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Creditreform

Im Anwendungsschreiben zur Reform des steuerlichen Reisekostenrechts vom 30. September 2013 (Az.: IV C 5 – S 2353/13/10004) sind laut Bundesministerium der Finanzen (BMF) nahezu alle Anregungen und Forderungen der bereits im Gesetzgebungsverfahren beteiligten Wirtschaftsverbände eingeflossen. Darüber hinaus enthält die rechtzeitig vor Inkrafttreten der Reisekostenreform zum 1. Januar 2014 veröffentlichte Verwaltungsvorschrift zahlreiche Vereinfachungsregelungen und Fallbeispiele. Die umfangreichen Klarstellungen im sage und schreibe 52 (!) Seiten umfassenden BMF-Schreiben sind für die Lohnbesteuerung schon deswegen unverzichtbar, weil die Lohnsteuer-Richtlinien 2013 ab Beginn des nächsten Jahres nicht mehr gelten.

Erste Tätigkeitsstätte

Kernpunkt der Reform ist zweifelsohne der Ersatz der regelmäßigen Arbeitsstätte durch die „erste Tätigkeitsstätte“. So kann Arbeitnehmern für jedes Dienstverhältnis künftig höchstens eine Tätigkeitsstätte zugeordnet werden – was entscheidenden Einfluss auf die Höhe des Werbungskostenabzugs für beruflich veranlasste Fahrten und die steuerliche Behandlung einer Firmenwagenüberlassung hat. Akzeptiert wird jede ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers oder eines Kunden, der ein Arbeitnehmer auf Grund dienst- oder arbeitsrechtlicher Vereinbarungen dauerhaft zugeordnet ist. Davon gehen die Finanzbehörden aus, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus dort tätig werden soll. Diese Prognoseentscheidung bleibt für die Vergangenheit auch dann gültig, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse später durch unvorhersehbare Ereignisse wie Krankheit oder Insolvenz des Kunden ändern. Ein Gestaltungsspielraum des Arbeitgebers wurde vom Gesetzgeber dabei zwar bewusst in Kauf genommen, entgegen der ursprünglichen Gesetzesbegründung in der Bundestags-Drucksache 17/10774 geben sich die Finanzbehörden jedoch nicht mit mündlichen Absprachen zufrieden. Verlangt wird vielmehr eine eindeutig durch arbeits- oder tarifvertragliche Regelungen, Protokollnotizen, dienstrechtliche Verfügungen, Einsatzpläne, Reiserichtlinien, Reisekostenabrechnungen oder Organigramme dokumentierte Zuordnungsentscheidung. Unerheblich soll freilich der tatsächliche Umfang der beruflichen Tätigkeit an den jeweiligen Tätigkeitsstätten bleiben. Mangelt es dagegen an einer klaren dienstoder arbeitsvertraglichen Regelung, zählt als erste Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung, an der ein Arbeitnehmer typischerweise arbeitstäglich oder je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll. Ein regelmäßiges Aufsuchen der betrieblichen Einrichtung allein zur Abholung oder Abgabe von Kundendienstfahrzeugen, Material, Auftragsbestätigungen oder Stundenzetteln ist für die Einstufung als erste Tätigkeitsstätte unbeachtlich.

Neue Verpflegungspauschalen

Als zweitwichtigste Reformmaßnahme wird bei mehrtägigen auswärtigen Tätigkeiten die Berechnung der zulässigen Verpflegungspauschalen durch Wegfall von Mindestabwesenheitszeiten am An- und Abreisetag erleichtert. Doch Arbeitnehmer, Freiberufler und Gewerbetreibende profitieren auch finanziell – immerhin verdoppelt sich die Pauschale bei eintägigen auswärtigen Tätigkeiten von mehr als 8 Stunden auf künftig 12 Euro. Und weil die Abwesenheitszeiten zusammengerechnet werden dürfen, gilt dies selbst dann, wenn der Arbeitnehmer an einem Kalendertag mehrfach oder über Nacht an zwei Kalendertagen auswärts tätig war. Ungewohnt großzügig zeigt sich das Steuerrecht nicht zuletzt auch bei Beköstigungen durch den Arbeitgeber während einer Auswärtstätigkeit: „Übliche“ Mahlzeiten bis 60 Euro einschließlich Getränke und Umsatzsteuer gelten noch nicht als „Belohnungsessen“ und dürfen deswegen mit dem amtlichen Sachbezugswert von 3,00 Euro (für 2014) erfasst werden.

