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Creditreform

Es war eine äußerst langwierige Angelegenheit, die vor zwei Jahren sowohl dem Unternehmer Bernhard M. als auch bei seiner Hausbank ein hohes Maß an Zugeständnissen abforderte: Anlass war ein Überziehungskredit des Mittelständlers, der sich von ursprünglich 30.000 Euro im Laufe der Zeit auf 90.000 Euro erhöht hatte. Wie häufig bei derartigen Entwicklungen war diese – auf den ersten Blick kaum nachvollziehbare – Kreditausweitung peu à peu in mehreren Schritten erfolgt: Waren es zunächst „vorübergehende Liquiditätsprobleme“, wie M. dem damals für ihn zuständigen Bankmitarbeiter erklärt hatte, so wurden bis irgendwann sogar betriebliche Investitionen mit Hilfe jenes besagten Überziehungskredites zwischenfinanziert. Wäre es nicht zu einem Beraterwechsel in der Bank gekommen, hätte sich dieser Kreditbetrag vermutlich noch weiter erhöht. Da der Beraterwechsel offenbar aber auch zu einer sorgfältigen Prüfung des gesamten Kreditengagements geführt hatte, kam es kurz darauf zu diversen unerfreulichen Gesprächen zwischen dem neuen Kundenberater, dessen Vorgesetzten sowie M. und dessen Steuerberater auf der anderen Seite.

Mitverantwortung der Bank?

Im Ergebnis mussten die Bankvertreter zwar einräumen, dass sie durchaus eine Mitverantwortung an dieser Kreditausweitung trugen – immerhin hatten sie den Kontoüberziehungen Mal für Mal zugestimmt. Andererseits ließen sie aber keinen Zweifel daran, dass sie einer Umschuldung des Überziehungskredites in ein weitaus zinsgünstigeres Darlehen nur unter einer wichtigen Bedingung zustimmen könnten: M. müsse in den kommenden fünf Jahren Sondertilgungen von jährlich 15.000 Euro leisten. Dieser Punkt wurde vertraglich festgelegt. Mit diesem Ergebnis war M. zunächst zufrieden. Immerhin konnte er unangenehme Kreditkürzungen ebenso wie die im Raum stehende Kreditkündigung erst einmal vermeiden. Die sicherlich ambitionierten Sondertilgungen sah er als „machbar“ an, da sowohl Umsatz- als auch Ertragsentwicklung des Betriebes zumindest zum damaligen Zeitpunkt diese Sondertilgungen durchaus zuließen. Auch die diesbezügliche Zurückhaltung seines Steuerberaters, der die Liquiditätsentwicklung der kommenden Jahre keineswegs so optimistisch einschätzte wie sein Mandant, beeindruckte M. offenbar nicht. Ebenso wenig sah er sich, wie er heute kleinlaut einräumen muss, die Formulierungen in seinem neuen Kreditvertrag an, in dem die mit seiner Bank getroffene Vereinbarung wie erwähnt bestätigt wurde. Die außerordentliche jährliche Tilgungsrate von 15.000 Euro sollte danach in vierteljährlichen Raten von 3.750 Euro auf ein Sonderkonto verbucht und zum jeweiligen Jahresende dem nun neu eingerichteten Darlehenskonto von M. gutgeschrieben werden.

Ging die Rechnung von M. im ersten Jahr noch auf, so gibt es nun im Jahresverlauf des zweiten Tilgungsjahres erneut finanzielle Schwierigkeiten. M. ist wegen zurückgehender Umsätze, vor allem verursacht durch die Kaufzurückhaltung mehrerer wichtiger Kunden, nicht in der Lage, die vereinbarten Sondertilgungen zu leisten. Obwohl sich diese Entwicklung schon vor Monaten ankündigte, hoffte M. offensichtlich auf wieder bessere Zeiten, da er ein frühzeitiges Gespräch mit seiner Bank zu diesem Zeitpunkt nicht führte. Umso unangenehmer wurde die Situation, als die Bank selbst aktiv wurde und um eine Unterredung bat. Darin wurde, wie übrigens fast immer in vergleichbaren Fällen, schnell der Vorwurf laut, M. habe „aus der Vergangenheit offenbar nichts gelernt“. Die Bank drohte mehr oder weniger deutlich mit einer möglichen Kündigung aller Kreditverträge, was mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit sogar die Existenz seines gesamten Betriebes in Frage gestellt hätte. Diese durchaus realistische Konsequenz – einschließlich des damit verbundenen Verlustes von Arbeitsplätzen – führte schließlich doch noch zu einem Vergleich zwischen den Vertrags- und Geschäftspartnern: Während M. eine Bürgschaft in Höhe seiner Gesamtverbindlichkeiten einschließlich eines erhöhten Zinssatzes um drei Prozent akzeptierte, stimmte die Bank einer Aussetzung der Sondertilgungen für zwei Jahre zu.

Unklar bleibt für M. ebenso wie für seinen Steuerberater jedoch die Rolle der Bank, die als Hausbank pünktlich und zuverlässig über die jeweils aktuelle Lage des Betriebes in Kenntnis gesetzt wurde und wird. Die betriebswirtschaftlichen Auswertungen verdeutlichten schon seit geraumer Zeit, dass es absehbare Liquiditätsprobleme geben wird. Dies dürfte der Bank also nicht verborgen geblieben sein. Ob sie diese Entwicklung als nicht relevant einstufte oder ebenso wie M. auf das Prinzip Hoffnung setzte, wurde bisher nicht thematisiert. Wahr ist aber eben auch, dass M. trotz wiederholter Warnungen seines Steuerberaters ebenfalls nicht tätig wurde. Wie auch immer, das Ergebnis liegt nun auf dem Tisch: Ob es M. lediglich einen Zeitgewinn oder doch eine nachhaltige Konsolidierung seiner Finanzen bringt, muss sich jedoch erst noch zeigen.

Michael Vetter

– Dieser Praxisfall und ähnlich gelagerte Probleme zeigen, wie wichtig bei erkennbaren betriebswirtschaftlichen Problemen ein frühzeitiges Gespräch mit dem jeweiligen Kreditgeber istw. Zu diesem Zeitpunkt sind nämlich meist noch konstruktive Lösungen möglich.

– Verpflichtet sich der Betriebsverantwortliche wie beschrieben etwa zu Sondertilgungen, sollte auch über eine beidseitige und regelmäßige Prüfung und möglicherweise Anpassung einer solchen Vereinbarung nachgedacht und diese gegebenenfalls auch formuliert werden. In wirtschaftlich unsicheren Zeiten kann diese Vorgehensweise enorm wichtig sein.

– Ratsam ist ebenfalls, auch die Bank zu bitten, rechtzeitig zu intervenieren, wenn aus ihrer Sicht Probleme auch nur im Ansatz erkennbar werden. Das früher oft praktizierte Zögern auf beiden Seiten sollte längst der Vergangenheit angehören.