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Creditreform

Von der Unternehmensteuerreform 2008 blieb auch die Gewerbesteuer nicht verschont: Zum 1. Januar 2008 wurde der Betriebsausgabenabzug gezahlter Gewerbesteuerbeträge samt darauf entfallender Zinsen gestrichen. Als Ausgleich erfolgte zeitgleich die Absenkung der Gewerbesteuer-Messzahl von 5 Prozent auf 3,5 Prozent. Obwohl das Finanzgericht (FG) Hamburg die bereits im Gesetzgebungsverfahren heftig kritisierte Neuregelung nicht als verfassungswidrig ansieht, ließ es im Streitfall dennoch eine Revision beim Bundesfinanzhof (BFH-Az.: I R 21/12) zu. Bis zu einer Entscheidung der höchsten Finanzrichter oder gar des Bundesverfassungsgerichts brauchen gegen Einkommen- und Körperschaftsteuerbescheide sowie Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften für Veranlagungszeiträume ab 2008 aber keine Einsprüche mit Verweis auf das anhängige Verfahren mehr eingelegt werden. Denn hinsichtlich der Nichtabziehbarkeit der Gewerbesteuer und darauf entfallender Nebenleistungen als Betriebsausgaben setzen die Finanzämter Steuern ab sofort nur noch vorläufig fest (Anwendungsschreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 10. Dezember 2012, Az.: IV A 3 – S 0338/07/10010).

Verlustverrechnung begrenzt

Bejaht hat der BFH in gleich zwei Entscheidungen vom 20. September 2012 hingegen bereits die Verfassungsmäßigkeit der gewerbesteuerlichen Mindestbesteuerung. Danach dürfen über eine Million Euro hinausgehende Gewinne lediglich bis zu 60 Prozent um verbleibende Verlustvorträge gekürzt werden. Sofern die nicht verrechneten Verluste in den Folgejahren mangels ausreichend hoher Gewinne bis zu einer geplanten oder auch unfreiwilligen Betriebsaufgabe nicht ausgeglichen werden können, hat das Unternehmen Pech gehabt – mit Rückendeckung des BFH bleibt es auch in diesen Fällen bei der bereits vorgenommenen Verrechnungsbegrenzung. Die seit 2004 nur noch begrenzt mögliche Verlustverrechnung hält der BFH schon deshalb für mit dem Grundgesetz vereinbar, weil die Abgabenordnung in besonderen Härtefällen Billigkeitsmaßnahmen wie eine Gewerbesteuerfestsetzung auf null Euro oder einen kompletten Steuererlass vorsieht (Az.: IV R 36/10). Auf derartige Billigkeitsmaßnahmen darf das Unternehmen nach Auffassung der BFH-Richter allerdings nicht hoffen, wenn die Besteuerung und der endgültige Wegfall der gestreckten Verlustvorträge von ihm selbst veranlasst werden (Az.: IV R 29/10). Im zugrunde liegenden Sachverhalt hatte eine überschuldete Personengesellschaft nach Einstellung ihrer aktiven Tätigkeit alle Gläubiger zum Forderungsverzicht bewegt, um ein drohendes Insolvenzverfahren zu vermeiden. Der durch den Verzicht entstandene Sanierungsgewinn konnte wegen der Mindestbesteuerung nicht mehr voll mit Verlusten ausgeglichen werden. Weil das Unternehmen durch den von ihm angeregten Darlehensverzicht selbst die Ursache für den ansonsten nicht entstandenen Gewinn gesetzt habe, lehnte der BFH in letzter Instanz einen Steuererlass ab.

