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Bankfinanzierungen sind mitentscheidend für den grünen Umbau der Wirtschaft, vor allem für den Mittelstand, der selten kapitalmarktorientiert ist. Doch um zu beurteilen, ob eine Investition wirklich nachhaltig ist, schauen die Institute genau auf die Klimabilanz – auch bei kleinen Unternehmen.
Die Summen sind enorm. 860 Milliarden Euro müsse Deutschland in den kommenden neun Jahren in den Bereichen Industrie, Energie, Verkehr und Gebäude investieren, um die Klimaziele bis 2030 zu erreichen, rechnet der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) in einer aktuellen Studie vor.
Die Unternehmensberatung McKinsey schätzt sogar, dass sechs Billionen Euro nötig sein werden, um Deutschland bis 2045 komplett klimaneutral zu machen. Eine Billion weniger, nämlich fünf Billionen Euro an öffentlichen, privaten und wirtschaftlichen Investitionen für dasselbe Ziel, veranschlagt die KfW in einer eigenen Untersuchung.
„Das ist eine gewaltige Summe, aber es ist machbar“, machte Fritzi Köhler-Geib, KfW-Chefvolkswirtin, bei der Vorstellung der Studienergebnisse im Oktober 2021 Hoffnung. Zumal die Förderbank relativiert, dass ihre Berechnung mit 3,1 Billionen Euro auch solche Investitionen enthalte, die als Ersatzanschaffungen ohnehin getätigt würden und lediglich in nachhaltige Bahnen gelenkt werden müssen.
„Klar ist: Die öffentlichen Mittel werden nicht reichen, um beispielsweise die ambitionierten Ziele der EU in Sachen Klimaschutz zu realisieren. Wir brauchen also privates Kapital. Banken haben am Kapitalmarkt eine wichtige Intermediärsfunktion“, sagt Stephan Ortolf, Leiter Firmenkundenzentralbereich bei der DZ Bank. „So sehen wir es als unsere Aufgabe, auch private Gelder zu mobilisieren und in klimaschutzförderliche Projekte zu lenken.“
Klimaverträgliche Assets gesucht
Wie genau das funktionieren kann, zeichnet sich allerdings erst langsam ab. Die Banken reklamieren zunehmend für sich, nur noch solche Unternehmen mit Geld zu versorgen, die nach ökologischen und sozialen Gesichtspunkten wirtschaften und eine gute Unternehmensführung vorweisen können – oder zumindest deutliche Fortschritte in diese Richtung erzielen.
„Immer mehr Investoren suchen nach klimaverträglichen Anlagemöglichkeiten. Banken entwickeln nachhaltige Anlageprodukte und schaffen damit die Möglichkeit, dass Kapital in klimafreundliche Technologien fließt“, sagt Stefan Schneider, Chefvolkswirt der Deutschen Bank.
Sein Institut hat sich, genau wie die Commerzbank, unter anderem der GFANZ angeschlossen. Das Akronym steht für Glasgow Financial Alliance for Net Zero, einer Initiative von inzwischen mehr als 450 Finanzinstituten weltweit, die bis spätestens 2050 das langfristige Ziel der Klimaneutralität anstreben.
Für Unternehmen bedeutet das: Sie müssen belegen, wie sich die Folgen des Klimawandels auf ihr Geschäft auswirken. Wer nicht nachhaltig genug wirtschaftet oder zumindest glaubhaft machen kann, dass eine Transformation begonnen hat, riskiert Nachteile.
„Weil der überwiegende Teil deutscher Unternehmen mittelständisch aufgestellt und damit nicht kapitalmarktorientiert ist, kommt für ihn vor allem eine Kreditfinanzierung in Betracht“, sagt Volker Stolberg, Seniorreferent Geschäftspolitik beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR). „Dabei sind Banken zunehmend auf die Nachhaltigkeitsdaten angewiesen“, so Stolberg weiter. Wichtig sei ein enger Austausch zwischen der Bank und den finanzierten Unternehmen.
Wenn Bonität allein nicht mehr genügt
Der Experte legt damit den Finger in eine Wunde, die Unternehmen zunehmend spüren. Bisher waren die Regeln für die Kreditvergabe relativ einfach. Als maßgebliches Kriterium galt die Bonität. Doch sie allein reicht nicht mehr.
„Um bewerten zu können, welche Investitionen nachhaltig sind, werden sogenannte ESG-Daten benötigt. Unternehmen werden also zunehmend mit neuen Datenanforderungen konfrontiert“, sagt Dominik Lamminger, Mitglied der Geschäftsleitung des Bundesverbands Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB).
Entscheidend ist, dass Unternehmen umfassend über ihre Nachhaltigkeitsbemühungen sowie über klimarelevante Risiken berichten. Wetterextreme, die Fabriken beschädigen oder die Produktion zum Stillstand bringen können, steigende Kosten für den CO2-Ausstoß oder der Umstand, dass der Klimawandel ganze Geschäftsmodelle auf den Prüfstand stellt – auch über solche Risiken möchten Kreditgeber Bescheid wissen.
„Nachhaltigkeit ist heutzutage kein Wettbewerbsvorteil mehr, sondern vielmehr eine Wettbewerbsbedingung. Wer das Thema Nachhaltigkeit vernachlässigt, verpasst Geschäftschancen, setzt sich vermeidbaren Risiken und Kosten aus und riskiert auch die eigene Reputation“, bringt es Stephan Ortolf auf den Punkt.
Standards entstehen gerade erst
Das Problem: Ein einheitlicher Standard, wie Klimarisiken und positive Klimaschutzmaßnahmen zu bewerten sind, entsteht gerade erst. Die EU-Kommission bereitet neue Richtlinien für die Nachhaltigkeitsberichterstattung vor. Auch ist im Gespräch, dass danach erstellte Nachhaltigkeitsberichte von externen Instanzen geprüft werden müssen.
„Angesichts der sehr komplexen EU-Taxonomie teilen wir die Einschätzung der Europäischen Kommission, dass Unternehmen unabhängige Dritte mit der Prüfung ihrer Taxonomie-Konformität beauftragen sollten“, sagt Köhler-Geib. „Die Verfügbarkeit von verlässlichen Informationen über die Klimawirkung einzelner Investitionsvorhaben trägt wesentlich dazu bei, das notwendige Kapital für die Transformation zu mobilisieren.“
Wichtig sei vor allem der erkennbare Wille zur Veränderung, betonen alle Geldhäuser. Statt sich abrupt von klimaschädlichen Branchen und Geschäftsmodellen zu verabschieden, wollen sie auch ihnen beim grünen Umbau helfen. „Die dringlichste Aufgabe besteht darin, den CO2-Ausstoß zu reduzieren.
Dabei kann es nicht darum gehen, nur Investments in grüne Technologien zu tätigen“, sagt Pia Jankowski, Direktorin Volkswirtschaft beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV). „Wir wollen möglichst alle Unternehmen bei der Transformation unterstützen. Deshalb müssen und wollen Sparkassen auch Unternehmen finanzieren, die heute noch nicht nachhaltig sind, aber sich nachvollziehbar auf den Weg gemacht haben“, beschreibt sie den pragmatischen Ansatz des DSGV.
Die Sparkassen-Finanzgruppe stellt laut eigener Aussage immerhin rund 42 Prozent der Kreditmittel für deutsche Unternehmen bereit – und wird es unter den genannten Bedingungen auch weiterhin tun.
Noch mehr Einschätzungen aus der Finanzbranche:
Teil I: Wie die Banken die Konjunkturaussichten bewerten
Teil II: Wie die Banken die Kreditversorgung im Mittelstand sehen