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Creditreform

Unter bestimmten Bedingungen können Insolvenzverwalter bereits von Schuldnern geleistete Zahlungen von den Gläubigern zurückfordern. Und das für einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren. Dieses für manche Unternehmen existenzbedrohende Risiko lässt sich versichern.

Als Wolfgang Hirschmüller im vergangenen Jahr Post von einem Insolvenzverwalter erhielt, glaubte er zunächst an einen schlechten Scherz. Der Verwalter forderte den Eigentümer eines kleinen Bauplanungsbüros im sächsischen Döbeln auf, knapp 100.000 Euro zu zahlen – für eine Leistung, die seine Firma drei Jahre zuvor ordnungsgemäß erbracht und abgerechnet hatte. Der Auftraggeber hatte damals nur zögerlich bezahlt, Hirschmüller hatte ihn mehrfach mahnen müssen. Und genau das wurde ihm nun zum Verhängnis.

Denn der Insolvenzverwalter der inzwischen pleitegegangenen Firma sah in den Zahlungserinnerungen einen Hinweis, dass Hirschmüller von den finanziellen Schwierigkeiten seines Auftraggebers wusste und sich durch die beschleunigte Beitreibung seiner Forderung einen Vorteil gegenüber anderen Gläubigern verschaffen wollte. Der Unternehmer setzte sich zur Wehr, zog aber den Kürzeren. Ein Gericht verurteilte ihn zur Zahlung – was Hirschmüllers eigenen Betrieb an den Rand des Ruins brachte.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) sowie andere Verbände beobachten seit geraumer Zeit eine deutliche Zunahme von Anfechtungsansprüchen. Mit Verweis auf Paragraf 133 Abs. 1 der Insolvenzordnung nutzen viele Insolvenzverwalter die Möglichkeit, alle Geschäfte ihrer Mandanten in den vergangenen zehn Jahren anzufechten, für die ein Ratenzahlungsvertrag geschlossen oder das Zahlungsziel anderweitig verlängert wurde. „Zwei Drittel aller Unternehmen erhalten jedes Jahr eine Aufforderung eines Insolvenzverwalters, in der zu einem früheren Zeitpunkt geleistete Zahlungen eines Vertragspartners zurückgefordert werden“, beobachtet Markus Haase von der Wirtschaftskanzlei Buchalik Brömmekamp in Düsseldorf. Dabei suggeriere das Aufforderungsschreiben durch Bezugnahme auf zahlreiche Urteile, dass der vorliegende Fall eindeutig sei. Letztlich solle der Unternehmer zahlen, um weitere Kosten und einen Rechtsstreit zu vermeiden.

Beachtliche Anfechtungssummen

Dabei geht es häufig um Summen, die manchen Mittelständler in Bedrängnis bringen können. Nach einer Umfrage der deutschen Creditmanager überschreitet die Anfechtungssumme in 40 Prozent der Fälle die 100.000-Euro-Grenze.

Eigentlich wollte der Gesetzgeber mit der Regelung Betrügereien von wirtschaftlich angeschlagenen Unternehmen verhindern. Ihnen sollte keine Möglichkeit gegeben werden, kurz vor der Insolvenz noch vorhandenes Geld aus ihrem Betrieb zu ziehen. Außerdem wollte man dem Verhalten vorbeugen, dass sich trickreiche Gläubiger ihre Forderungen noch vor Eröffnung des Konkursverfahrens in vollem Umfang an den anderen Gläubigern vorbei bezahlen lassen.

Was im ersten Augenblick nach einer vernünftigen Regelung für wenige Einzelfälle klingt, hat Ausmaße angenommen, die für Unternehmer wie Hirschmüller existenzbedrohend sein können. Besonders betroffen sind Branchen, in denen individuelle Zahlungsvereinbarungen zur Abfederung saison- oder marktbedingter Spezifika fester Bestandteil von Vertragsbeziehungen sind. Baustoffhändler beispielsweise sind darauf angewiesen, Bauunternehmen in der kalten Jahreszeit Forderungen längerfristig zu kreditieren. Und Brauereien und Lebensmittellieferanten unterstützen häufig wirtschaftlich angeschlagene Gastronomen durch die Vereinbarung von Ratenzahlungen. Auch für Inkassounternehmen sind Ratenzahlungen und längere Vertragslaufzeiten der Normalfall. Doch damit riskieren sie alle, im Falle einer Anfechtung durch die Rückzahlung bereits erhaltener Beträge selbst in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu geraten.

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