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Creditreform

Herr Sinn, schon beim letzten „Creditreform“-Interview, 2006 war das, haben Sie die Innovationskraft Ihres Unternehmens als wichtigsten Erfolgsfaktor beschrieben – zusammen mit hoher Flexibilität, schließlich ist Software ein schnelllebiges Geschäft. Sieben Jahre später haben Sie die Auszeichnung „Top-Innovator“ in der Tasche. Wofür genau?

Unser Marktsegment ist nach wie vor äußerst schnelllebig: Produkte wollen stetig weiterentwickelt und an die Kundenbedürfnisse angepasst werden. Da geht es auch um Teamarbeit! Denn auf der einen Seite benötigen wir betriebswirtschaftliches Expertenwissen und auf der anderen Seite Entwickler, die diese Inhalte in anwenderfreundliche Technik umwandeln. Dabei sorgen unsere flachen Hierarchien für schnellen Austausch mit der Führungsebene. Aber natürlich regen auch die Top- Manager viele Innovationsprojekte an, indem sie eigene Ideen einbringen. Zudem begleiten sie alle Projekte vom Anfang bis zum Ende. Die Auszeichnungen gab’s dann auch in drei Kategorien: „Innovationsförderndes Top-Management“, denn unser Geschäftsleitungsteam ist direkt eingebunden und wendet sehr viel Arbeitszeit für Innovationsförderung und -projekte auf, „Innovative Prozesse und Organisation“, weil wir mit enorm kurzen Entscheidungswegen punkten konnten – und „Innovationsmarketing“, was uns mit unserer konsequenten Orientierung an den Bedürfnissen der Kunden Recht gibt …

Professionelles Innovationsmanagement – wie funktioniert das bei Ihnen denn? Gibt es bei Ihnen gewollte kreative Unruhe?

Durchaus: Abseits des Tagesgeschäfts treffen sich Teams aus verschiedenen Abteilungen, um Themen systematisch zu bearbeiten – sie entwickeln Szenarien, wie ein Arbeitsplatz in vier bis fünf Jahren aussehen könnte. Und stellen sie in regelmäßigen Abständen der Geschäftsführung vor, die wiederum eigene Ideen einbringt – so entsteht ein sehr fruchtbarer Ping-Pong-Effekt. Noch dazu haben wir eine Innovationsbox für Verbesserungsvorschläge und innovative Ideen. Aber neben diesen internen Triebfedern für Innovationen hören wir natürlich auf den Kunden! Indem wir unsere „Friendly Customer“, aber auch unsere Vertriebspartner, frühzeitig einbinden, hören wir stets ihre Wünsche und Erwartungen und können dann zielgerichtet die entsprechenden Produkte und Neuerungen herausbringen. Und da wären dann noch unsere Anwendertreffen: Sie dienen zwar in erster Linie dem Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen Kunden – aber durch Teilnehmerbefragungen erfahren auch wir sehr viel über deren Erwartungen an unsere weiteren Entwicklungen. Direktes Feedback gibt’s zudem bei regionalen Roundtable-Veranstaltungen.

Apropos Ideen aus dem eigenen Haus: Derzeit haben Sie 120 Mitarbeiter, 2006 waren es noch 80. Spüren Sie den „Fachkräftemangel“ ebenfalls? Wie suchen, wie binden, wie motivieren, wie bilden Sie Mitarbeiter?

Natürlich möchte man sich immer weiter entwickeln. Allerdings sind wir im Vergleich zu vielen anderen Anbietern personell sehr „großzügig“ besetzt. Unser breites Produkt-Portfolio erfordert natürlich auch mehr Personalressourcen als dies bei einem Ein-Produkt-Unternehmen der Fall ist. Insofern benötigen wir Spezialisten. Und es ist richtig, den Fachkräftemangel spüren wir durchaus. Wir legen deshalb auch großen Wert auf eigene Weiterbildung. Es gibt inzwischen viele CPler, die als Auszubildende bei uns begonnen haben und heute viel Verantwortung übernehmen. Ich bin ein großer Verfechter davon, den Mitarbeitern eine Karriere im eigenen Haus zu ermöglichen, was in einem kleinen Unternehmen wie dem unsrigen nicht einfach ist. Zudem sollte man darauf achten, dass man nicht zu viele Häuptlinge hat – die Fähigkeiten, Motivation und die Tatkraft der Indianer sind entscheidend!

Wie würden Sie denn als Unternehmer Ihren Führungsstil beschreiben? Laden Sie zu Kritik und Vorschlägen ein?

