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Creditreform

Deutschlands Mittelständler machen trotz des guten Konjunktur- und Kapitalmarktumfeldes weiter einen großen Bogen um die Börse. Die Bastei Lübbe AG wagte sich als einer der wenigen 2013 aufs Frankfurter Parkett. Rund ein halbes Jahr nach dem Initial Public Offering (IPO) zieht Vorstandschef Thomas Schierack (Foto) Bilanz – und macht Nachahmern Mut. 

Seit dem IPO ist gut ein halbes Jahr vergangen. Würden Sie es nochmals tun?

Ganz klar ja. Was nicht bedeutet, dass wir – mit dem Wissen von heute – nicht einiges besser machen könnten. Nachher ist man eben immer klüger.

Was lief nicht rund?

Der erste Punkt betrifft die Preisspanne. Es hinterlässt keinen guten Eindruck, wenn man die Preisspanne im Nachhinein reduzieren muss, von anfänglich neun bis elf Euro je Aktie auf 7,50 bis neun Euro.

Hätten Sie das als Kommunikationsprofis nicht ahnen müssen?

Sie dürfen Investor Relations (IR) nicht mit Public Relations (PR) verwechseln. Bis dato besaß Bastei Lübbe nur Know-how darin, unsere neuen Werke und Autoren wie Dan Brown oder Ken Follett zu vermarkten. Wir hatten zwar bereits seit Oktober 2011, als wir unsere Mittelstandsanleihe platzierten, Erfahrungen mit dem Kapitalmarkt. Doch eine Aktie ist etwas ganz anderes als eine Anleihe. Ich muss heute selbstkritisch sagen, dass wir früher mit der IR-Arbeit hätten beginnen sollen.

Wie gewinnt man die Aufmerksamkeit der Investoren und der Presse?

Bestes Rezept sind schlechte Zahlen, die aber naturgemäß keiner gerne haben möchte. Das Gegenstück, gute Zahlen und spannende Zukunftsstories, sind schwerer zu kommunizieren. Wir hatten im Oktober etwa sehr gute Halbjahreszahlen präsentiert, aber null Resonanz bekommen. Stimmige Zahlen und Botschaften zu transportieren, ist wie das Bohren dicker Bretter.

Vielleicht passen „Jerry Cotton“, „Der Bergdoktor“ und „John Sinclair“ einfach nicht zur Börse?

Sie haben recht: Wir sind seit Jahrzehnten als klassischer Buch- und Romanverlag erfolgreich und bekannt. Das ist nett, aber nach dem Verständnis der Anleger „old fashioned“. Sie müssen eine neue Story bieten – und die haben wir durch die konsequente Weiterentwicklung unseres Hauses hin zu einem internationalen Medienunternehmen in den vergangenen Jahren geschaffen. Wir sind längst nicht mehr der Roman- und Rätselheftverlag der Wirtschaftswunderzeit. Seit Jahren investieren wir massiv in die Digitalisierung und Internationalisierung unserer Inhalte. Im deutschen E-Book-Bereich beispielsweise ist Bastei Lübbe die Nummer eins, mit einem Marktanteil von 12,6 Prozent im dritten Quartal 2013.

Der deutsche Buchmarkt ist begrenzt. Wie sieht es im Ausland aus?

Große Stücke setzen wir auf China. Die Chinesen sind wissbegierig und lesen überdurchschnittlich viel. Und vier von zehn Lesern in Peking oder Shanghai tun das bereits digital. Im vergangenen Jahr haben wir erstmals eine unserer digitalen Romanreihen als E-Book in China angeboten. Die Folge wurde rund eine Million Mal heruntergeladen.

Dank Kapitalerhöhung und der Ausgabe neuer Stammaktien haben Sie rund 23 Millionen Euro eingenommen. Was haben Sie damit vor?

Wir werden damit konsequent profitables Wachstum finanzieren. Gerade in China wollen wir künftig weiter kräftig investieren und wachsen. Wir werden in neues Personal, allen voran Programmierer und App-Entwickler, sowie in neue Technik investieren. Aber das alles maßvoll und mit Verstand. Da viele von unserer guten Eigenkapitalausstattung wissen, werden uns fast täglich Firmen zum Kauf angeboten. Doch darunter sind nicht nur Perlen.

