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Creditreform

© ADRIAN DENNIS/AFP/Getty Images; privat

 

Die neue Steuerhaftung der Betreiber elektronischer Marktplätze soll vermehrten Umsatzsteuer­betrügereien im Internet einen Riegel vorschieben. Als weitere Maßnahme wurden Portalbetreiber zur Aufzeichnung jedes einzelnen Umsatzes ihrer Händler verpflichtet.

 

Die Finanzbehörden haben ihre Umsatzsteuerregelungen für Betreiber von Online-Marktplätzen verschärft. Dabei handelt es sich keineswegs um einen deutschen Alleingang, denn neben den ab 2021 geplanten EU-weiten Betrugsbekämpfungsmaßnahmen entwickelt auch die OECD eine Meldeverpflichtung elektronischer Plattformbetreiber für steuerliche Zwecke sowie zur Weiterleitung an Sozialleistungsträger.

 

Allerdings bleiben auch deutsche Unternehmen von Nachweispflichten und der Auswertung ihrer Umsatzzahlen in Prüfungsfällen nicht verschont. Sowohl die durch das „Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ eingeführte Aufzeichnungspflicht der Betreiber elektronischer Marktplätze als auch deren Haftung für nicht entrichtete Umsatzsteuer aus Lieferungen über den bereitgestellten Marktplatz beschränken sich nicht nur auf Händler aus Drittstaaten oder dem europäischen Ausland.

Unser Steuer-Experte:

Bernhard Lindgens ist in der Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung im Bundeszentralamt für Steuern in Bonn tätig. Zuvor war er im Bundesministerium der Finanzen für verschiedene Projekte in der Steuerfahndung und Betrugsbekämpfung sowie für den Datenzugriff der Finanzbehörden zuständig.

Aufzeichnungspflichten für Händler

Unter die Aufzeichnungspflicht fallen nach dem Umsatzsteuergesetz (§ 22f UStG) alle Lieferungen, bei denen der Kaufvertrag mithilfe eines automatisierten Bestellvorgangs zustande gekommen ist und bei denen die Beförderung oder Versendung der Ware im Inland beginnt oder endet.

Wie im deutschen Steuerrecht üblich, müssen die Aufzeichnungen zehn Jahre lang aufbewahrt werden. Zu den in elektronischer Form vorzuhaltenden Grundinformationen und Verkaufsdaten zählen:

  • Der vollständige Name und die vollständige Anschrift des Lieferanten. Sofern ein Händler auf dem elektronischen Marktplatz nicht als Unternehmer registriert ist, muss neben der Wohn- oder Meldeadresse noch dessen Geburtsdatum nachgewiesen werden.
  • Steuernummer und – falls vorhanden – Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Lieferanten.
  • Ein Beginn- und Enddatum der längstens drei Jahre gültigen Bescheinigung über die steuerliche Erfassung des für den Händler zuständigen Finanzamts.
  • Der Ort des Beginns der Versendung und der Bestimmungsort.
  • Der Zeitpunkt und die Höhe des Umsatzes (bereits um Rabatte, Skonti oder andere Preisnachlässe gemindert).

In einem Anwendungsschreiben vom 28. Januar 2019 (Az.: III C 5 – S 7420/19/10002:002) stellt das Bundesministerium der Finanzen (BMF) klar, dass nicht angenommene oder zurückgesandte Ware dabei außen vor bleibt. Internethändler sollten daher darauf achten, dass alle Retouren ihrer Kunden aus den Aufzeichnungen des Portalbetreibers ausgebucht werden.

So lassen sich im Prüfungsfall Abweichungen zum tatsächlich versteuerten Umsatz ausschließen.

 

Umsatzssteuer: Einer zahlt immer

Über die Aufzeichnungspflicht der Umsätze hinaus müssen sich die Betreiber elektronischer Markt­plätze vergewissern, ob alle auf ihren Plattformen tätigen Unternehmen hierzulande auch steuerlich registriert sind.

Ansonsten sind sie zum Ausschluss der betreffenden Händler auf ihren Plattformen verpflichtet und haften bei Verstößen für nicht entrichtete Umsatzsteuer aus deren Lieferungen (§ 25e UStG).

Dieser Haftung können Betreiber nur entgehen, wenn ihnen eine Bescheinigung über die steuerliche Erfassung des für den Händler zuständigen Finanzamts vorliegt. Solche Bescheinigungen werden für in Deutschland registrierte Unternehmen von den Finanzämtern meist innerhalb weniger Tage bereitgestellt.

 

Rechtsgrundlagen

Az.: III C 5 – S 7420/19/10002:002, Anwendungsschreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 28. Januar 2019 zur Haftung für Umsatzsteuer beim Handel mit Waren im Internet

22f UStG, Besondere Pflichten für Betreiber eines elektronischen Marktplatzes

25e UStG, Haftung beim Handel auf einem elektronischen Marktplatz

 

Wichtig: Sofern sich ein Händler auf dem Marktplatz als Nichtunternehmer angemeldet und folglich auch keine Bescheinigung seines Finanzamts vorgelegt hat, soll eine Haftung des Betreibers entfallen. Aber nur in den Fällen, in denen er nachweislich nach Art, Menge und Höhe der Verkäufe keine Kenntnis über die unzutreffende Registrierung des Händlers als Nichtunternehmer haben konnte.

Zwar soll (allein) das Erreichen einer bestimmten Umsatzhöhe nach Auffassung der Finanzbehörden für die Einstufung als unternehmerische Tätigkeit nicht entscheidend sein, einen Umsatz von 17.500 Euro im Kalenderjahr werten sie dagegen als deutliches Anzeichen.