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Creditreform

Der strenge Datenschutz macht es der Creditreform-Landesgesellschaft in Österreich schwerer als in Deutschland, aussagekräftige Daten zu recherchieren. Aber die Österreicher haben gelernt, damit umzugehen, und punkten zudem mit anderen – zum Teil einzigartigen – Dienstleistungen.

Sportjournalisten waren die Ersten. Irgendwann wollten sie ihren Onlinelesern nicht mehr nur melden, wann auf welchem Fußballplatz ein Tor gefallen ist. Sondern sie wollten ihre Kundschaft am Rechner oder Handy permanent teilhaben lassen am Geschehen im Stadion. So erfanden sie den Liveticker und schicken seitdem häufig im Minutentakt Meldungen mit Wichtigem und Unterhaltsamem auf die Reise. Das Schöne für die Leser: Sie haben das Gefühl, dabei zu sein. Die Gewissheit, nichts zu verpassen. Inzwischen gibt es Liveticker auch abseits des Sports. Bei politischen oder gesellschaftlichen Großereignissen beispielsweise. Und bei Creditreform Österreich.

Wer den Internetauftritt der Landesgesellschaft aufruft, dem blinkt gleich ein Laufband mit Nachrichten entgegen: der Insolvenz-Liveticker. „Sobald wir Kenntnis von einer Insolvenz haben, wird diese Nachricht umgehend auf unserer Website veröffentlicht. Die Leser sind somit stets aktuell informiert. Wer mehr wissen will, kann die Hotline anrufen“, erläutert Rainer Kubicki, Geschäftsführer von Creditreform Österreich. Bis heute ist dieser Insolvenz-Liveticker eine Besonderheit bei Europas größter Wirtschaftsauskunftei. Die Mitbewerber haben die Idee inzwischen kopiert. So prägnant wie das Original, mit Laufband und roten Buchstaben, sind die Nachahmungen allerdings nicht.

Das Geschäft von Creditreform in Österreich ist in manchem anders als in Deutschland. So ist die 1889 gegründete Landesgesellschaft vorwiegend im Firmenkundengeschäft tätig. Kubicki, der seit 1982 Creditreform-Geschäftsführer in Österreich ist, in Köln und Wuppertal Wirtschaftswissenschaften studierte und bei Creditreform in Düsseldorf, Neuss und Graz eine Ausbildung zum Geschäftsführer absolvierte, bedauert das. „Aber aufgrund der besonderen Datenschutzsituation ist es derzeit für uns nicht sinnvoll, B2C-Geschäft zu betreiben“, sagt er. So sind in Österreich Informationen über „Exekutionsverfahren“, womit in Deutschland Zwangsvollstreckungsverfahren gemeint sind, streng datengeschützt.

Alternative Recherchewege nutzen

Auch ist es in Österreich – ebenfalls anders als in Deutschland – datenschutzrechtlich nicht möglich, auf der Basis anonymisierter Zahlungserfahrungen führender Unternehmen verschiedener Branchen ein Debitorenregister aufzubauen. Zahlungserfahrungen jedoch sind für eine umfassende Bonitätsbewertung unverzichtbar. Die Konsequenz für Kubicki und seine Kollegen heißt: Sie müssen auf andere Weise relevante Informationen recherchieren, als das in Deutschland möglich und daher üblich ist. „Bei uns ist mehr Handarbeit notwendig“, sagt der Creditreform- Geschäftsführer dazu. Das ist aufwendig und bedeutet natürlich hohen personellen Einsatz, um genauso belastbare Daten wie ein Debitorenregister offerieren zu können. „Aufgrund des rechtlichen Umfelds ist es nicht immer leicht, die notwendigen Informationen bereitzustellen“, analysiert Kubicki. In der mittelständisch geprägten österreichischen Unternehmenslandschaft gebe es aber nach wie vor sehr viel Wachstumspotenzial für eine Wirtschaftsauskunftei wie Creditreform. „In vielen Firmen ist das Risikomanagement noch nicht ausreichend. Nicht wenige sind im risikopolitischen Blindflug unterwegs“, beobachtet Kubicki.