Was hat Sie der reine IPO gekostet und wie hoch sind die jährlichen Folgekosten?

Die Einmalkosten des Börsengangs betrugen rund zwei Millionen Euro, der Großteil davon für die Arbeit der Banken und der Wirtschaftsprüfer. Gemessen daran halten sich die Kosten für IR und PR sehr im Rahmen. Unser Bestreben ist es, den Großteil der neuen Aufgaben mit Bordmitteln zu leisten. Wir haben nur drei externe Berater: Das sind ein PR-Berater, ein IR-Kenner sowie ein Experte, der uns hilft, die HGB-Bilanz auf IFRS zu überführen.

Was zahlen Sie dafür unter dem Strich?

Pro Jahr geben wir für IR, externe PR und Hauptversammlung nicht mehr als 250.000 Euro aus. Das halte ich für überaus vertretbar, wenn Sie berücksichtigen, dass wir uns brutto 25 Millionen Euro mehr Eigenkapital beschafft, die Bilanzstruktur verbessert haben und nun eine ganz andere Wahrnehmung und Öffentlichkeit genießen. Zudem eröffnet das Möglichkeiten für die Zukunft, über den Kapitalmarkt weitere Mittel aufzunehmen.

Ist die Quartalsberichterstattung für ein Unternehmen mit 270 Mitarbeitern und knapp 100 Millionen Jahresumsatz nicht eine zu große Belastung?

Ich halte die Debatte um den Aufwand der Quartalsberichte schlicht für überzogen. Fakt ist doch, dass detaillierte Berichterstattung nichts Neues für uns wie auch für andere Unternehmen ist. Unsere Banken erhalten seit langem ein monatliches Reporting. Der Dialog mit der Bank ist verglichen mit dem Kapitalmarkt-Reporting eindeutig härter. Von den Aktionären haben Sie nach dem IPO das Geld, diese sind Anteilseigner. Die Banken wollen ihr Kapital dagegen wiederhaben. Auch Investoren müssen Sie selbstverständlich ernst nehmen und ihnen die Zukunft der Firma erklären. Aber sie halten Ihnen in der Regel die Treue. Wohingegen Banken sehr schnell bei Zuwiderhandlung Kredite fällig stellen können.

Welche Erfahrungen haben Sie mit den Banken beim Börsengang gemacht?

Geteilte. Bei einer unserer Hausbanken, einer deutschen Großbank, stießen wir mit den Börsenplänen auf Desinteresse. Ich kann das aus deren Sicht zwar nachvollziehen, aber echte Motivation sieht anders aus. Auch viele große Investoren haben zum Teil so hohe Erwartungen an Börsenneulinge, etwa beim Free Float, dass mittelständische Unternehmen diese gar nicht erfüllen können. Das schreckt ab.

Wie unterscheidet sich Bastei Lübbe heute vom Verlagshaus früherer Couleur?

Wir haben eine zusätzliche Führungsebene unterhalb des Vorstands eingerichtet. Ansonsten hat sich das Unternehmen nicht wesentlich gewandelt. Wir bleiben uns treu. Das ist auch eine wichtige Botschaft an all unsere Mitarbeiter. Gerade im Mittelstand fragen sich viele: Was wird aus der Firma nach dem Börsengang? Und was heißt das für meinen Job? Aber wir sind auf dem Weg, ein multimediales, internationales Medienhaus zu werden.

Profitieren die Mitarbeiter von der Börsenentwicklung?

Wir haben den Mitarbeitern im Rahmen des Börsengangs angeboten, Aktien zu beziehen. Aber wir haben kein Extra-Beteiligungsprogramm aufgestellt, das wäre rechtlich und steuerlich viel zu kompliziert geworden. Das können allenfalls Großkonzerne. Hier muss der Gesetzgeber nachbessern, denn das Instrument an sich ist gut.

Wie wichtig ist für Sie der Börsenkurs? Die Aktie hat sich seit Oktober 2013 kaum von der Stelle bewegt.

