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In Krisenzeiten gilt mehr denn je: Unternehmer tun gut daran, ihre Mitarbeiter bei deren privatem Finanzmanagement zu unterstützen. Wer Geldsorgen hat oder finanziell unsicher ist, ist im Betrieb weniger engagiert. Wie Chefs dieses Thema sensibel ansprechen.
Auf seinem Schreibtisch hat Jens Marggraf dicke Ordner liegen. Darin finden sich Rechnungen, Kreditunterlagen, diverse Verträge und zahlreiche Mahnschreiben. Es sind nicht seine Papiere, sondern private Unterlagen seiner Arbeitnehmer, die etwa Schulden haben und nicht mehr weiterwissen.
Marggraf führt in Melsungen in Nordhessen ein Taxiunternehmen. Er will den Betroffenen helfen, die Probleme in den Griff zu bekommen. „Wir bieten an, die Situation zu checken und nach einer Lösung zu suchen“, sagt Marggraf.
Der Unternehmer engagiert sich aber nicht aus purer Fürsorge: „Wenn Mitarbeiter finanziell stark unter Druck stehen, sind sie nicht mehr so leistungsfähig.“ Nicht jeder habe gelernt, ein monatliches Budget zu managen. Deshalb will er das notwendige Finanzwissen vermitteln.
„Mit Geld vorausschauend umzugehen, ist eine Frage der Erziehung“, sagt Babett Mahnert, Finanzexpertin und Gründerin der Beratungsgesellschaft Goldfrau in Berlin. Sie coacht in Workshops Unternehmer und Führungskräfte.
Aus ihrer Praxis weiß sie, dass viele Menschen das Ausgabeverhalten der Eltern übernehmen. „Wenn in der Familie früher viel gespart wurde, behält man das genauso bei wie Schulden zu machen“, erklärt Mahnert.
Hohe Verschuldungsquote
Ähnlich sieht das Johannes Sczepan, Geschäftsführer des Finanzdienstleisters Plansecur. Er nennt ein weiteres Problem: „Wir haben leider ein Schulsystem, in dem während der gesamten Laufbahn in keiner Klasse Finanzwissen vermittelt wird.“
Das hält er für fatal: „Obwohl wir alle um die Bedeutung einer wirtschaftlichen Grundlage für das Leben wissen, kommt sie im Lehrstoff praktisch nicht vor.“
Überdies spricht kaum einer offen über finanzielle Schwierigkeiten. Unternehmer erfahren von den Problemen ihrer Mitarbeiter oft erst, wenn Gehälter gepfändet werden. Und das kommt häufiger vor als gemeinhin angenommen.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren im vergangenen Jahr fast sieben Millionen Bundesbürger überschuldet. Creditreform ermittelt im aktuellen SchuldnerAtlas eine Verschuldungsquote von 9,87 Prozent, definiert als Anteil der überschuldeten Personen im Verhältnis zu allen Erwachsenen in Deutschland.
„Durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Krise haben die Verbraucher in Deutschland weniger Geld zur Verfügung“, warnt Stephan Vila, Geschäftsführer von Creditreform Boniversum und microm.
„Die Unternehmen sind daher gut beraten, die Beschäftigten zu ermuntern, ihre Finanzen aktiv in die Hand zu nehmen“, sagt Sczepan.
Und nicht nur jene, die zu kämpfen haben: „Wir empfehlen gerade jetzt in der schwierigen Situation, die teilweise mit Einkommenseinbußen verbunden sein wird, zum Beispiel auch über Themen wie Altersvorsorge oder Sparen zu sprechen. Viele Arbeitnehmer sorgen sich nicht nur um ihre Gesundheit, sondern auch um ihre Finanzen“, so Sczepan.
Laut einer Studie des Beratungsunternehmens Willis Towers Watson wirtschaftet jeder dritte Beschäftigte ohne Rücklagen.
Finanzwissen per Video vermitteln
„Im Prinzip geht es in erster Linie darum, die Grundlagen für eine langfristige Finanzstrategie aufzuzeigen“, rät Mahnert. Das beginnt klassisch beim Haushaltsbuch. „Wir stellen fest, dass nur wenige Menschen ihre Einnahmen und Ausgaben im Monat bis auf zehn Euro genau beziffern können. Gerade bei relativ niedrigen Einkommen ist das aber entscheidend“, erklärt Mahnert.
