Die Europäische Union regelt den Datenschutz neu. Ziel ist es, das Vertrauen der Verbraucher in die digitale Wirtschaft zu stärken. Mancher Vorschlag, der momentan diskutiert wird, würde Wirtschaftsauskunfteien die Geschäftsgrundlage entziehen.
Ganz schön lange her: 1995 hies der Bundespräsident Roman Herzog, aus der Privatisierung der Deutschen Bundespost entstand die Deutsche Post AG – und weniger als ein Prozent der Europäer nutzten ein Medium, von dem die Masse der Bevölkerung noch nie gehört hatte: das Internet. Aus demselben Jahr stammt die Datenschutzrichtline der Europaischen Union. Inzwischen ist viel passiert. Nicht nur in Schloss Bellevue, dem Sitz des Bundespräsidenten, oder bei der Post. Sondern vor allem bei der Nutzung des Internets: Heute sind etwa 80 Prozent der Bundesbürger online; jeder Zweite greift mittlerweile auch unterwegs auf Netzinhalte zu. Unternehmen wie Facebook, Google oder Twitter sitzen auf Bergen von Daten von Menschen, die sich in sozialen Netzwerken austauschen, online einkaufen oder sich aus anderen Gründen häufig im Netz bewegen. Höchste Zeit somit, die Datenschutzrichtlinie nicht nur einem Facelifting zu unterziehen, sondern sie von Grund auf neu zu schreiben – und das europaweit. Der Kerngedanke lautet: Die neue Verordnung soll das Vertrauen der Verbraucher in die digitale Wirtschaft stärken, weil sie sich künftig auf den Schutz ihrer Daten verlassen können.
Den ersten Anlauf dazu unternahm die Europäische Kommission 2012, als sie ihren Vorschlag für eine neue Datenschutzverordnung vorlegte. Im März 2014 verständigte sich dann das EU-Parlament auf eine Position, ehe sich Mitte Juni 2015 auch die Innen- und Justizminister der EU-Mitgliedstaaten (der „Rat“) auf eine Reform einigten. Seitdem ringen alle Beteiligten in den sogenannten Trilog- Verhandlungen um einen finalen Kompromiss. Der ehrgeizige Zeitplan: Bis Ende dieses Jahres wollen sich die 28 Mitgliedstaaten auf einheitliche Regeln verständigt haben.

„Es geht um nicht mehr und nicht weniger als unsere Geschäftsgrundlage.“ Thomas Riemann, Creditreform
Bis dahin wird Thomas Riemann, Leiter der Abteilung Recht beim Verband der Vereine Creditreform, noch manch unruhige Stunde haben. Denn für Wirtschaftsauskunfteien wie Creditreform steht bei der Datenschutzreform eine Menge auf dem Spiel: „Es geht um nicht mehr und nicht weniger als unsere Geschäftsgrundlage“, betont der promovierte Jurist. Die Materie ist kompliziert, und auch Fachleute halten es für schwierig, die richtige Balance zu finden zwischen dem Interesse des Einzelnen auf Schutz seiner Daten und den Interessen der Unternehmen, die Informationen benötigen, um Geschäfte betreiben zu können.
Was soll sich konkret ändern? Künftig sollen einheitliche, gleich strenge Datenschutzregeln für alle Verbraucher und Unternehmen in der EU gelten – und zwar auch für alle nicht-europäischen Unternehmen. „Alle spielen auf demselben Platz nach denselben Regeln“, formuliert die zuständige EU-Justizkommissarin, die Tschechin Vĕra Jourova. Ein italienisches Unternehmen beispielsweise, das via Internet in Deutschland und in Frankreich Bekleidung verkaufen will, muss in Zukunft nicht mehr recherchieren, welche unterschiedlichen Datenschutzrichtlinien in diesen Ländern gelten, und sich entsprechend aufstellen. Künftig soll es einen überall gültigen Standard geben. Das spart vielen Unternehmen Zeit und Geld und klingt deshalb zunächst einmal gut. Im Zuge der Vereinheitlichung des Umgangs mit personenbezogenen Daten in der gesamten EU werden aber auch Änderungen diskutiert, die für Auskunfteien und alle, die auf eine aussagekräftige Bonitatsprufung angewiesen sind, um Geschäfte zu betreiben, verheerende Folgen haben können.
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