Wo in Deutschland gibt es das beste Klima für Unternehmensgründungen aus dem Hightech-Bereich? Die Creditreform Wirtschaftsforschung hat auf Basis von Arbeiten des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung eine Rangliste der Top-Regionen erstellt. Die Ergebnisse im Überblick.
Die Stadt Jena preist die drei Männer als ihr „Dreigestirn“: Carl Zeiss, Ernst Abbe und Otto Schott revolutionierten vor mehr als 100 Jahren den wissenschaftlich fundierten Mikroskopbau. Damit legten sie den Grundstein für drei Jenaer Unternehmen, die heute als renommierte und innovative Konzerne international erfolgreich sind: Zeiss, Jenoptik und Schott. Vor allem aber festigte das Jenaer Dreigestirn eine wichtige Tradition der zweitgrößten Stadt Thüringens: die enge Verzahnung von Universität, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und lokaler Industrie.
In diesem Umfeld sprudeln Ideen und Innovationen. In jedem Jahr werden in Jena etwa 250 Patente pro 100.000 Einwohner angemeldet. Zum Vergleich: Der bundesdeutsche Durchschnitt beträgt gerade einmal 59. Mit rund 1.000 Forschern im Bereich Optik und Photonik sowie mehr als 9.000 Beschäftigten in der Hightech-Industrie ist Jena ein führendes Zentrum im Bereich lichtbasierter Technologien. Jetzt darf sich die Stadt mit Fug und Recht als deutsches Silicon Valley bezeichnen. Eine gemeinsame Untersuchung der Creditreform Wirtschaftsforschung und des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hat ergeben, dass über einen längeren Zeitraum in keiner anderen deutschen Region mehr Hightech-Unternehmen (in Relation zu sämtlichen Newcomern) gegründet wurden als in Jena. 16,3 Prozent der dort zwischen 2012 und 2016 neu an den Start gegangenen Firmen waren Start-ups aus diesem Segment. Auf den Plätzen folgen mit gehörigem Abstand Karlsruhe (13,4 Prozent), Darmstadt (13,3 Prozent) und Dresden (12,1 Prozent). Im bundesweiten Durchschnitt betrug die Quote im betrachteten Zeitraum lediglich 7,3 Prozent.
Was sagt ein hoher Hightech-Anteil an Unternehmensgründungen aus? Üblicherweise werden diese Betriebe nicht aus der Arbeitslosigkeit oder drohenden Erwerbslosigkeit gegründet. Vielmehr hat der Gründer – oftmals sind es mehrere Personen – eine besondere Geschäftsidee und besitzt obendrein eine hohe Motivation, sich damit am Markt zu beweisen. Ganz allgemein sind viele Gründungen in forschungs- und wissenschaftsintensiven Branchen wichtig, damit eine export- und technologieorientierte Volkswirtschaft wie Deutschland international nicht den Anschluss verliert. Auch besitzen solche Newcomer ein größeres Potenzial, Arbeitsplätze zu schaffen als junge Unternehmen, die sich auf konsumorientierte Dienstleistungen spezialisiert haben.
Regionale Konzentration
Regionale Agglomerationen von Unternehmen derselben Branche, von Dienstleistern, Forschungsinstitutionen und Experten animieren zu Nachahmungen. Das zeigt die Analyse von Creditreform Wirtschaftsforschung und ZEW über das Gründungsgeschehen in den rund 400 Landkreisen und kreisfreien Städten in Deutschland sehr deutlich. Wo bereits mehrere Firmen eines Wirtschaftszweigs zu Hause sind, kommt häufiger eine neue Adresse hinzu als im unternehmerischen Niemandsland. Entsprechend halten Regionen mit aktuell sehr hohen (beziehungsweise sehr niedrigen) Hightech-Anteilen diesen Status auch in einer längerfristigen Betrachtung. Jena und Darmstadt sind dafür gute Belege. Dort werden seit mehr als zehn Jahren weit überdurchschnittlich viele Hochtechnologie-Unternehmen gegründet. Anders in den Landkreisen Aurich und Wittmund: Sie verharren seit langem in der Gruppe der Regionen mit besonders wenigen Startups aus diesem Wirtschaftsbereich. „Die Analyse lässt vermuten, dass es insgesamt eine verstärkte Gründungsaktivität im Hightech-Sektor insbesondere in Agglomerations- und Ballungsräumen und größeren Städten gibt, die weitere positive Rahmenbedingungen bieten, wie beispielsweise entsprechend ausgerichtete Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit einem entsprechenden Fachkräfteangebot“, schreiben die Autoren der Studie.
Gleichwohl kann es auch kurzfristig stärkere Schwankungen geben. Das zeigt das Beispiel Kauf- beuren: Die Stadt steigerte ihre Hightech-Gründungsquote zuletzt erheblich – von 5,3 Prozent im Zeitraum 2007 bis 2011 auf über elf Prozent im Zeitraum 2012 bis 2016 und landet damit unter den Top-10- Regionen.
Ostdeutschland wies lange Zeit eine deutlich niedrigere Quote an Hightech-Gründungen auf als die alte Bundesrepublik. Der Abstand betrug zeitweise mehr als einen Prozentpunkt. Zwischen 2012 und 2015 verlor Westdeutschland jedoch seinen Vorsprung. In dieser Zeit waren solche Gründungen im Osten stärker ausgeprägt. Der Höhepunkt war im Jahr 2013 erreicht, als ihr Anteil 8,1 Prozent betrug. So viel wie im Westen 2001 – also zu einer Zeit, als die Blase am Neuen Markt einen bedrohlichen Umfang erreicht hatte. Eine Betrachtung nach Bundesländern zeigt ein Süd-Nord-Gefälle: Bayern (8,4 Prozent) und Baden-Württemberg (8,3 Prozent) liegen bei den Flächenländern vorn. Folglich liegt der Anteil an technischen Betriebsstarts in den Südländern mit 7,7 Prozent nahezu einen Prozentpunkt über dem der Nordländer (6,8 Prozent).
Der Blick auf den Anteil, den Hightech- Unternehmen am gesamten (zunehmend schwachen) Gründungsgeschehen haben, verdeckt, dass die absolute Zahl der Newcomer in diesem Bereich seit Jahren rückläufig ist. Im Jahr 2016 wurden in den entsprechenden Wirtschaftsbereichen nur noch 11.311 Unternehmen gegründet. Zum Vergleich: Zehn Jahre zuvor waren es noch 15.315 gewesen; 1996 sogar 19.316. Den Höhepunkt markierte das Jahr 2000 mit 21.720 Neugründungen.
Hotspots für Hightech
In diesen Regionen ist die Hightech- Gründungsquote besonders hoch:
Jena 16,3 %
Karlsruhe 13,4 %
Darmstadt 13,3 %
Dresden 12,1 %
München 12,0 %
Starnberg 11,8 %
Stuttgart 11,7 %
Erlangen 11,4 %
Kaufbeuren 11,2 %
Potsdam 11,2 %
Anteil der Hightech-Firmen an allen Gründungen; Quelle: Creditreform
Kein Klima für Hightech
In diesen Regionen ist die Hightech- Gründungsquote besonders niedrig:
Kyffhäuserkreis 1,8 %
Frankenthal (Pfalz) 2,2 %
Bernkastel-Wittlich 2,8 %
Wittmund3,0 %
Herne3,1 %
Altenberger Land 3,1 %
Hof 3,2 %
Aurich 3,3 %
Stendal 3,3 %
Börde 3,4 %
Anteil der Hightech-Firmen an allen Gründungen; Quelle: Creditreform