Ich halte meinen Führungsstil für offen und glaube an Selbstverantwortung bei den Mitarbeitern – etwa, was die Inhalte ihrer täglichen Arbeit, aber auch die Arbeitszeiten, Engagement beim Thema Weiterbildung und so weiter angeht. Zielorientiertes und zwar gesteuertes, aber authentisches Arbeiten – das ist es, was ich fördere! Einbringen kann und sollte sich jeder, etwa über die erwähnte Innovationsbox oder indem er eigene Verantwortung im Projekt übernimmt. Ich folge dem Motto: „Jeder darf Fehler machen, solange wir daraus lernen.“

Nun gehören zu Ihren Kunden Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen und mit den unterschiedlichsten Betriebs- und Umsatzgrößen. Wenn sich das zusammenfassen lässt: Wie geht es diesen Unternehmen, diesem Querschnitt unserer Wirtschaft, derzeit aus Ihrer Sicht?

In der Tat haben wir inzwischen rund 3.700 unterschiedliche Kunden, hauptsächlich in Europa – wobei aber auch Südamerika stark im Kommen ist. Es ist eine unserer größten Herausforderungen, den verschiedensten Anforderungen sowohl von kleinen als auch sehr großen Unternehmen in den unterschiedlichsten Branchen gerecht zu werden. Das gelingt uns dank einer modernen modular konzipierten IT-Architektur ganz gut. Viele Features der Software sind standardmäßig für alle nutzbar aber doch so flexibel, dass sie „customized“ definiert werden können. Wenn Sie von mir eine Art Konjunktureinschätzung hören möchten …

Gerne – schließlich haben Sie ein Ohr in den Controlling-Abteilungen der Unternehmen …

… dann muss ich ehrlich sagen, dass sich die aktuelle Krise – fast möchte ich Dauerkrise sagen – aus meiner Sicht nicht mit bisherigen Abschwungphasen vergleichen lässt. Die Stimmung bei den Unternehmen ist in meinen Augen von großer Unsicherheit geprägt. Ein Wechselbad der Gefühle, was natürlich nicht verwunderlich ist, wenn man als Unternehmen der volatilen wirtschaftlichen Gesamtsituation ausgesetzt ist.

Nun wird Controlling ja wichtiger, wenn es den Firmen schlecht geht. Haben die Turbulenzen Ihnen also geholfen? Sind Sie gar (Finanz-)Krisengewinnler?

Ganz klar nein, denn die Verunsicherung lähmt auch die Investitionsbereitschaft. Man setzt mehr auf kurzfristig ausgerichtete Schnellschuss-Lösungen, auf die hauseigenen Selfmade-Ansätze oder auf die kleineren und damit angeblich günstigen Controlling-Tools. In eine umfassende Controlling-Strategie zu investieren, sind mittelständische Unternehmen derzeit eher selten bereit. Dann investiert man schon eher in spezielle Software zur Datenanalyse, die aber leider doch oft nur den Blick auf die Vergangenheit wirft.

Profitieren Sie denn nicht von den jüngsten Maßnahmenpaketen zur Bankenregulierung?

Na ja, das Entscheidende für den Unternehmer sind beim Basel-Thema ja letztlich die Finanzierungskosten. Hier muss bei Basel III tendenziell mit höheren Kosten gerechnet werden. Gleichwohl ist es natürlich zu begrüßen, wenn sich die Qualität des Eigenkapitals der Banken durch Basel III verbessern lässt. Für unser Geschäft wird es keine entscheidenden Veränderungen bringen.

Ihre Controlling-Software hilft, den Transparenzhunger der Bank zu stillen. Viele Unternehmer klagen jedoch, dass es bankseitig zu wenig Transparenz gebe – was etwa die interne Beurteilung des Kreditkunden angeht oder Gründe für Ablehnung bei Kreditanträgen. Teilen Sie diesen Eindruck?

Die große Unsicherheit, von der ich sprach, macht natürlich auch vor dem Fachpersonal in den Banken nicht Halt. Die Firmenbetreuer bei den Banken haben zum einen zu viele Unternehmen zu betreuen, und zum anderen müssen sie sich mit zu vielen branchenspezifischen Besonderheiten beschäftigen. Am Ende gelingt es nicht, die Unternehmen zu „verstehen“ und das umso mehr in dieser zurzeit so volatilen Welt. Was bleibt, sind Entscheidungen basierend auf Kennzahlen, die nicht verstanden werden, und dann entscheidet womöglich nur das Bauchgefühl des Firmenbetreuers. Sie haben Recht: Die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Banken ließe sich sicher vielerorts noch verbessern, etwa indem sich die Banken den Systemen gegenüber öffnen, die außer den finanzorientierten Unternehmenszahlen auch noch qualitativ wertvolle strategische, zukunftsgerichtete Informationen zur Verfügung stellen. Eigentlich müssten die Banken diese Informationen und damit die Anwendung dieser Systeme einfordern. Auf der anderen Seite erwarten die Unternehmer natürlich auch fach- und branchenkundige Bankberater. Das ist eine Voraussetzung, um überhaupt eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Bank und Unternehmen aufzubauen.