Sie empfiehlt Firmenchefs, zunächst zum Beispiel per Videokonferenz oder per Onlineworkshop solche und andere Basisempfehlungen rund ums Thema Geld zu vermitteln.
Alternativ oder ergänzend kann in Unternehmen eine Plattform installiert werden, die für das Thema sensibilisiert. „Um möglichst viele Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen anzusprechen, sollten dort auch Themen wie Elternzeit oder Altersvorsorge diskutiert werden“, sagt Mike Schäfer, Psychologe, Coach und Geschäftsführer der Gesellschaft beziehungs-investoren.de in Hanau.
Finanzwissen von der Lernplattform
Das Unternehmen Siemens Energy in München zum Beispiel arbeitet mit einer solchen Plattform, um den Mitarbeitern fundiertes Wissen zu Belegschaftsaktien und Geldanlage zu vermitteln.
„Wir haben die Seite bewusst so aufgebaut, dass sie für jeden jederzeit zugänglich ist – also nicht nur via Intranet, sondern übers Internet“, erläutert Stefanie Koller, Benefits Consultant bei Siemens Energy (siehe Interview).
Denn Transparenz und umfassende Information sind wichtig, um eine vertrauensvolle Basis zu schaffen. Am Ende stehen bei Bedarf persönliche Gespräche, „die dann von einer direkten Kontaktperson des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin – wie beispielsweise von Teamleitung, Personalverantwortlichen oder Ausbildungsleitung – geführt werden sollten“, sagt Experte Schäfer.
Taxiunternehmer Marggraf versucht, in diesen Gesprächen erst einmal herauszufinden, wie in der Familie früher mit Geld umgegangen wurde und wie die eigene Situation empfunden wird.
„Viele wollen erzählen. Ich höre gut zu, stelle gezielt Rückfragen, um in einen Dialog zu kommen.“ Oft bietet er dann weitere Unterstützung an. „Die Resonanz war bisher sehr positiv. Das Projekt trägt zur Bindung und zur Zufriedenheit unserer Mitarbeiter bei“, ist sich der Unternehmer sicher.
„Unser Hauptaugenmerk liegt auf einer verständlichen Ansprache“
Stefanie Koller ist Benefits Consultant bei Siemens Energy in München. Das Unternehmen bietet Arbeitnehmern die Möglichkeit, im Rahmen verschiedener Mitarbeiteraktienpläne Miteigentümer von Siemens Energy zu werden. Koller erklärt, wie interessierten Mitarbeitern das notwendige Finanzwissen vermittelt wird.
Frau Koller, Belegschaftsaktien sind eine komplexe Materie. Was motiviert Mitarbeiter, sich damit zu beschäftigen?
Der überwiegende Teil der Beschäftigten weiß schon, was Aktien und Dividenden sind. Einige geben aber offen zu, dass sie sich nicht damit auseinandersetzen. Wir haben daher ein ausgeklügeltes Konzept entwickelt, um das notwendige Wissen zu vermitteln, zu informieren und aufzuklären.
Worauf basiert dieses Konzept?
Wir setzen auf eine verständliche Ansprache über mehrere Wege. Wir haben eine Plattform, die der Financial Education dient und allgemeines Finanzwissen mit Blick auf Aktiengeschäfte vermittelt. Vor allem finden sich dort aber aktuelle Informationen zu unseren Mitarbeiteraktienprogrammen. Die Mitarbeiter können zudem in einer App verfolgen, wie sich ihr Investment entwickelt und zusätzliche Infos zu den Aktienplänen abrufen.
Wie läuft die Kommunikation dazu?
Wir schulen die Führungskräfte und Teamleiter, damit sie Mitarbeiterfragen direkt beantworten können. Das ist wichtig, weil Arbeitnehmer an den Produktionsstandorten in ihren Pausen zum Beispiel gern informell mit ihrem Chef sprechen. Eine besondere Rolle spielt außerdem unser Betriebsrat, weil auch er ein wichtiger Multiplikator ist.
Was sind häufige Fragen, wo fehlt es an Finanzwissen?
Oft kommen steuerliche Aspekte auf den Tisch. Die Mitarbeiter wollen wissen, was sie wo in der Steuererklärung eintragen müssen und wie sich ihre Aktien fiskalisch auswirken. Ansonsten geht es eher um individuelle Aspekte, wenn der Betreffende zum Beispiel in den Ruhestand gehen will.
