In Sachen Erbschaftsbesteuerung hat sich die Politik nun auf einen Kompromiss geeinigt. Etlichen umfangreichen Neuregelungen droht aber auch diesmal nur eine kurze Halbwertszeit. Ein Überblick über die wesentlichen Eckpunkte der Reform. Text: Bernhard Lindgens
Da sind zum einen Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht, die in den kommenden Jahren wohl das Gesetz Stück für Stück aushöhlen werden. Doch viel größer sind die Sorgen rund um die im Vermittlungsausschuss geschaffene und zumindest vorläufige Rechts- und Investitionssicherheit. Denn der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterliegt grundsätzlich jeder Vermögenswert, der im Todesfall vererbt, noch zu Lebzeiten verschenkt oder auf eine Stiftung übertragen wird. Keine Rolle spielt dabei, ob die Erben im Todesfall aufgrund testamentarischer, erbvertraglicher oder gesetzlich festgelegter Erbfolge begünstigt werden. Selbst die Pflichtteilsansprüche naher Angehöriger sowie Abfindungen für den Verzicht auf Pflichtteils- oder Erbersatzansprüche werden voll erfasst.
Die Bewertung jedes einzelnen übertragenen Vermögensbestandteils – und damit die Höhe der fälligen Steuerlast – richtet sich nach dem Bewertungsgesetz. Dies sah in der Vergangenheit je nach Art des Wirtschaftsguts völlig unterschiedliche Bewertungsverfahren vor. Insbesondere die erhebliche Unterbewertung von Immobilien im Vergleich zum Kapitalvermögen war für das Bundesverfassungsgericht mit dem im Grundgesetz verankerten Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar. Immerhin wurden Geld und Wertpapiere bisher mit ihrem tatsächlichen Wert angesetzt, Immobilien dagegen mit Beträgen, die bis zu 40 Prozent unterhalb des tatsächlichen Verkehrswertniveaus lagen. Ein weiterer strittiger Punkt war die pauschale Begünstigung für Betriebsvermögen durch die Übernahme der Steuerbilanzwerte.
Firmennachfolger begünstigt?
Infolgedessen wurde zum 1. Januar 2009 ein erster Anlauf zur verkehrswertorientierten Bewertung aller Vermögensklassen unternommen. Doch auch diese umfassende Reform der Erbschaftsbesteuerung kippten die Verfassungsrichter im Dezember 2014. Unter anderem, weil sie die nach wie vor zu großzügigen Verschonungsregeln für Unternehmenserben ablehnten. Negativ stieß zudem die Ausgestaltung der sogenannten Lohnsummenklausel auf. Demnach sicherten sich Erben oder Beschenkte Steuervorteile, wenn sie den Betrieb mindestens fünf (für eine volle Steuerbefreiung sieben) Jahre lang fortführten und die Arbeitsplätze erhielten. Der Kritikpunkt des Bundesverfassungsgerichts: Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten – und damit rund 98 Prozent der Unternehmen – trafen bislang keinerlei Nachweispflichten.
Nach 22-monatigem Hin und Her steht mit der Zustimmung des Bundesrates nun endlich der nächste Versuch einer – so die Hoffnung – verfassungsmäßig konformen Erbschaftsbesteuerung. Auch wenn seitens der Politik gern publikumswirksam auf eine schärfere Steuerfestsetzung bei der Übertragung unproduktiver Luxusgegenstände (etwa: Oldtimer, Yachten oder Kunstgegenstände) verwiesen wird, bleiben Unternehmensvermögen mit Blick auf den Erhalt von Arbeitsplätzen im Großen und Ganzen auch künftig noch begünstigt. Eindeutige Gewinner des aktuellen Reformvorhabens sind die Erben kleiner und mittlerer Unternehmen. Doch auch sie müssen sich in Zukunft mit zahlreichen praktischen Zweifelsfragen und zusätzlichem bürokratischen Aufwand auseinandersetzen.