Wer sind eigentlich ihre Haupt-Wettbewerber? Ist der Markt gesättigt?

Wir haben fünf bis zehn Wettbewerber im Blick – meist kleinere Anbieter, aber natürlich auch in Teilbereichen Konzerne wie SAP, Oracle und IBM. Je nach Thema und unterschiedlichen Interessenten gibt es auch unterschiedliche Hauptwettbewerber. Ob der Markt gesättigt ist? Na ja, das kommt darauf an. Sicher findet heute in jedem Unternehmen auf irgendeine Art und Weise Controlling statt. Und das passiert mit Unterstützung von irgendeiner Software. Vielen KMU reicht die BWA des Steuerberaters ergänzt durch eine Tabellenkalkulation. Andere haben sehr hohe Anforderungen zu diesem Thema und erkennen, dass gutes Controlling dazu beiträgt, sich im Wettbewerb besser zu behaupten. In diesen Unternehmen wird Controlling gelebt und das sind auch gerade die Unternehmen, die bei Corporate Planning sehr gut aufgehoben sind, weil wir als einziges Unternehmen den breiten Controlling-Bereich abdecken, den man heutzutage braucht. Hier können die Unternehmen im Controlling Schritt für Schritt weiter wachsen.

Apropos Wachstum: Neukundenakquise erfolgt bei Ihnen über Weiterempfehlung von Bestandskunden?

Ja, auch. Daneben setzen wir auf klassisches Marketing, wobei wir uns da mehr und mehr online orientieren, auf Roadshows, den jährlichen CeBIT-Stand – und auf ein neues Veranstaltungskonzept namens „Hands on“: Dabei veranstalten wir einen Workshop für Interessenten, in dem mit deren tatsächlichen Daten eine integrierte Finanzplanung – GuV, Bilanz und Cashflow – aufgebaut wird. Das zeigt den Kunden direkt, wie so etwas funktioniert und wie leicht es ist, unsere Software anzuwenden. Generell wollen wir weiter wachsen, indem wir uns auf die Schwerpunkte Produktstrategie, Partnerunternehmen und weitere Geschäftsideen konzentrieren. Womit wir wieder beim Thema Innovationskraft wären …

Mit Ihrer Gründungsgeschichte – Strategiewettbewerb, Selbstständigkeit, 2-Mann-Firma, erster kleiner CeBIT-Stand – erinnern Sie ein wenig an eine Garagenfirma. 2006 sagten Sie, Ihre Vision sei, dass auf jedem Rechner eines Controllers oder Managers Ihre Software laufe. Halten Sie daran fest?

Klar, warum nicht – Potenzial im Mittelstand ist schließlich noch da. Allerdings hat sich der Arbeitsplatz des Controllers verändert: Heute ist es technisch möglich zu jeder Zeit und an jedem Ort zu arbeiten. Es gibt entsprechend viel mehr Webund Cloudlösungen, Mobile Devices, viel mehr digitale Kommunikation. Und auch die Rolle des Controllers hat sich geändert: Heute fungiert er als Analyst, Managementberater und Kommunikationsprofi in einem. Jeder Mitarbeiter im Unternehmen kann heute in den Controlling-Prozess eingebunden werden. All diese Änderungen haben Einfluss auf unsere Software genommen und werden auch in den künftigen Versionen unserer Produkte Berücksichtigung finden.

Was sind also Ihre drei wichtigsten Herausforderungen als Unternehmer?

Erstens: Den Anforderungen unserer Kunden und damit dem Markt optimal gerecht zu werden. Zweitens: Die strategisch richtige Entscheidung bezüglich unseres Geschäftsmodells zu treffen und laufend anzupassen. Drittens: Für das Unternehmen perspektivisch die richtigen Personalentscheidungen zu treffen. Bei all diesen Themen dürfte unser Innovationsmanagement eine entscheidende Rolle spielen.

Das Gespräch führte Ingo Schenk