür sind vielfältig: Vor allem begrenzte Budgets der Arbeitnehmer werden in der Studie genannt, aber auch ein mangelnder Wissensstand über die Vorteile der bAV und das Gefühl, dass das Thema kompliziert ist. „Gerade im Mittelstand besteht akuter Handlungsbedarf“, so Frank-Henning Florian. „Vor allem bei den Mitarbeitern muss noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden.“
Vor allem Geringverdiener bisher unterversorgt
Gerade in der Gruppe der unter 30-Jährigen ist die bAV-Durchdringung mit nur 12 Prozent der Berechtigten im Mittelstand bisher stark unterrepräsentiert. „Dabei sind sie es, die den demografischen Wandel und seine finanziellen Folgen für die Altersversorgung besonders hart zu spüren bekommen werden“, so der Studienleiter Professor Dr. Fred Wagner.

Prof. Dr. Fred Wagner, Institut für Versicherungs-wissenschaften e.V. an der Universität Leipzig (c)RV
Ein ähnliches Bild bietet sich auch beim Einkommen: Beschäftigte mit eher geringen Jahreseinkommen unter 25.000 Euro machen nur 11 Prozent aller bAV-Nutzer aus. Da die bAV im Mittelstand bisher vorwiegend arbeitnehmerfinanziert ist, fehlt den Beschäftigten mit niedrigen Einkommen oftmals das Geld für eine bAV. Durch einen Arbeitgeberzuschuss, beispielsweise in Höhe der gesparten Lohnnebenkosten, würde dieses Modell weiter an Attraktivität gewinnen.