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Die Corona-Pandemie beschleunigt einen Rollenwandel in den Finanzabteilungen – von der Werteverwaltung hin zur Wertschöpfung. Warum CFOs ihre Augen auch vor Strategie, Governance oder Risikomanagement nicht verschließen sollten, erklärt Jeff Thomson, CEO und Präsident beim Institute of Management Accountants.
Herr Thomson, würden Sie Ihren Kindern noch zu einer Karriere im Controlling raten?
Ja, auf jeden Fall. Wir sehen doch gerade, dass das Controlling immer wichtiger wird. Die Corona-Pandemie verdeutlicht den Wert des CFO und seines Teams. Vielleicht bin ich ein bisschen voreingenommen, aber in meinen Augen ist ein guter Finanzchef der entscheidende Krisenmanager mit dem langfristigen Blick und den Fähigkeiten, ein Unternehmen zu stabilisieren.
Das IMA hat Ende 2020 eine Studie zur künftigen Rolle von CFOs veröffentlicht, die zeigt, dass diese zunehmend auch Aufgaben der Unternehmensführung übernehmen.
Genau. 72 Prozent der Studienteilnehmer gaben an, dass die Rolle des CFO in den kommenden drei bis fünf Jahren an Bedeutung gewinnt. Klar, die Bücher, die Abschlüsse, Audits, Steuern – all das bleibt ein sehr wichtiger Teil ihrer Arbeit. Aber es kommen weitere Verantwortlichkeiten hinzu. Etwa Datenanalyse, digitale Transformation. Neben dem Blick in den Rückspiegel wird der Blick nach vorne wichtiger. Ich würde das F in CFO deshalb fast von Financial zu Future ersetzen. In den Niederlanden setzt sich auch die Bezeichnung Chief Value Officer durch.
Zur Person
Jeff Thomson ist CEO und Präsident beim Institute of Management Accountants (IMA). Der internationale Berufsverband für Buchhalter und Finanzfachleute ist auch in Deutschland mit regionalen Chapters vertreten. Als weltweit größte Vereinigung von Führungskräften im Rechnungswesen unterstützt IMA seine mehr als 140.000 Mitglieder mit Netzwerk- und Weiterbildungsveranstaltungen sowie durch Forschung und die international anerkannte Fortbildung zum CMA® (Certified Management Accountant).
Auf der anderen Seite schreitet die Automatisierung der Buchhaltung rasant voran, viele Leistungen im Rechnungswesen oder im Controlling könnten schon heute von Computern erledigt werden. Wie passt das zusammen?
Sehr gut. Wir sollten all diese Technologien nutzen, besonders für sich wiederholende Routineaufgaben. Operative Effizienz ist eine gute Sache. Das bedeutet aber nicht, dass der Controller oder der CFO dadurch überflüssig wird. Im Gegenteil. Wenn sie bereit sind, dazuzulernen und aufzusteigen, dann können sie dem Management mit Datenwissenschaft und Datenanalyse sehr viel wertvollere Informationen liefern als die reinen Geschäftszahlen, die es ohnehin schon kennt.
Dieser Wechsel der Denkweise bedingt allerdings eine große Transformation.
Hier ist der CFO als Personalmanager gefragt. Natürlich müssen die Unternehmen die nötigen Kompetenzen und Fähigkeiten aufbauen – und zwar ohne Angst davor zu haben, dass im Bereich der Routinejobs Arbeitsplätze verdrängt werden. Es kommt also darauf an, die Geschichte richtig zu erzählen, dass der Wert und die Qualität der Arbeit steigen, weil sie viel mehr Einsicht und Voraussicht liefert und das Unternehmen nicht nur verwaltet, sondern voranbringt.
Welche Art von Projekt wäre denn ein guter Anfang für diese Geschichte?
Ein möglichst kleines. Gerade kleine Unternehmen sagen häufig, spezielle Software und Data Analytics seien nichts für sie. Aber sie sollten sich nicht abschrecken lassen. Die Tools, die auch Konzerne nutzen, können sie durchaus runterskalieren. Und dann fangen sie klein an. Viele machen den Fehler, dass sie mit einer großen Lösung alle Probleme gleichzeitig angehen wollen. Besser ist es, mit einem klar umrissenen Prozess zu starten, dabei zu lernen, Erfolge zu sammeln und so die Mitarbeiter für das Thema zu begeistern.