Bernhard Lindgens

Arbeitszimmer, Fahrtkosten, Hotelübernachtung: Berechungsbeispiele zum neuen Reisekostenrecht unter www.creditreform-magazin.de/reisekosten2014

– Arbeitszimmer und Home-Office

Wie bereits bislang zählt das häusliche Arbeitszimmer auch nach der Reisekostenreform nicht als betriebliche Einrichtung und kann deswegen keine erste Tätigkeitsstätte sein. Selbst dann nicht, wenn Räume der eigenen Wohnung vom Arbeitgeber angemietet werden.

– Bildungseinrichtungen

Eine außerhalb des Dienstverhältnisses zwecks Vollzeitstudium oder vollzeitiger Bildungsmaßnahme aufgesuchte Bildungseinrichtung kann ab 2014 hingegen durchaus die erste Tätigkeitsstätte darstellen. Die gegenstehende arbeitnehmerfreundliche Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs findet damit ab 2014 keine Anwendung mehr.

– Doppelte Haushaltsführung

Ebenfalls ab 2014 werden die als Werbungskosten abzugsfähigen Unterkunftskosten einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung einschließlich Neben- und Stellplatzkosten auf monatlich 1.000 Euro begrenzt. Wird der Höchstbetrag nicht ausgeschöpft, ist eine Übertragung auf andere Monate im selben Kalenderjahr zulässig. Weil der Höchstbetrag personengebunden ist, können mehrere am Beschäftigungsort tätige Arbeitnehmer den Höchstbetrag für die tatsächlich von ihnen getragenen Aufwendungen für eine gemeinsame Zweitwohnung in Anspruch nehmen. Nach wie vor setzt der Werbungskostenabzug bei Arbeitnehmern ohne eigenen Hausstand jedoch eine finanzielle Beteiligung an den laufenden Kosten der Haushaltsführung voraus, die – anders als bei Ehegatten oder Lebenspartnern – bei volljährigen Kindern im Haushalt der Eltern nicht generell unterstellt wird. Davon sollen die Finanzämter erst bei nachgewiesenen Barleistungen von mehr als 10 Prozent der monatlich regelmäßig anfallenden Haushaltskosten ausgehen.

– Entfernungspauschale

Die Entfernungspauschale von 30 Cent pro Entfernungskilometer deckt künftig nur noch die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte oder dem vom Arbeitgeber festgelegten Sammelpunkt ab, von dem die eigentlichen unterschiedlichen Einsatzorte aufgesucht werden. Für alle übrigen Fahrten zu anderen Tätigkeitsstätten können Arbeitnehmer dagegen ab dem nächsten Jahr die tatsächlichen Fahrtkosten oder die für Dienstreisen geltenden höheren Pauschalen absetzen.

– Leiharbeitnehmer

Ab 2014 spielt es keine Rolle mehr, ob es sich bei der Tätigkeitsstätte um eine Einrichtung des lohnsteuerlichen Arbeitgebers oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten handelt. Für Leiharbeiter wirkt sich die Steuerreform damit nachteilig aus, da ihnen in der Vergangenheit nur im Ausnahmefall eine regelmäßige Arbeitsstätte unterstellt werden konnte. Leiharbeitnehmer werden sich künftig mit dem beschränkten Werbungskostenabzug in Höhe der Entfernungspauschale begnügen müssen, statt wie bisher die tatsächlichen Fahrtkosten abziehen zu dürfen.