Steueraufkommen gesichert

Da die Gewerbesteuer den Kommunen als Ausgleich für ihre finanziellen Belastungen durch ansässige Unternehmen dienen soll, berechnet sich die Gewerbesteuer nicht allein nach dem ertragsteuerlichen Gewinn. Zur Sicherung einer auch in wirtschaftlichen Krisenzeiten möglichst verlässlichen Steuerquelle werden dem nach den Vorschriften des Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetzes ermittelten Betriebsergebnis zahlreiche, im Gewerbesteuergesetz (§ 8 GewStG) aufgelistete Positionen wieder hinzugerechnet, sofern sie zuvor als Betriebsausgaben abgezogen wurden. Auch hier hat sich die Unternehmensteuerreform 2008 ausgewirkt und die Hinzurechnung für Geld- und Sachkapitalüberlassung auf 25 Prozent des bei der Gewinnermittlung abgezogenen Aufwands über den Freibetrag von 100.000 Euro hinaus vereinheitlicht. Seither wirken sich neben kurzfristigen Verbindlichkeiten auch Mieten, Pachten, Leasingraten und die zeitlich befristete Überlassung von Rechten (Softwarelizenzen, Konzessionen etc.) auf die Höhe der fälligen Gewerbesteuer aus (siehe Übersicht unten).Eben darin erkannte das FG Hamburg in einem weiteren Verfahren einen Verstoß gegen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und erhielt darin zumindest vom Vierten Senat des Bundesfinanzhofs Rückendeckung. Nach dessen Beschluss vom 1. August 2012 (Az.: IV R 55/11) erscheint ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) keineswegs als aussichtlos, weshalb es die Finanzrichter aus prozessökonomischen Gründen für zweckmäßig hielten, die Entscheidung des BVerfG (Az.: 1 BvL 8/12) abzuwarten. Eine völlig andere Auffassung vertritt dagegen der Erste Senat des BFH, der mangels ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Hinzurechnungsvorschrift von einer „offensichtlichen“ Erfolglosigkeit der Klage ausgeht und Steuerbescheide der Finanzämter als uneingeschränkt vollziehbar erklärt (Beschluss vom 16. Oktober 2012, Az.: I B 128/12).

Doch ganz so vertrauensvoll wollen wohl selbst die Finanzbehörden nicht auf das mit Spannung erwartete Urteil des BVergfG bauen – immerhin haben sie in ihrem koordinierten Ländererlass vom 30. November 2012 auf die Zweifel des FG Hamburg reagiert und die Finanzämter angewiesen, Gewerbesteuermessbeträge hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen wie beim Betriebsausgabenabzug ab sofort ebenfalls nur noch vorläufig festzusetzen.

Hinzurechnung von Finanzierungsanteilen: Zweifelsfragen geklärt

Von der Summe der im Gewerbesteuergesetz (§ 8 Nr. 1 GewStG) aufgelisteten und zuvor als Betriebsausgaben abgezogenen Finanzierungsanteile darf zunächst ein Freibetrag von 100.000 Euro abgezogen werden. Anschließend wird dem Gewinn aus Gewerbebetrieb ein Viertel des übersteigenden Betrags wieder hinzugerechnet. Hier eine Zusammenstellung der wichtigsten Klarstellungen der Finanzbehörden im aktualisierten gleichlautenden Ländererlass vom 2. Juli 2012:

• Abschläge auf Forderungen

Anders als geschäftsübliche Skonti und Abschläge (beispielsweise Treue- oder Mengenrabatte) sowie steuerlich zulässige Teilwertabschreibungen auf Forderungen werden geschäftsunübliche Abschläge auf Forderungen aus Lieferungen und Leistungen voll hinzugerechnet. Dies gilt insbesondere für das echte Factoring und die echte Forfaitierung; in den Abschlägen enthaltende angemessene Wertermittlungskosten oder vergleichbare Gebühren wie Risikoprämien unterliegen dagegen nicht der Hinzurechnung. Skonti gelten als geschäftsunüblich, wenn sie trotz unüblich langem Zahlungsziel vereinbart werden.