Die Corona-Pandemie macht die Situation nicht einfacher. Die Finanzabteilungen müssen einerseits Kosten senken, Liquidität und Cashflow planen, um die Krise zu meistern, und andererseits Investitionen in Technologie und künftiges Wachstum finanzieren. Wie schaffen sie diesen Spagat?
Es ist eine besondere Situation, in der vor allem diejenigen profitieren werden, die schon vor der Krise entsprechend geplant und ein finanzielles Sicherheitspolster angelegt haben. Es gibt keine Zukunft, wenn man kein Fundament und keine Grundpfeiler hat. Dazu gehören auch ein funktionierendes Forderungsmanagement, finanzielle Disziplin, Eigenkapital. Diese Unternehmen können nicht beliebig viele, aber vielleicht zwei, drei externe Schocks abfangen. Ihre CFOs müssen einerseits Liquidität und Cashflow eng überwachen und planen. Andererseits müssen sie ihr Unternehmen fürs nächste Wachstum vorbereiten und in Zeiten wie diesen etwa in die Kundenbeziehungen investieren. Das wird sich später als Wettbewerbsvorteil bezahlt machen. Kunden, die sich an ein Unternehmen erinnern, das ihnen in der Krise geholfen hat, sind langfristig mehr wert als ein kurzfristiger finanzieller Gewinn.
Obliegen solche strategischen Entscheidungen aber nicht immer noch eher dem Geschäftsführer? Wie sehr vermischen sich hier die Rollen von CFO und CEO?
Klar, man kann argumentieren, dass der CEO der Chefstratege ist. Aber ich denke, der Finanzchef muss inzwischen mehr sein als nur der Verwalter von Werten, der sich auf Bilanzen und Steuern konzentriert. Ich bezeichne die verschiedenen Funktionen immer als Schwimmbahnen. Es gab schon immer die Bahnen Buchhaltung und Finanzierung. Dann kam Verantwortung für die Lieferkette hinzu und nun kommt eben mit Digitalisierung und Datenanalyse auch eine strategische Komponente.
Kristallisiert sich als nächstes Megathema noch Nachhaltigkeit heraus?
Richtig, auch das wird immer wichtiger. Vor allem darf man Nachhaltigkeit nicht mehr separat betrachten. Insofern begrüße ich sehr, dass etwa mit dem Sustainability Accounting Standards Board (SASB) und dem International Integrated Reporting Committee (IIRC) Rahmenkonzepte für die integrierte Bilanzierung von Nachhaltigkeit geschaffen werden. Genauso sollten auch Unternehmen intern Finanz- und Nachhaltigkeitskennzahlen zusammenbringen …
… und darüber sprechen? Wie wichtig ist letztlich eine transparente Kommunikation der Zahlen, etwa um Mitarbeitern die Situation zu vermitteln und sie mitzunehmen?
Es ist nicht einfach, über Zahlen zu sprechen, ohne die Leute zu langweilen. Aber es ist sehr wichtig, dass die Belegschaft weiß, wie das Geschäft läuft, was die Organisation tut, was strategisch geplant ist. Idealerweise präsentieren Finanzchefs den Mitarbeitern nicht Charts und Tabellen, sondern erklären, wie die Zahlen zustande kommen. Man darf nicht vergessen, dass hinter jedem Umsatz, hinter jedem Gewinn vor allem die Leistung der Mitarbeiter steht, und mit Transparenz kann man ihnen eben ganz viel Sicherheit geben.
Vom Werteverwalter zum Wertschöpfer
Eine globale Studie der Association of Chartered Certified Accountants (ACCA) und des IMA verdeutlicht einen Wandel der Finanzfunktionen in Unternehmen. In den kommenden drei bis fünf Jahren wird die Bedeutung des CFO innerhalb der Geschäftsführung …
32 % … deutlich zunehmen
40 % … zunehmen
19 % … gleich bleiben
5 % … abnehmen
2 % … deutlich abnehmen
2 % … weiß nicht
Quelle: Association of Chartered Certified Accountants/Institute of Management Accountants – The CFO of the Future