
Robert Buchalik ist Partner bei Buchalik Brömmekamp Rechtsanwälte Steuerberater und Geschäftsführer der Buchalik Brömmekamp Unternehmensberatung GmbH, Düsseldorf. © Buchalik-Broemmekamp
Insolvenzrechtler und Sanierungsexperte Robert Buchalik über Chancen für eine erfolgreiche Eigenverwaltung, schlechte Berater und eigenwillige Unternehmer. Interview: Stefan Weber
Herr Buchalik, mit der Reform des Insolvenzrechts wollte der Gesetzgeber unter anderem erreichen, dass sich mehr Unternehmen, die sich in wirtschaftlicher Not befinden, für eine Insolvenz in Eigenverwaltung entschließen. Tatsächlich passiert das jedoch nach wie vor selten. Woran liegt das?
Der Anteil der eigenverwalteten Verfahren bewegte sich in den vergangenen Jahren konstant bei etwa 2,7 Prozent aller Unternehmensinsolvenzen. Berücksichtigt man aber, dass ein Eigenverwaltungsverfahren nur dann sinnvoll durchführbar ist, wenn das Unternehmen eine Mindestgröße von etwa 20 Mitarbeitern hat, relativiert sich dieser Prozentsatz. Nach unserer Ansicht eignen sich pro Jahr allenfalls 1.400 Unternehmen für eine Eigenverwaltung. Etwa 300, also gut 20 Prozent, wählen schon diesen Weg. Erstrebenswert halte ich einen Anteil von 40 Prozent.
Warum ist das noch nicht der Fall?
Viele Unternehmen, die heute einen Insolvenzantrag stellen, sind nicht für eine Eigenverwaltung geeignet. Etwa, weil der Antrag viel zu spät gestellt wurde oder weil das Geschäftsmodell keine Zukunft hat. Nicht zu vernachlässigen ist die Zahl der Fälle, bei denen die Unternehmen falsch beraten wurden.
Wie das?
Normalerweise wird ein Unternehmer, wenn er einen Antrag auf Eigenverwaltung erwägt, zu einem Insolvenzverwalter gehen. Aber der hat nur bedingt Interesse an einem Eigenverwaltungsverfahren. Nicht zuletzt deshalb, weil die Honorierung deutlich schlechter ist als bei Durchführung einer Regelinsolvenz. Aber auch größere Beratungsgesellschaften, die sich in der Insolvenz nicht auskennen, schlagen meist den Weg der Regelinsolvenz vor. Sie scheuen das Eigenverwaltungsverfahren, da es für ein normales Beratungsunternehmen viel zu komplex und deutlich schwerer beherrschbar ist.
Warum räumen viele Unternehmen so spät ein, in Schwierigkeiten zu stecken?
Viele Unternehmer glauben bis zum Schluss, sie könnten es irgendwie schaffen. Selbst wenn Betroffene umfassend über die Möglichkeiten des neuen Rechts aufgeklärt werden, wagen sie diesen Schritt zunächst nicht. Sie setzen weiter darauf, einen Investor zu finden. Erst wenn auch diese Hoffnung gestorben und die Liquidität weitestgehend aufgebraucht ist, ist der Unternehmer bereit, den Weg über die Eigenverwaltung zu gehen. Dann ist es aber oft zu spät. Wenn das Unternehmen über keinerlei liquide Mittel mehr verfügt, macht die Eigenverwaltung definitiv keinen Sinn mehr. Das liegt unter anderem daran, dass nach Antragstellung neue Ware nur gegen Vorkasse geliefert wird.
Vertrauen Unternehmen zu häufig den Beratern, die ihnen auch aus Eigeninteresse erzählen, eine Gesundung der Firma sei ohne Insolvenzverfahren möglich?
Das ist so. Ein Unternehmensberater hat in erster Linie Interesse daran, Umsätze zu erzielen. Solange das Unternehmen noch in der Lage ist, die Rechnungen zu bezahlen, wird man versuchen, es am Leben zu erhalten. Wir haben häufig erlebt, dass Unternehmen, die schon seit langem insolvenzreif waren, weiter begleitet wurden. Damit begibt sich der Berater möglicherweise in Haftungsrisiken, die die eigene Existenz bedrohen.
