Die Mehrheit der deutschen Mittelständler ist gewillt, den Schritt in die Digitalisierung zu gehen. Doch oft fehlt ihnen dafür das nötige Geld. Eine Übersicht über die Probleme und die Chancen – sowie Tipps für interessante Finanzierungsvarianten jenseits des Bankkredits.
Lars Hermann hat in den vergangenen Monaten alle Bierfässer seiner Brauerei mit sogenannten RFID-Chips ausgestattet. Egal, ob ein Behälter das Lager verlässt oder zurückgegeben wird, sobald er das Tor der Halle passiert, wird er automatisch registriert. In seinem Warenwirtschaftssystem hat der fränkische Unternehmer nun also stets einen Überblick, wie viele Fässer er noch im Lager hat, ob diese voll sind und bei welchen Kunden die Rückgabe noch aussteht. Letzteres ist ein großes Problem für den kleinen Familienbetrieb: Allein im letzten Jahr verursachten nicht zurückgegebene oder verschollene Fässer einen Schaden von rund 40.000 Euro.
Das Beispiel zeigt, wie sehr sich Investitionen in digitale Technologien auszahlen. Und an Ideen zur Digitalisierung mangelt es dem deutschen Mittelstand sicherlich nicht. Doch egal, ob in einen neuen Webshop, in elektronische Rechnungsläufe oder in ein neues Produkt investiert werden soll, häufig fehlt es am Geld. In einer Unternehmensbefragung stellt zum Beispiel die KfW fest: Mehr als 15 Prozent der befragten kleinen und mittelgroßen Unternehmer hatten Probleme, einen Kredit zu bekommen, wenn sie diesen für ein Digitalisierungsprojekt verwenden wollen. Zum Vergleich: Sollen Maschinen oder Fahrzeuge finanziert werden, klagen nur knapp sieben Prozent der Firmenchefs über mangelnde Unterstützung der Banken.
Schwierige Ausgangslage
Warum sich die Banken zurückhalten, liegt auf der Hand: „Bei Digitalisierungsprojekten ist das Risiko besonders hoch“, sagt Volker Zimmermann von der KfW. Schließlich fließt nur knapp die Hälfte der Investitionssumme in materielle Anschaffungen – der überwiegende Teil wird ausgegeben, um das Know-how der Firma zu stärken. Die Folgen: Die ausgehandelten Zinskonditionen beinhalten einen Unsicherheitsaufschlag oder der Kreditantrag wird lieber gleich abgelehnt.
Mit dieser Einstellung finden sich die Institute in einem Dilemma wieder. Denn andererseits gilt: „Wir begrüßen sogar Investitionen in Digitalisierungsprojekte –das zeigt, dass ein Unternehmen in die Zukunft denkt“, sagt beispielsweise Christoph Goeke, Abteilungsleiter für Großkunden bei der DZ-Bank. Sein Tipp an Firmenchefs, um die Chancen auf eine Zusage zu erhöhen: „Je mehr Infos wir vom Unternehmen bekommen, je besser wir abgeholt werden, desto einfach ist es für uns.“ In mangelnder Transparenz sieht auch Martin Keller, Leitung Product Management des Firmenkundengeschäfts bei der Commerzbank, das Hauptproblem: „Wenn sich Kreditverhandlungen als schwierig erweisen, liegt es oft daran, dass uns Informationen zur Entwicklung des Unternehmens und dessen Markt fehlen.“
» Bei Digitalisierungsprojekten ist das Risiko besonders hoch. «
Volker Zimmermann, KfW
Um das zu vermeiden, gehörten eine fundierte Ertrags- und Liquiditätsplanung sowie eine Zukunftsplanung inklusive aller Maßnahmen und Auswirkungen, die durch die Neuerung auf das Geschäftsmodell entstehen, ganz oben auf die To-do-Liste der Unternehmer. Je konkreter, desto besser: Mit welchem Umsatzplus rechnet der Betrieb, wenn alle Außendienstler nun auch von unterwegs aus auf sämtliche Produkt- und Preisdaten zugreifen können und Kunden spontan verbesserte Angebote vorgelegt werden können? Wie sehr wird der Recruiting-Prozess durch die neue Firmen-Homepage beschleunigt – und welche Kosten lassen sich so in der Personalabteilung einsparen?
Auch Georg Gerdes, Unternehmensberater bei der Wirtschaftskanzlei Gerdes, sieht durchaus handfeste Vorbehalte aufseiten der Banken: „Für die Banken sind weiche Assets wie etwa eine Software zu risikoreich, das können sie sich nicht leisten.“ Als Plan B empfiehlt er, materielle Investitionsgüter wie Immobilien und Maschinen über Kredite zu finanzieren und für die Digitalisierungsvorhaben jährlich etwas aus dem Cashflow zu sparen.
Fünf interessante Alternativen:
Der Bankkredit ist zumeist die erste Option, die Unternehmen in puncto Finanzierung anpeilen. Doch es gibt noch weitere Möglichkeiten, um an Geld zu kommen.
Bürgschaftsbanken vergeben von Bund und Ländern rückversicherte Bürgschaften. Sie gelten als vollwertige Sicherheiten bei den Kreditinstituten. Kann die Firma ihren Kreditverpflichtungen nicht mehr nachkommen, springen sie ein. Mehr Infos: www.vdb-info.de
Private Investoren, etwa aus dem Bekanntenkreis oder wichtige Geschäftspartner, investieren in Zeiten niedriger Zinsen vielleicht gern in ein expandierendes Unternehmen, das mittelfristig eine höhere Rendite verspricht.
Förderprogramme unterscheiden sich oft nur im Detail. Um das optimale Programm für ein bestimmtes Projekt zu finden, bietet sich eine Suche im Portal www.foerderdatenbank.de an. Wichtig: Das Digitalisierungsprojekt darf erst gestartet werden, wenn über den Förderantrag entschieden wurde.
Leasing von Hard- und Software gehört inzwischen zum Standard. Firmen, die keine Sicherheiten stellen können, bekommen günstigere Konditionen, wenn sie diese Finanzierungsvariante mit einer Bürgschaft verbinden.
Vernetzungsmöglichkeiten wie beispielsweise #openspace der Commerzbank oder der Digital Hub Cologne sind Plattformen, auf denen sich Startups und alteingesessene Unternehmer austauschen und zusammentun können – fachlich und finanziell.