Angespannte Wirtschaftslage

Das kann in der aktuell angespannten konjunkturellen Situation in Österreich rasch zu Problemen führen. Im vergangenen Jahr hat sich die Wirtschaft im Alpenland schlechter als der EU-Durchschnitt entwickelt. Und auch für 2015 und 2016 erwarten Experten allenfalls ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von ein Prozent. Die Creditreform Mittelstandsanalyse vom Herbst 2014 hat gezeigt, dass die Unternehmen durchweg pessimistisch in die Zukunft blicken. Sowohl die Umsatz- und Ertragserwartungen als auch die Investitionsbereitschaft der etwa 1.700 befragten Firmen war so schlecht wie zuletzt im Krisenjahr 2008.

„Wir machen Markt – insbesondere bei mittleren und kleineren Unternehmen.“ Rainer Kubicki, Geschäftsführer von Creditreform Österreich

Ungeachtet der datenschutzrechtlichen Hürden verzeichnet Creditreform Österreich in allen Dienstleistungsbereichen ein stabiles Wachstum. „Wir machen Markt – insbesondere bei mittleren und kleineren Unternehmen, die die Dienste von Auskunfteien und Inkassobüros noch nicht so häufig nutzen“, betont der österreichische Geschäftsführer. Das am häufigsten gefragte Produkt ist die Wirtschaftsauskunft mit Informationen insbesondere über Bonität, Zahlungsweise, Rechtsform, Gesellschafter, Tätigkeit, Umsätze sowie Finanzkennziffern. Kubicki zufolge interessieren sich Unternehmen jedoch immer stärker auch für „kleinere Produkte“ zur Abdeckung von Risiken. „Die fortlaufende und ständige Überwachung via Monitoring von Bestandskunden und Lieferanten greift Stück für Stück und wächst somit zunehmend“, sagt er. Auch im Bereich Marketing Services rücke Creditreform mit der Onlinedatenbank Aurelia von Jahr zu Jahr nach vorne und unterstütze immer häufiger den Vertrieb, aber auch die Marketingabteilungen und das Produktmanagement mit Daten – sei es für die direkte Kundengewinnung, für Kampagnen oder die Marktforschung im Rahmen von Produktentwicklungen. Zum täglichen Brot gehören auch Inkassodienstleistungen. Hier sorgen freilich die vergleichsweise niedrigen Eintrittsbarrieren für einen starken Wettbewerb. Kubicki zufolge rangeln in Österreich mehr als 100 Inkassounternehmen um Aufträge.

Eine extrem seltene Auszeichnung erfuhr der Österreichische Verband Creditreform (ÖVC), der Zusammenschluss aller österreichischen Vereine Creditreform, im Jahr 2006: erstmals wieder, nach mehr als 80 Jahren, mehr als einjähriger Prüfung und nach Durchführung eines österreichweiten Stellungnahmeverfahrens bei über 100 Stakeholdern wie Ministerien, Ämtern, Behörden und Interessenvertretungen, verlieh der Bundesminister für Justiz dem ÖVC die Stellung als „bevorrechteter Gläubigerschutzverband“. Seither ist die Organisation – gemeinsam mit nur noch zwei anderen privaten Unternehmen – gleichsam hoheitlich zur Unterstützung der österreichischen Insolvenzgerichtsbarkeit tätig. Diese Rechtsposition ist weltweit einzigartig und ermöglicht die Vertretung von Gläubigern in Insolvenzverfahren. „Davon profitieren auch deutsche und andere internationale Betroffene, da sie ihre Interessen in der gewohnten Creditreform-Servicelandschaft in Anspruch nehmen können“, betont Kubicki.