Das Unternehmermagazin aus der Handelsblatt Media Group

Creditreform

Der zunehmende Wettbewerb, die anhaltende Globalisierung auf den Einkaufs- und Absatzmärkten sowie die volatilen Rohstoffpreise zeigen ihre Wirkung: Die Unternehmen stehen unter einem enormen Kostendruck. Dabei hatten sie doch gerade erst in der letzten Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise versucht, ihre Ausgaben nachhaltig zu reduzieren. Besonders viel Spielraum dürften die Firmen also in diesem Punkt nicht mehr aufzuweisen haben. Umso überraschender ist es, dass in vielen Betrieben auch aktuell große Verschwendungen zu beobachten sind – insbesondere, wenn es um den Einkauf geht. Ein Phänomen, das die Betriebe im wahrsten Sinne des Wortes teuer zu stehen kommt.

Maverick Buying („wilder Einkauf“) nennen Fachleute dieses Vorgehen, das immer noch zum unternehmerischen Alltag gehört, obwohl es die Gewinne der Betriebe empfindlich schmälert. Von ihm ist die Rede, wenn die Mitarbeiter einzelner Fachabteilungen eigenmächtig die Beschaffung von Rohstoffen, Materialien oder Dienstleistungen außerhalb standardisierter Beschaffungswege vornehmen und so ihre Kollegen in der Einkaufsabteilung umgehen. Vor allem kleine und mittelständische Firmen leiden unter diesem Problem, wie auch Christoph Feldmann, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME), weiß: „Maverick Buying kommt dort häufig vor, weil in diesen Betrieben viele Einkäufe nicht zentral abgewickelt werden – dies gilt insbesondere bei allen Bestellungen rund um Dienstreisen.“

Verschwendung stoppen

Die Ursachen für Maverick Buying können vielfältig sein und hängen nicht zuletzt von dem Verhalten und den Motiven der handelnden Personen ab. Kennt beispielsweise ein Mitarbeiter seinen Ansprechpartner im Einkauf nicht oder weiß er gar nicht, dass Rahmenverträge mit bestimmten Lieferanten und Dienstleistern bestehen, agiert er unbewusst. Um das krasse Gegenteil geht es jedoch beim kriminellen Maverick Buying: Hierbei bestellen die Mitarbeiter aus reinem Vorsatz in Eigenregie, etwa um einen persönlichen materiellen oder immateriellen Vorteil zu erlangen – der meist zulasten des Unternehmens geht. „Zu einem solchen Verhalten kommt es beispielsweise, wenn einzelne Abteilungen langjährige Beziehungen zu ihren Lieferanten aufgebaut haben und diese nicht gerne an den Einkauf abtreten“, sagt BME-Hauptgeschäftsführer Feldmann.

Ob unbewusst oder bewusst, kriminell oder einfach nur gut gemeint: Allen Ausprägungsformen von Maverick Buying ist gemeinsam, dass sie die Beschaffungskosten im Unternehmen erhöhen, weil Einkaufssynergien nicht genutzt oder Zahlungsziele nicht optimal ausgehandelt und ausgereizt werden können. Zudem bergen sie juristische Risiken, beispielsweise wenn der einzelne Mitarbeiter oder die einzelne Abteilung keine rechtlich einwandfreien Kaufverträge mit dem Lieferanten abschließt. Und das kriminelle Maverick Buying zieht zudem nicht kalkulierbare Compliance-Gefahren nach sich – im schlimmsten Fall kann es sogar zu einem Reputationsverlust des Unternehmens bei den Kunden und den Geschäftspartnern kommen, wenn Verstöße gegen geltende Regeln publik werden.

Wichtige Kennziffer

Wer messen möchte, ob auch in seinem Unternehmen Maverick Buying an der Tagesordnung ist, kann dies mithilfe der Cash-out-Quote. Dieser Anteil der vom Einkauf verantworteten Ausgaben am gesamten kreditorischen Finanzvolumen dar und zeigt auf, wo es konkreten Handlungsbedarf gibt. Experten sind der Meinung: Die Kennzahl sollte nicht deutlich unter die 80-Prozent-Grenze fallen. Ist die Summe der Einkäufe jedoch deutlich niedriger als der kumulierte Finanzbetrag mit externen Lieferanten, ist dies ein Indiz dafür, dass ein großer Teil des Bedarfs an Produkten und Dienstleistungen „am Einkauf vorbei“ bestellt wird. In diesem Fall stimmen die Einkaufsprozesse nicht oder die Mitarbeiter akzeptieren die eigens dafür zuständige Abteilung nicht.