Was muss eine Firma mitbringen, damit eine Rettung in Eigenverwaltung gelingt?
Das Unternehmen muss zunächst eine Mindestgröße aufweisen oder ausreichend Liquidität besitzen, um die Verfahrenskosten zu finanzieren.
Ein Beispiel bitte.
Auch bei einem kleineren Eigenverwaltungsverfahren ist mit Gesamtkosten für Beratung, Sachwaltung und Gericht von etwa 100.000 bis 150.000 Euro zu rechnen. Ein Unternehmen mit 20 Mitarbeitern würde etwa 180.000 Euro Insolvenzgeld bekommen. Aus Steuern und sonstigen Abgaben, die nicht bezahlt werden müssen, dürften noch einmal 70.000 Euro generiert werden. Hinzu kommen Forderungsverzichte der Gläubiger, die bei Unternehmen dieser Größenordnung zwischen 250.000 Euro und einer Million Euro liegen dürften. Ein typischer Mittelständler, der durch ein Eigenverwaltungsverfahren geht, befindet sich in einer Umsatzgröße zwischen drei und 20 Millionen Euro. Allein auf der Liquiditätsseite würden nach Abzug der Kosten etwa 100.000 Euro erwirtschaftet. Daraus ergibt sich, dass sich für Unternehmen ab dieser Größenordnung ein solches Verfahren lohnt. Allein eine ordentliche Liquidität reicht aber nicht zum Überleben. Natürlich benötigt das Unternehmen ein belastbares operatives Sanierungskonzept, das belegt, dass es aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat und neu aufgestellt erfolgreich am Markt agieren kann.
Wann ist Eigenverwaltung nicht geeignet?
Sie ist kein probates Mittel, wenn massive Insolvenzverschleppungstatbestände vorliegen oder sonstige strafbare Handlungen begangen worden sind, die die Eigenverwaltungswürdigkeit ausschließen. Darüber hinaus eignet es sich nicht für Unternehmer, die keine operative Sanierungsidee haben, um den Betrieb langfristig erfolgreich aufzustellen. Und, wie gesagt: Hat die Firma zu Verfahrensbeginn keinerlei liquide Mittel, ist ein solches Verfahren nur denkbar, wenn der Gesellschafter oder Dritte zunächst liquide Mittel bereitstellen.
Was muss sich ändern, damit die Akzeptanz der Eigenverwaltung größer wird?
Wichtig ist, noch mehr Aufklärungsarbeit zu betreiben. Die Zahl von bisher mehr als 1.000 Eigenverwaltungsverfahren belegt aus meiner Sicht sehr eindrucksvoll, dass die Eigenverwaltung ein Erfolgskonzept ist. Das gesetzgeberische Ziel, Unternehmen zu einer frühzeitigen Antragstellung zu bewegen, wurde zwar noch nicht erreicht, aber der beschrittene Weg ist richtig. Aber nicht zu vergessen ist: Ein Eigenverwaltungsverfahren ist deutlich komplexer als ein Regelinsolvenzverfahren. Der Erfolg hängt ganz wesentlich von der akribischen Vorbereitung und professionellen Durchführung ab.
Unternehmer – Insolvenzverwalter in eigener Sache
Die Insolvenzordnung räumt dem Schuldner die Möglichkeit ein, die Insolvenzmasse unter Aufsicht eines Sachwalters selbst zu verwalten und über sie zu verfügen. Der eigenverwaltende Schuldner wird so gleichsam zum Insolvenzverwalter in eigener Sache. Mit der Eigenverwaltung soll zugleich das vorhandene unternehmerische Know-how zur Sanierung genutzt werden. Im Verbund mit einem Insolvenzplan kann die Eigenverwaltung zum Erhalt des Unternehmens beitragen, wenn es gelingt, das Vertrauen der Gläubiger und des Gerichts für eine solche Lösung zu gewinnen. Dreieinhalb Jahre nach ihrer Einführung führt die Eigenverwaltung nach wie vor ein Schattendasein. In den ersten vier Monaten 2016 wurden lediglich 78 solcher Verfahren registriert. Meist handelte es sich dabei um größere und traditionsreiche Unternehmen, oft in der Rechtsform der GmbH.