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Creditreform

Volker Ulbricht, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Vereine Creditreform e.V., erläutert im Interview, was Creditreform von seinen Mitbewerbern unterscheidet, warum die Dienste von Auskunfteien auch in Zeiten guter Konjunktur stark gefragt sind – und weshalb das Inkassogeschäft weiter wachsen wird. Interview: Stefan Weber

Herr Ulbricht, die Konjunktur brummt, die Finanzierungsbedingungen sind bestens und auch die Zahlungsmoral hat sich zuletzt deutlich verbessert. Eigentlich ein schlechtes Umfeld für Wirtschaftsauskunfteien, könnte man meinen. Wie ist das Geschäft von Creditreform im vergangenen Jahr gelaufen?

Erfreulicherweise sehr gut! Zumal die Risikosituation keineswegs so entspannt ist, wie es den Anschein hat.

Aber die Zahl der Insolvenzen ist 2016 auf den niedrigsten Stand seit Einführung der Insolvenzordnung 1999 gefallen.

Das stimmt, doch der Blick auf die Zahl der Insolvenzen allein ist nicht hinreichend aussagekräftig. Schauen Sie auf die insolvenzbedingten Schäden! Die waren 2016 deutlich höher als im Jahr zuvor. Konkret: Wir sprechen von der gewaltigen Summe von 27,5 Milliarden Euro. Somit ist die Bedrohungslage für Gläubiger nach wie vor sehr ausgeprägt. Ein gutes Risikomanagement bleibt unverzichtbar. Hinzu kommt, dass bestimmte staatliche Einrichtungen und Dienstleister, die gläubigerunterstützend wirken sollen, ihren Auftrag immer weniger erfüllen.

Zum Beispiel?

Einwohnermeldeämter oder Gerichtsvollzieher funktionieren längst nicht mehr so, wie dies wünschenswert wäre. Somit gibt es zunehmend Bedarf nach privatwirtschaftlicher Unterstützung, etwa bei der Ermittlung von Schuldneranschriften und bei der Forderungsrealisierung.

Das heißt, auch in konjunkturell guten Zeiten geht Auskunfteien die Arbeit nicht aus.

Vorausgesetzt, sie bieten qualitätsvolle, prognosestarke Produkte an. Wir haben 2016 im Auskunftsgeschäft bei vielen Produkten ein zweistelliges Absatzplus verzeichnet – weil wir Leistungen anbieten, die punktgenau die Bedürfnisse unserer Kunden treffen. Etwa, wenn Unternehmen ein Monitoring auf ihre Bestandskunden oder ihre strategisch wichtigen Lieferanten vornehmen möchten oder vermehrt Auslandsinformationen nachfragen. Oder wenn Finanzdienstleister im Zusammenhang mit dem Geldwäschegesetz besondere Informationen über die sogenannten wirtschaftlich Berechtigten benötigen. In all diesen Fällen sind wir die erste Adresse.

Ist das Inkassogeschäft ähnlich stark gewachsen?

Auch hier haben wir zugelegt, zumal immer mehr Finanzbuchhaltungssysteme wie beispielsweise HS und Microsoft Dynamics NAV Schnittstellen zum Creditreform Inkasso-Webservice haben, was eine zeitsparende und unkomplizierte Fallabgabe ermöglicht. Aber der eigentliche Wachstumstreiber im Inkasso ist der E-Commerce. Wenn immer mehr Geschäfte online abgewickelt werden, wird das Bargeld von anderen Zahlarten abgelöst, unter anderem vom Kauf auf Rechnung. Das Angebot der Zahlart „Kauf auf Rechnung“ befördert die Kaufbereitschaft der Kunden und erhöht folglich die Conversion Rate, bedeutet aber für den Händler ein höheres Risiko. Er muss sich mit trennscharfen, validen Informationen zur Bonität der Besteller absichern. In Einzelfällen bleibt es aber nicht aus, dass er auch Inkassodienstleistungen in Anspruch nehmen muss.

© Oliver Tjaden

© Oliver Tjaden

Womit der E-Commerce zu einer Ihrer wichtigsten Zielgruppen avanciert sein dürfte. Welche Angebote macht Creditreform auf diesem Feld?

Wir möchten unsere Mitglieder auf dem Weg in den digitalen Vertriebskanal umfassend begleiten. Und zwar nicht nur zur Flankierung des Kaufs auf Rechnung, sondern auch als Anbieter von Zahlungsdienstleistungen.

Solche Payment-Service-Providing-Dienstleistungen bieten andere auch.