Am Anfang habe ich fast stündlich den Kurs verfolgt. Heute schaue ich mitunter Tage nicht drauf. So wichtig der Kurs gerade für unsere Aktionäre ist, so unwichtig ist er als täglicher Spiegel der Erfolge unserer Arbeit. Wir sind langfristig orientiert, wollen unsere Aktionäre auf lange Sicht bei der Stange halten. Das tun wir auch mit der hohen Ausschüttungsquote, die wir bei rund 50 Prozent sehen. Mit Blick auf den aktuellen Kurs halte ich unsere Aktie für unterbewertet. Für das Jahresende erwarte ich den Kurs am oberen Ende unserer anfänglichen Preisspanne.

War es für Familienunternehmer und Hauptaktionär Stefan Lübbe einfach zu akzeptieren, dass nach dem IPO Fremde im Unternehmen mitregieren?

Stefan Lübbe hatte vor dem IPO 100 Prozent der Anteile, nach dem Börsengang sind es nur noch rund 60 Prozent. Auch wenn er voll und ganz hinter der IPO-Idee und der stärkeren Digitalisierung und Internationalisierung des Hauses steht, gab es bei ihm schon die Sorge, ob der alte Einfluss gewahrt bleibt. Über dieses Thema haben wir Weihnachten 2012 frühzeitig intensiv geredet – und eine vernünftige Lösung gefunden.

Vor dem IPO haben Sie bereits eine Mittelstandsanleihe platziert. Würden Sie das heute, bei all den Negativschlagzeilen über die Mittelstandsbonds, nochmals tun?

Unsere Mittelstandsanleihe ist seit Oktober 2011 notiert und entwickelt sich gut. Die Pleiten am Markt für Mittelstandsbonds haben für uns überhaupt keine Relevanz. Ich halte Mittelstandsbonds auch nicht generell für gescheitert, sondern im Gegenteil ist die Anleihe gerade für Mittelständler ein interessantes Vehikel, um Kapitalmarktluft zu schnuppern und ihre Finanzierungsstruktur zu verbreitern. Aber leider gibt es aktuell an den Mittelstandssegmenten Kinderkrankheiten und es ist momentan zu viel von schwarzen Schafen die Rede. Insgesamt würden wir aus heutiger Sicht die Anleiheemission in dieser Form nicht wiederholen. Das liegt aber nur daran, dass sich die Bedingungen auf den Kapitalmärkten geändert haben. Wir können uns heute viel günstiger finanzieren. Für unsere laufende Anleihe erhalten unsere Gläubiger 6,75 Prozent jährlich. Für ein Schuldscheindarlehen in vergleichbarer Größenordnung würden wir heute dagegen nur einen Zinssatz mit einer Drei oder allenfalls einer Vier vor dem Komma zahlen.

 

 

Das Unternehmen. Mit einem Jahresumsatz von 98,3 Millionen Euro für das Geschäftsjahr 2012/2013 und derzeit rund 320 Angestellten ist die Bastei Lübbe AG aus Köln nach eigenen Worten das größte mittelständische Familienunternehmen im deutschen Verlagswesen. Groß geworden ist das 1953 gegründete Medienhaus mit Roman- („Jerry Cotton“, „John Sinclair“) und Rätselheften. Heute steht das Geschäft von Bastei Lübbe auf drei Säulen: Buch (Umsatzanteil: 80 Prozent), Roman- beziehungsweise Rätselhefte (neun Prozent) und Geschenkund Werbeartikel (elf Prozent). Fast 14 Prozent des Umsatzes erzielt das Unternehmen mittlerweile mit digitalen Produkten.

Der Macher. Thomas Schierack ist seit 2008 bei Bastei Lübbe. Der studierte Jurist und Ökonom führt den dreiköpfigen Vorstand. Privat entspannt sich der 56-jährige Kölner aktiv bei Fußball und Tischtennis – und als begeisterter Leser von Thrillern, am liebsten aus dem eigenen Verlagsprogramm.

Die Aktie. Mit einem Kurs von 7,53 Euro startete die Bastei-Lübbe-Aktie am 8. Oktober 2013 im Prime Standard der Frankfurter Börse. Konsortialführer war die Close Brothers Seydler Bank. Ein knappes Drittel der Aktien befindet sich im Free Float. Hauptaktionär ist mit rund 60 Prozent Stefan Lübbe, der die zweite Generation in der Verlegerfamilie vertritt.