– Mahlzeitengestellung

Die neuen Verpflegungspauschalen von 12 bzw. 24 Euro dürfen selbst dann in der gesetzlich vorgesehenen Höhe als Werbungskosten bei der Einkommensteuer abgezogen werden, wenn dem Arbeitnehmer keinerlei Kosten für seine Verpflegung entstanden sind. Falls jedoch der Arbeitgeber selbst oder auf dessen Veranlassung ein Dritter Mahlzeiten bereitstellt, vermindern sich die berücksichtigungsfähigen Verpflegungspauschalen um 20 Prozent für ein Frühstück und jeweils 40 Prozent für ein Mittag- oder Abendessen. Ausdrücklich weisen die Finanzbehörden im Anwendungsschreiben vom 30. September 2013 darauf hin, dass die Kürzung auch für die Teilnahme an Essen mit Geschäftsfreunden oder außerhalb der ersten Tätigkeitsstätte stattfindenden Arbeitsessen greift.

– Unterkunftskosten

Mit der Reform des Reisekostenrechts wird darüber hinaus erstmals die Abziehbarkeit beruflich veranlasster Unterkunftskosten gesetzlich geregelt. So sind tatsächlich entstandene und beruflich veranlasste Unterkunftskosten im Rahmen einer längerfristigen Auswärtstätigkeit an ein und derselben auswärtigen Tätigkeitsstätte 48 Monate lang unbeschränkt als Werbungskosten abzugsfähig. Auf eine Einschränkung bezüglich der Hotelkategorie oder Wohnungsgröße haben die Finanzbehörden erfreulicherweise verzichtet. Während dieses Zeitraums braucht die Tätigkeitsstätte aber nicht arbeitstäglich aufgesucht zu werden. Es genügt vielmehr, wenn an der Tätigkeitsstätte über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus regelmäßig infolge der beruflichen Tätigkeit einmal oder mehrmals wöchentlich übernachtet wird. Ab dem 49. Monat dürfen beruflich veranlasste Unterkunftskosten mit Ausnahme von Auslandsübernachtungen nur noch bis 1.000 Euro monatlich steuerfrei erstattet werden. Eine sechsmonatige Unterbrechung der beruflichen Tätigkeit an ein und derselben Tätigkeitsstätte führt allerdings zu einem Neubeginn des 48-Monats-Zeitraums. Unmaßgeblich ist der Grund für die Unterbrechung (z.B. Krankheit, Urlaub, andere Tätigkeitsstätte).

– Verpflegungspauschalen

Wird ein Arbeitnehmer, Freiberufler oder Gewerbetreibender außerhalb seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte im Inland beruflich tätig, dürfen ab 2014 folgende Verpflegungspauschalen als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abgesetzt bzw. steuerfrei erstattet werden:

– 24 Euro für jeden Kalendertag, an dem er 24 Stunden von seiner Wohnung abwesend ist.

– Jeweils 12 Euro für den An- und Abreisetag, wenn er an diesem, einem anschließenden oder vorhergehenden Tag außerhalb seiner Wohnung übernachtet. Mindestabwesenheitszeiten am An- und Abreisetag werden nicht mehr vorausgesetzt.

– 12 Euro für den Kalendertag, an dem er ohne Übernachtung außerhalb seiner Wohnung mehr als 8 Stunden von seiner Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte abwesend ist.

Wie bisher werden die Verpflegungspauschalen auch künftig nur für die ersten drei Monate einer beruflichen Tätigkeit an ein und derselben Tätigkeitsstätte gewährt. Allerdings beginnt die Dreimonatsfrist nach jeder vierwöchigen Unterbrechung der beruflichen Tätigkeit an ein und derselben Tätigkeitsstätte erneut – unabhängig davon, ob die Tätigkeit wegen Krankheit, Urlaub, Fortbildung oder gar Einsatz an einer anderen Tätigkeitsstätte unterbrochen wurde.