• Gemischte Verträge

Bei gemischten Verträgen ist – wie auch sonst im Steuerrecht üblich – ggfs. im Schätzungsweg eine Aufteilung auf die einzelnen Leistungskomponenten vorzunehmen und die jeweilige Hinzurechnungspflicht zu prüfen. Scheidet eine solche Trennung bei einheitlichen und unteilbaren Vertragsverhältnissen aus, entscheidet die den Gesamtvertrag prägende Leistung. So verneinen die Finanzbehörden beispielsweise eine Hinzurechnungspflicht bei Vereinbarungen zur fortlaufenden Reinigung oder zum fortlaufenden Austausch beschädigter Teile bei einem Mietservice von Berufskleidung.

• Miet-, Pacht- und Leasingverträge

Miet- und Pachtzinsen sind wie Leasingraten mit unterschiedlichen Anteilen dem Gewinn hinzuzurechnen, und zwar

– ein Fünftel der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung beweglicher Wirtschaftsgüter und
– die Hälfte der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung unbeweglicher Wirtschaftsgüter

Die Hinzurechnung erfolgt unabhängig von der Vertragslaufzeit – und damit selbst dann, wenn beispielsweise eine Baumaschine oder Unterkunft nur stunden- oder tageweise angemietet wird. Aus Vereinfachungsgründen verzichten die Finanzbehörden lediglich bei kurzfristigen Hotelnutzungen oder kurzfristigen Pkw-Mietverträgen auf eine Gewinnkorrektur. Bei einer Weitervermietung von Wirtschaftsgütern werden die Miet- und Pachtzinsen dem Gewerbeertrag des jeweiligen Mieters oder Pächters hinzugerechnet. Eine Saldierung der Mietaufwendungen und -erträge schließen die Finanzbehörden aus. Zu den Miet- und Pachtzinsen zählen zudem alle Aufwendungen des Mieters oder Pächters für die Instandsetzung, Instandhaltung oder Versicherung, die er über seine gesetzliche Verpflichtung nach bürgerlichem Recht hinaus vertraglich übernommen hat.

• Schulden

Anders als in der Vergangenheit spielt die Dauerhaftigkeit der Schulden für die Frage der Hinzurechnung keine Rolle mehr. Damit wirken sich Verbindlichkeiten des laufenden Geschäftsbetriebs ebenso wie aufgenommene und weitergeleitete Kredite auf die Gewerbesteuer aus. Wichtig dabei: Eine Saldierung von Zinsaufwendungen und Zinserträgen darf nach Auffassung der Finanzbehörden bei durchgeleiteten Krediten nicht erfolgen.

• Rechte

Wie bei Mieten, Pachten und Leasingraten werden auch Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten (insbesondere Konzessionen und Lizenzen) nicht in voller Höhe hinzugerechnet, sondern hier nur mit einem Viertel. Dies gilt unabhängig davon, ob einzelne Rechte nur für kurze Zeit überlassen werden. Nicht von der Hinzurechnungspflicht betroffen ist die Überlassung ungeschützter Erfindungen, Know-How, Firmenwert, Kundenstamm und sonstiger ungeschützter geistiger Werte. Ebenso nicht hinzurechnungspflichtig sind die nach dem Bundesfernstraßenmautgesetz fälligen Mautgebühren, die nach dem Rundfunkgebührenstaatsvertrag zu entrichtenden Rundfunkgebühren sowie Entgelte an die Duale System Deutschland GmbH für die Nutzung des sog. Grünen Punktes.

• Renten und dauernde Lasten

Renten und dauernde Lasten werden selbst dann hinzugerechnet, wenn sie nicht mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebs zusammenhängen.

• Zinsen für betriebliche Steuerschulden

Zinsen für betriebliche Steuerschulden nach der Abgabenordnung (§§ 233 ff. AO) müssen ebenfalls hinzugerechnet werden, wenn sie zuvor den ertragsteuerlichen Gewinn gemindert haben.

Zuerst erschienen in: „Creditreform“ 2-2013