Zum Beispiel in puncto Lohnsummenklausel: Künftig bleiben lediglich Unternehmen mit bis zu fünf Mitarbeitern von den Nachweispflichten befreit. Für Firmen mit mehr Mitarbeitern sind die für eine Vollverschonung erforderlichen durchschnittlichen Lohnsummen nach der Beschäftigtenanzahl gestaffelt. Festgelegt wurde auch, dass Beschäftigte in Mutterschutz und Elternzeit, Auszubildende, Langzeiterkrankte, Leiharbeitnehmer und Saisonbeschäftigte nicht mitzählen. Teilzeitbeschäftigte aber dagegen voll.
Zu den wichtigsten Neuregelungen gehören – gegenüber der vom Bundestag beschlossenen Gesetzesvorlage – folgende Änderungen:
✪ Zur vereinfachten Bewertung des Unternehmensvermögens im Zeitpunkt der Übertragung wird der künftig voraussichtlich erzielbare Jahresertrag nunmehr mit dem festen Kapitalisierungsfaktor 13,75 multipliziert. Zwar ist dieser höher als der im Bundestagsbeschluss zunächst vorgesehene Faktor von 12,5 – aber immer noch deutlich niedriger als der beim vereinfachten Verfahren bislang angewandte Vervielfältiger von knapp 18.
✪ Für Familienunternehmen blieb es zwar beim vorgesehenen 30-prozentigen Abschlag auf den Unternehmenswert. Allerdings nur, wenn Entnahmen und Ausschüttungen eine Quote von 37,5 Prozent nicht überschreiten.
✪ Eine schlechte Nachricht gibt es dagegen bei der zinslosen Stundung festgesetzter Erbschaftsteuerbeträge. Statt der zuletzt in Aussicht gestellten zehnjährigen zinslosen Stundung wird Firmennachfolgern die Zahlung nur noch ein Jahr zinslos gestundet. Den in der Abgabenordnung festgeschriebenen Zinssatz von sechs Prozent werden die Finanzämter für maximal weitere sechs Jahre berechnen.
Ein Ausblick: In den kommenden Ausgaben wird das Creditreform-Magazin im Rahmen einer Artikelreihe zum Thema Erbschaftsteuer in loser Folge unter anderem über Abschreibungsmöglichkeiten im Erbfall, den Abzug von Abfindungszahlungen an ausscheidende Erben sowie die Unternehmensbewertung in der Praxis informieren. Nicht fehlen darf dabei ein Blick auf die in Kürze zu erwartenden Klarstellungen der Finanzbehörden, da der Gesetzeswortlaut nach Expertenmeinungen allzu viel Interpretationsspielraum zulässt.
Kein Zurück bei der Cash GmbH
Wie so oft im Steuerrecht hatte auch die erbschaftsteuerliche Begünstigung von Unternehmensvermögen Mitnahmeeffekte zur Folge. In der Vergangenheit wurde mithilfe sogenannter Cash-GmbHs privates Vermögen vermehrt in Betriebsvermögen umgewandelt, um dieses anschließend nur teilweise versteuert oder sogar komplett steuerfrei den Beschenkten oder Erben überlassen zu können. So war es ein Leichtes, Anteile an einer GmbH oder GmbH & Co. KG mit einem ausschließlich aus Sparanlagen und Festgeldkonten bestehenden Vermögen erbschaftsteuerfrei zu verschenken oder zu vererben. Zur Vermeidung weiterer Steuerausfälle darf eine GmbH nach dem am 26. Juni 2013 verkündeten Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz nur noch 20 Prozent des Betriebsvermögens in Zahlungsmitteln, Guthaben und Forderungen halten. Der übersteigende Wert gilt als schädliches Verwaltungsvermögen. Dabei bleibt es auch nach der aktuellen Reform der Erbschaftsbesteuerung.