Für Schweizer Exportunternehmen ist die jüngste, drastische Franken-Aufwertung ein Supergau. Am härtesten betroffen sind Firmen, die einen Großteil ihrer Waren in der Schweiz herstellen, aber im Ausland absetzen. Wegen des starken Franken sinkt ihr Export, sie verlieren an Wettbewerbsfähigkeit.
Die Befürchtung, dass Schweizer Unternehmen zukünftig Gewinnrückgänge zu verzeichnen haben, resultierte in hohen Kursverlusten der Aktien exportabhängiger Unternehmen wie Swatch, Richemont und ABB. Weniger betroffen vom steigenden Franken sind multinationale Unternehmen mit einem geringen Kostenblock in der Schweiz, der z. B. bei den Pharmaunternehmen Novartis, Roche oder Syngenta 12 % bis 15 % der Gesamtaufwendungen beträgt.
Natürlich lässt sich noch nicht beurteilen, wie sich der starke Franken auf die Bilanzen der Unternehmen auswirken wird und welche „Löcher“ in die Finanzplanung von Unternehmen gerissen werden. Bei den Schweiz-lastigen Firmen wird es jedoch zu Rationalisierungsmaßnahmen und Produktionsverlagerungen ins Ausland kommen. Der Produktionsstandort Schweiz wird infrage gestellt.
Dies zeigt sich in der verstärkten Kontaktaufnahme von Schweizer Unternehmen, die deutsche M&A-Berater seit der SNB-Veröffentlichung verzeichnen. Gefragt ist der Kauf deutscher Produktionsunternehmen, damit Kosteneinsparungspotenziale genutzt werden können. Dabei geht es nicht nur um Kostensenkungen in der Produktion. Primäres Ziel ist es, sicherzustellen, dass die bestehenden Verbindungen in ausländische Märkten weiterhin bedient werden können. Unter Berücksichtigung des völlig unerwarteten Aufwertungseffektes des Franken wird das bei einem Produktionsstandort in der Schweiz nur schwer möglich sein.
Natürlich gibt es auch noch andere Motive für den Erwerb deutscher Unternehmen. Dazu zählen die Übernahme bestehender Absatzorganisationen und Kundenstämme, die Erweiterung oder Ergänzung des eigenen Produktspektrums sowie den Erwerb von Know-how und die Übernahme von Fachpersonal.
Über die Verlagerung von Produkten auf ein erworbenes Unternehmen soll erreicht werden, dass der Wettbewerbsnachteil durch die Franken-Aufwertung zur Beendigung von Geschäftsbeziehungen führt. Dass damit auch der Erwerb neuer Technologien oder Patente verbunden sein kann, wird von interessierten Schweizer Unternehmen als weiteres positives Kriterium gewertet.
Wie sich bereits in der Praxis zeigt reagieren einige mittelständische Unternehmen sehr schnell. So wurden mit einem Schweizer Familienunternehmen seit einigen Wochen Kaufverhandlungen bezüglich der Übernahme eines mittelständischen deutschen Unternehmens geführt. Das letzte Kaufangebot des Schweizer Unternehmens lag bei 11,2 Mio. EUR. Das Verkaufspreis-Ziel des deutschen Verkäufers wurde damit verfehlt. Deshalb streckten sich die Verhandlungen – mit der erkennbaren Tendenz zum Verhandlungsabbruch. Noch am Wochenende ging beim Berater des deutschen Unternehmens die Nachricht ein, dass das Kaufangebot auf 13 Mio. EUR erhöht wird. Das war die bekannte untere Grenze des Verkaufspreises aus Verkäufer-Sicht. Die Voraussetzungen für zeitnahe abschließende Verhandlungen sind geschaffen. Noch im Januar 2015 sollte die Transaktion erfolgreich abgeschlossen werden.
Im deutschen M&A-Markt sind aktuell mehr Käufer als Verkäufer zu beobachten. Deshalb können verkaufsbereite Unternehmer „wählerisch“ sein und Eigenschaften definieren, die ein geeigneter Unternehmenskäufer erfüllen soll. Dazu zählt natürlich die Fähigkeit, den angestrebten Kaufpreis zu zahlen. Schweizer Unternehmen haben nach der SNB-Entscheidung leichter die Möglichkeit, attraktive Kaufpreise zu bieten – letztlich ist durch die Währungsentscheidung der Wert des Franken um rund 15 % gestiegen. Für viele verkaufsbereite Unternehmer ist es aber auch wichtig, dass die eigene Geschäftsaktivität weiterentwickelt wird; hierfür sind spezifische Stärken potenzieller Unternehmenskäufer gewünscht – das bedeutet Märkte, Management, Wachstumschancen, eine komplementäre Vertriebsorganisation, komplementäre Produkte etc. Auch die Herkunftsländer potenzieller Erwerber sind häufig ein Kriterium bei der Käuferwahl. Schweizer Unternehmen sind bevorzugte Adressen, an welche gern Unternehmen veräußert werden.
Zu den Verlierern der SNB-Entscheidung zählt nicht nur das Schweizer Gastgewerbe. Die Aufwertung des Franken zum Euro und zum Dollar schmerzt Schweizer Unternehmen besonders, wenn diese einen hohen Kostenblock in der Schweiz haben – den Großteil der Erlöse jedoch im Ausland erzielen. Für diese Unternehmen wird es sehr eng werden, wenn die Parität Franken/Euro bei etwa 1:1 bleibt. Der Druck, mehr Wertschöpfung aus der Schweiz zu verlagern, nimmt zu. Produktionsverlagerungen, z. B. auf deutsche Unternehmen, ist nicht nur für Schweizer Großunternehmen von Interesse. Die rege Nachfrage macht deutlich, dass sich damit auch viele mittelständische Unternehmen beschäftigen.
Karl A. Niggemann ist Geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Wirtschaftsberatung ( IfW ); Prof. Dr. Diethard B. Simmert ist Studiengangsleiter Corporate Finance an der International School of Management ( ISM ).