Ja, aber wir sind der einzige Anbieter, der aus dem Bereich der Risikoprüfung und des Inkasso kommt. Deshalb sind wir in besonderer Weise prädestiniert, neben den üblichen digitalen Zahlarten auch den unverändert sehr beliebten Kauf auf Rechnung zu ermöglichen und die ihm immanenten Risiken zu managen. Damit eröffnen wir dem Händler einen optimalen Mix von Zahlarten. Andere Anbieter beschränken sich oftmals darauf, elektronische Zahlungen abzuwickeln.

»Wir bieten Leistungen an, die punktgenau die Bedürfnisse unserer Kunden treffen.«

Dank guter Beschäftigung geht es den meisten privaten Haushalten derzeit besser denn je. Dennoch können immer weniger Menschen ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen. Das wird für den B2C-Handel zu einem immer größeren Problem.

Leider hat sich die Verschuldungssituation der privaten Haushalte von der Entwicklung des Arbeitsmarktes entkoppelt. Schicksalsschlä- ge wie Krankheit, Berufsunfähigkeit oder Scheidung lassen sich nun einmal nicht durch einen aufnahmebereiten Arbeitsmarkt und eine gute Lohnentwicklung kompensieren. Deshalb haben wir inzwischen einen festen Sockel von zehn Prozent der erwachsenen Bevölkerung, die wir als überschuldet definieren. Das sind 6,8 Millionen Menschen. Leider gibt es keinen Hinweis auf eine Verbesserung. Im Gegenteil, wenn der Rückenwind von der Konjunktur und vom Arbeitsmarkt nachlässt, wird sich die Situation noch verschärfen.

Das heißt, vor allem B2C-Händler müssen bei der Auswahl ihrer Kunden noch wachsamer sein?

Die Risikosensibilität im E-Commerce ist bereits ausgesprochen hoch, zumal vermehrt auch Bestellungen mit betrügerischer Absicht erfolgen. Das schlägt sich in einer stark steigenden Nachfrage nach Konsumenteninformationen nieder. Aber nicht jeder Händler hat ein gutes Risikomanagement und wer gar glaubt, auf Bonitätsprüfungen verzichten zu können, wird früher oder später sehr schlechte Erfahrungen machen.

Als Beobachter gewinnt man den Eindruck, dass sich die ohnehin seit jeher marktführende Stellung von Creditreform immer weiter festigt. Was ist das Erfolgsrezept?

Wir arbeiten grundlegend anders als unsere Mitbewerber, weil wir bewusst stark dezentral aufgestellt sind. Wir sind vor Ort, und zwar nicht aus Tradition, sondern im Wissen um die Vorteile der Ortsnähe. Im Inkasso beispielsweise haben wir fast flächendeckend einen Besuchsdienst, der beim Schuldner Zahlungen in bar entgegennimmt. Der Trend in der Branche ist ein anderer: Mitbewerber ziehen sich aus der Fläche zurück und zentralisieren ihre Leistungserstellung. Das ist zwar kosteneffizient, vergrößert aber die Distanz zum Markt und zum Schuldner. Obendrein torpediert das den Aufbau von vertrauensvollen Informationsbeziehungen und nötigt zu zweifelhaften Ferndiagnosen. Wir tun das Gegenteil und verzichten lieber auf ein paar Renditepunkte als auf Qualität.

Dank verbesserter Bilanzpublizität ist der Bundesanzeiger inzwischen zu einer Fundgrube für Unternehmensdaten geworden. Da könnte mancher auf die Idee kommen: Die Angaben dort reichen mir für eine Bonitätsbeurteilung.

Das wäre fahrlässig. Denn insbesondere kleine und mittelgroße Unternehmen müssen lediglich stark verkürzte Bilanzen hinterlegen und auch keine Gewinn- und Verlustrechnung. Das ist viel zu wenig für ein fundiertes Urteil über die Bilanzbonität des Unternehmens. Wir dagegen nutzen unsere Präsenz vor Ort und bitten die Unternehmen, uns in Ergänzung zu den veröffentlichten Daten, die wir natürlich ohnehin erfassen, den vollständigen Jahresabschluss zur Verfügung zu stellen – also weit mehr, als das Gesetz von den publizierenden Unternehmen verlangt. Das gelingt uns erfreulicherweise in sehr vielen Fällen und verbessert die Qualität der Bilanzanalyse erheblich, was allen Beteiligten zugute kommt. Eine echte Win-Win-Situation, die freilich voraussetzt, dass man sich kennt und vertraut.

»Wir sind bewusst stark dezentral aufgestellt: Wir sind vor Ort – nicht aus Tradition, sondern im Wissen um die Vorteile der Ortsnähe.«

Böswillige könnten sagen, dass nur derjenige zusätzliche Informationen zur Verfügung stellt, der gute Zahlen hat. Wer dagegen in Schwierigkeiten steckt, wird sich bedeckt halten.