Als beste Gegenmaßnahme hat sich die offene Kommunikation erwiesen. „Maverick Buying kann durch größere Transparenz in den Beschaffungsabläufen identifiziert, später reduziert und am Ende ganz verhindert werden. Damit wird Prozesssicherheit und -treue über die verschiedensten Fachabteilungen hinweg garantiert“, sagt Feldmann vom BME. Häufig wird der „wilde Einkauf“ erst durch Informationsdefizite ausgelöst oder den Maverick Buyern fehlt es am Bewusstsein der Folgen ihres nicht autorisierten Handelns. „Die Mitarbeiter sollten die konkreten Vorteile effizienter Einkaufsprozesse kennen, um leicht nachvollziehen zu können, dass durch effiziente und strukturierte Beschaffungsprozesse Kosten eingespart und Lieferzeiten verkürzt werden können“, empfiehlt deshalb Bernhard Höveler, geschäftsführender Gesellschafter der Höveler Holzmann Consulting GmbH, Düsseldorf.

Gegenüber Mitarbeitern, die aus reinem Eigennutz selbstständig einkaufen oder denen es lediglich um die Ausübung von Macht geht, hilft allerdings nur eine harte, disziplinierende Vorgehensweise. „Bei der Nichteinhaltung der Reiserichtlinie kann zum Beispiel die Nichterstattung der Reisekosten oder gar eine Abmahnung ein effizientes Mittel zur Eindämmung von Maverick Buying sein“, sagt Roland Bruckmann, Prokurist, Leiter Einkauf Anlagen, Bau- und Dienstleistungen und Travel Management der Salzgitter Flachstahl GmbH. Um eine positive Wirkung zu erzielen, ist es sehr wichtig, dass das Management hinter den eingeführten Bestellprozessen steht und auf deren Einhaltung pocht. „Das Management sollte den Einkauf bei der Unterbindung von Maverick Buying konsequent unterstützen“, rät BME-Experte Feldmann und gibt gleich noch einen praktischen Tipp mit auf den Weg: „Führen Sie ein Einkaufshandbuch, in dem alle firmeninternen Zuständigkeiten präzise festgelegt wurden – es muss für alle Mitarbeiter einsehbar sein – zum Beispiel über das Intranet.“ Carmen Mausbach
Mit diesen Maßnahmen bekämpfen Sie Maverick Buying im Bereich von Reiseleistungen ein: 

1. Formulieren Sie präzise Reiserichtlinien, die genau vorgeben, was erlaubt ist – und welche Konsequenzen (zum Beispiel Abmahnung, Nichterstattung der Reisekosten, Führen einer „Black List“ über vertragswidrige Lieferanten) bei Nichteinhaltung erfolgen.

2. Machen Sie deutlich: Die Reiserichtlinien wurden mit der vollen Rückendeckung durch die Geschäftsführung aufgestellt.

3. Sorgen Sie für ein effizientes Controlling: Welche Kostenstelle beziehungsweise welcher Mitarbeiter reist wie oft und wie lange? Welche Ausgaben sind zu verbuchen? Führen Sie Monats-, Quartals- und Jahresvergleiche der einzelnen Kennzahlen durch.

4. Scheuen Sie nicht davor zurück, die angekündigten Sanktionen bei Nichteinhaltung der Reiserichtlinie auch in die Tat umzusetzen.

5. Informieren Sie regelmäßig alle Betroffenen über aktuelle Entwicklungen in den Reiserichtlinien.

Eine Checkliste, die Ihnen hilft, Maverick Buying in Ihrer Firma zu unterbinden, finden Sie im Internet unter www.creditreform-magazin.de/maverick-buying