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Creditreform

Die deutsche Crowdfunding-Szene ist zufrieden mit den Ausnahmen für das neue Kleinanlegerschutzgesetz. Doch einen Durchbruch für die Schwarmfinanzierung von Startups sieht der Branchenverband nicht. Scharfe Kritik kommt von Verbraucherschützern.

Die Bundesregierung zieht Konsequenzen aus Skandalen wie der Milliardenpleite des Windkraftanbieters Prokon, bei dem zahlreiche Kleinanleger ihr Erspartes verloren haben. Mit dem im Bundestag verabschiedeten Kleinanlegerschutzgesetz sollen Investoren besser vor hochriskanten Geldanlageangebote geschützt werden.

Speziell für Crowdfunding-Projekte hat die große Koalition auf massiven Druck der Startup-Szene die Regeln jedoch gelockert – zur Freude des German Crowdfunding Networks: „Im Großen und Ganzen sind wir zufrieden mit dem Gesetz, da es die Crowdfunding-Branche ingesamt stärkt“, sagt Vorstand Karsten Wenzlaff.

Auch der Bundesverband Deutsche Startups hat nur Lob übrig: „In seiner ursprünglichen Fassung drohte das Kleinanlegerschutzgesetz, die Finanzierungsquelle Crowdfunding wieder auszutrocknen. Wir begrüßen den jetzt gefundenen Kompromiss, weil er einen funktionierenden Rahmen für Crowdinvesting schafft“, sagt Florian Nöll, Präsident des Bundesverbands Deutsche Startups.

Das Gesetz sieht unter anderem folgende Punkte für den Bereich Crowdfunding vor:

  • Es gibt eine Vermögensanlageprospektpflicht, wenn mehr als 2,5 Millionen Euro eingesammelt werden sollen.
  • Werbung im Internet und sozialen Medien ist nach wie vor erlaubt.
  • Das Vermögensanlageinformationsblatt (VIB) muss nicht mehr ausgedruckt werden, sondern kann elektronisch durch Eingabe eines Bestätigungssatzes unterzeichnet werden.

An der Prospektpflicht ab 2,5 Millionen Euro würde das Crowdfunding Network am liebsten nochmal nachbessern: „Es ist natürlich besser als die zuerst geplante Grenze von einer Million. Doch in Österreich und den Niederlanden denkt man gerade über eine Grenze von fünf Millionen Euro nach“, sagt Karsten Wenzlaff. Daran sollte sich Deutschland orientieren. Der Grund: Die Kosten von bis zu 50.000 Euro für die Prospekte seien für viele Startups einfach zu hoch.

Unterstützung bekommt das Crowdfunding Network aus der Wissenschaft: „Die Fünf-Millionen-Euro-Grenze bei der Prospektpflicht wäre aus Gründen der Einheitlichkeit mit anderen europäischen Ländern besser“, sagt Ralf Beck, Wirtschaftsprofessor an der FH Dortmund.

Verbraucherzentrale kritisiert Ausnahmen für Prospektpflicht

Scharfe Kritik an den Beschlüssen und der Argumentation des Verbands kommt dagegen von Verbraucherschützern: „Für Kleinanleger ist es sehr schwierig solche Crowdfunding-Projekte zu durchschauen oder sie richtig einzuschätzen. Daher braucht es diese Prospekte, damit die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht wirtschaftlich schlechte Projekte vorher vom Markt nehmen kann“, sagt Dorothea Mohn, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale.

Dass Prospekte für Startups nicht zu finanzieren seien, weist sie zurück: „Die Crowdfunding-Branche sagt immer, dass diese Prospekte 50.000 Euro kosten. Doch erstens gibt es auch Prospekte für 20.000 Euro und zweitens ist diese Summe locker aufzubringen, wenn anschließend Millionenbeträge eingesammelt werden sollen“, sagt Mohn.

Finanzierungsinstrumente werden uneinheitlich behandelt

Weiterer Streitpunkt: Die verschiedenen Finanzierungsinstrumente werden künftig unterschiedlich behandelt. Während für partiarische und Nachrangdarlehen die Ausnahmen gelten, sind Genussrechte – im Fall von Prokon hatten 74.000 Anleger rund 1,4 Milliarden Euro in Form von Genussrechtskapital zur Verfügung gestellt – und stille Beteiligungen jedoch ausgenommen.

Dass die Ausnahmen bei der Schwarmfinanzierung nicht für alle Instrumente gelten, stößt beim German Crowdfunding Network auf wenig Gegenliebe: „Hier verzerrt der Gesetzgeber den Crowdfunding-Markt. Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag einen einheitlichen Regulierungsrahmen angestrebt, der damit noch nicht erreicht ist“, sagt Wenzlaff.

Ebenfalls kritisch sieht der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) den uneinheitlichen Umgang mit den Finanzierungsinstrumenten: „Dass Schwarminvestitionen weiter auf partiarische und Nachrangdarlehen beschränkt bleiben, ist aus unserer Sicht weder für Verbraucher noch für Unternehmen ideal“, sagt Tim Gemkow, Finanzierungsexperte des DIHK.

Bei der Verbraucherzentrale begrüßt man dagegen, dass für einige Finanzinstrumente die Grenze zur Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts bei 100.000 Euro liegt. Für Dorothea Mohn steht jedoch fest, dass beim Crowdfundigung das Geld künftig größtenteils über Nachrangdarlehen eingesammelt wird. „Das wird ganz sicher das Mittel der Wahl werden. Ich sehe auch schon die nächsten Skandale kommen“, sagt die Verbraucherschützerin.

Bevor die neuen Regeln jedoch greifen, hat der Bundesrat im Juni das letzte Wort. Bis Ende 2016 soll die Wirkung der neuen Vorschriften überprüft werden.