Ein Unternehmer, der richtig beraten ist, wird genau das Gegenteil tun. Denn je schwieriger die Situation eines Unternehmens ist, umso wichtiger ist es, offen und transparent zu kommunizieren. Wer in einer kritischen Phase Dinge vernebelt oder sich verschließt, tut sich keinen Gefallen. Offenheit ist immer von Vorteil. Und offen zu sein, ist leichter gegenüber einem Partner wie Creditreform, der in der Lage ist, Informationen qualifiziert und sachkundig zu bewerten und die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Die Affäre um die Panama Papers, also Steuervergehen über Briefkastenfirmen, hat 2016 für viel Aufregung gesorgt. Als Reaktion darauf will die Bundesregierung ein sogenanntes Transparenzregister schaffen, bei dem Unternehmen ihren wirtschaftlich Berechtigten, also den ultimativen Eigentü- mer, benennen sollen. Was halten Sie davon?

Im Grundsatz ist das zu begrüßen. Aber die Effekte werden viel kleiner sein, als Finanzminister Wolfgang Schäuble sich das vorstellt. In den allermeisten Fällen herrscht bei Unternehmen hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse vollständige Transparenz – wozu wir im Übrigen Tag für Tag beitragen. Wo wir bei der Recherche an Grenzen stoßen, weil Eigentumsverhältnisse durch Treuhandgestaltungen oder Auslandskonstruktionen bewusst und gewollt verschleiert werden, wird auch das Transparenzregister scheitern. Aber nach den Panama Papers war der Druck, politisch aktiv zu werden, nachvollziehbarerweise groß.

© Oliver Tjaden

© Oliver Tjaden

Noch immer sind viele Unternehmer beunruhigt beim Thema Insolvenzanfechtung. Sie fürchten, dass nach der Insolvenz von Kunden deren Insolvenzverwalter Zahlungen zurückfordern, die Jahre zuvor erfolgt sind, und damit ihre Firma möglicherweise in finanzielle Bedrängnis bringen. Dabei hatte der Gesetzgeber bereits Ende 2015 in Aussicht gestellt, Schwachstellen dieses Gesetzes zu beseitigen. Warum passiert an dieser Stelle nichts?

Das ist in der Tat sehr ärgerlich. In der Wirtschaft herrscht großes Unverständnis, dass der Gesetzgeber bei diesem Thema so zögerlich ist. Dabei hat das Bundesjustizministerium auch aufgrund unserer wiederholten und nachdrücklichen Hinweise inzwischen verstanden, welche Missstände in der Praxis entstanden sind. Offensichtlich hat der Schutz der Gläubiger für das Justizministerium aber keine hohe Priorität. Andere Interessen, etwa die der Insolvenzverwalter und des Fiskus, werden dagegen für meine Begriffe zu hoch bewertet und verstellen den Blick auf die Dringlichkeit einer Gesetzesreparatur.

Wird es 2017 weitere neue Leistungen für Creditreform-Mitglieder geben?

Wir wollen in eine intensive digitale Interaktion mit unseren Mitgliedern treten und planen für die Jahresmitte den Launch unserer neuen Plattform CrefoPortal. Dieses Portal wird beispielsweise unseren Mitgliedern helfen, ihre eigenen Debitoren besser zu analysieren und die Inanspruchnahme unserer Dienstleistungen transparent nachzuvollziehen. Ganz allgemein formuliert: Es werden der bidirektionale Informationsaustausch zwischen dem Mitglied und uns vereinfacht und das Risikomanagement des Mitglieds unterstützt. Da erwarten uns noch viele spannende neue Features!

Geht es Ihnen möglicherweise auch um eine Vernetzung der Mitglieder untereinander?

Der Community-Gedanke ist unserer DNA eingeschrieben. Denken Sie nur an unser Debitorenregister Deutschland, das mit Hunderten von Millionen Zahlungserfahrungen unserer Mitglieder gespeist wird. Das ist eine Leistung der in dieses Programm einliefernden Mitglieder für andere Mitglieder; wir stellen hier nur die technische Infrastruktur zur Verfügung und sorgen für die Qualitätssicherung. CrefoPortal wird perspektivisch ganz in diesem Sinne viel zur weiteren Belebung des Informationsaustausches im Verhältnis Mitglied zu Mitglied beitragen. Gläubiger unterstützen Gläubiger – ein alter Gedanke, der sich mit moderner Plattformtechnik besser denn je realisieren lassen wird!