Welche Ziele verfolgt Siemens Energy mit dem Aufwand?
Für uns ist es wichtig, dass unsere Mitarbeiter an der langfristigen Entwicklung des Unternehmens teilhaben. Das schafft eine Verbindung und fördert das Engagement signifikant. Mit unserer transparenten und verständlichen Kommunikation haben wir es geschafft, die Mitarbeiter für das Thema zu begeistern. Wir haben in Deutschland bei einigen Aktienplänen eine Beteiligungsquote von knapp 90 Prozent.
MitarbeiterInnen betrieblich bei Geldsorgen unterstützen
Inhaltlich greift der Artikel zwei völlig verschiedene Einzelthemen zum übergeordneten Bereich der Finanzen auf. Gemeinsam ist den beiden Themen die Mitarbeiterbindung – allerdings durch zwei völlig verschiedene Wege. Meinen Kommentar widme ich der Verschuldung – dies entspricht der Überschrift des Berichts. Die Altersvorsorge durch zum Beispiel Belegschaftsaktien ist für ArbeitnehmerInnen mit Geldsorgen eher ein suboptimaler Aspekt.
Meine praktischen Erfahrungen im Bereich der Schuldnerberatung (https://www2.hf-kreditsanierung.de/) spiegeln die Aussagen von Jens Marggraf wider. Das Instrument eines Arbeitgeberdarlehens ist ein bewährter Finanzbaustein, um SchuldnerInnen aus der Schuldenfalle zu führen. Diesem gehen regelmäßig intensive Gespräche mit sämtlichen GläubigerInnen voraus, um kompromissweise Zahlungslösungen zu vereinbaren. Ziel sind hierbei verhandelte Einzelzahlungen auf die verbleibenden Forderungen. Ratenzahlungsvereinbarungen bergen die Gefahr, in alte Strukturen zu verfallen und somit wieder in eine finanzielle Schieflage zu geraten. In der Regel sind negativen Einträge in der SCHUFA und ggfs. im zentralen Schuldnerverzeichnis vorhanden. Deshalb scheiden klassische Kredite aus, um die verhandelten Restforderungen der unterschiedlichen GläubigerInnen bezahlen zu können. Dies kann ein Arbeitgeberdarlehen leisten. Hierdurch werden betroffene MitarbeiterInnen wieder zufrieden und leistungsfähig und es wird eine Bindung zum Unternehmen erreicht – eine Win-Win-Situation.
Wenn die komplexen Verhandlungen mit den GläubigerInnen von ArbeitgeberInnen direkt geführt werden können, ist das löblich. Eine erfolgreiche Schuldensanierung beinhaltet darüber hinaus die Leistung, dass sämtliche vorhandenen Negativeinträge in den bekannten Verzeichnissen gelöscht werden. Zumindest jedoch als erledigt gekennzeichnet werden – die SCHUFA löscht solche Einträge erst nach drei Jahren zum Jahresende.
Sinnvoller sind eine kompetente Beratung und Begleitung durch erfahrene Sanierungs-BeraterInnen. Die Zufriedenheit meiner KundInnen bestätigt dies (https://www.hf-kreditsanierung.de/wp/kundenstimmen/).
Nicht immer ist das familiäre Umfeld bzw. das Elternhaus das Maß der Dinge. Grundsätzlich mag diese Aussage einen gewissen Erfahrungsgrad aufzeigen. Mir sind praktische Beispiele bekannt, wo die Eltern und zwei von drei inzwischen erwachsenen Kindern sehr gut und sparsam mit ihren Finanzen umgehen. Das dritte Kind hingegen hat offensichtlich das „Ausgabe-Gen“ einer Urgroßmutter und eines Großonkels geerbt. Gleich, welche finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, ist dies stets von sehr kurzer Dauer geprägt, sodass der „Monat regelmäßig zu lang für das zu wenige Geld ist“. Somit ist der vorausschauende Umgang mit den Finanzen auch nicht ausschließlich eine Frage der Erziehung. Oftmals sind Menschen durch ein persönliches Schicksal in eine finanzielle Schieflage geraten. In jedem Fall ist es wert, Betroffene, die Hilfe wollen, auch kompetent zu unterstützen.
Herzlich, Ihr Holger Feick
Geschäftsführer HF Finanzconsulting GmbH
http://www.hf-finanzconsulting.de