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Creditreform

Von Bernhard Lindgens

Und auch die Hoffnung auf eine gleichmäßige Kapitalbesteuerung hat sich angesichts des immer noch lukrativen Datenhandels mit Informationen über potenzielle Steuerhinterzieher leider nicht erfüllt. Denn die Auswertung der laufend angebotenen Steuersünder- CDs belegt eindeutig, dass die vergleichsweise niedrige Abgeltungsteuer auf Kapitaleinkünfte etliche vermögende Anleger ebenso wenig zur Steuerehrlichkeit bewegen konnte, wie die mit heftigem Zähneknirschen durchgewunkene Steueramnestie der Jahre 2004 bis 2005. Doch selbst ehrliche Steuerbürger tun sich mit den zahlreichen Ausnahmen und Einzelregelungen der erst 2009 komplett renovierten Kapitalbesteuerung schwer, die trotz ihres pauschalen Charakters ständig neue Zweifelsfragen aufwirft. So hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) sein ohnehin schon umfangreiches Anwendungsschreiben zur Abgeltungsteuer kürzlich wieder einmal anpassen und auf mittlerweile 120 (!) Seiten verlängern müssen (BMF-Schreiben).

Grundsätzlich unterliegen seit dem 1. Januar 2009 auch Veräußerungsgewinne aus privaten Wertpapier- oder Werminmarktgeschäften zusammen mit anderen Einkünften aus Kapitalvermögen wie Dividenden oder Zinsen der25-prozentigen Abgeltungsteuer, die ohne Einflussnahme des Anlegers direkt vom jeweiligen Kreditinstitut einbehaltenund an die Finanzbehörden abgeführt wird. Beträgt der persönliche Steuersatz weniger als 25 Prozent, kann dieüberschüssige Abgeltungsteuer im Rahmen der Einkommensteuer-Veranlagung zurückerstattet werden (so genannte„Günstigerprüfung“). Die Günstigerprüfung ist auch bei ausländischer Quellensteuer vorgesehen. Eine Anrechnungerfolgt allerdings nur insoweit, als im jeweiligen ausländischen Staat kein Anspruch auf teilweise oder volle Erstattungder dort einbehaltenen Quellensteuer besteht.

Beschränkung der Freistellung auf einzelne Konten nicht möglich>

Infolge des stark eingeschränkten Werbungskostenabzugs darf von der Summe aller Kapitaleinkünfte im Rahmen der Einkommensteuer-Veranlagung nur noch ein Sparer-Freibetrag abgezogen werden. Keine Berücksichtigung mehr finden dagegen selbst nachgewiesene Aufwendungen wie Finanzierungskosten oder Depotgebühren; akzeptiert werdenlediglich noch Transaktionskosten für den An- und Verkauf von beispielsweise Wertpapieren oder Fondsanteilen. Vonden in Rechnung gestellten Gebühren für eine Vermögensverwaltung oder Anlageberatung („all-in-fee“) stellt deshalbnur noch der vertraglich festgehaltene Transaktionskostenanteil abziehbaren Aufwand dar. Bei einer Pauschalvereinbarungakzeptieren die Finanzbehörden jedoch höchstens die Hälfte der Gesamtgebühr. Vorausgesetzt wird zudem, dassdie in der all-in-fee enthaltene Transaktionspauschale auf einer sachgerechten und nachprüfbaren Berechnung beruht.Dazu enthält das Anwendungsschreiben vom 9. Oktober 2012 jedoch keinerlei Hinweise oder Abgrenzungskriterien.Vom Einbehalt der Abgeltungsteuer dürfen die auszahlenden Stellen nur absehen, wenn ihnen ein Freistellungsauftragdes Steuerpflichtigen auf amtlich vorgeschriebenem Muster vorliegt. Anders als in der Vergangenheit könnenFreistellungsaufträge neuerdings auch im laufenden Jahr bis zur Höhe des bereits ausgenutzten (Frei)betrags herabgesetztwerden. Eine Beschränkung des Freistellungsauftrages auf einzelne Konten und/oder Depots desselben Kreditinstitutsist hingegen weiterhin unmöglich.

Pro forma Umzüge bringen nichts

Bei Steuerpflichtigen ohne Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland unterliegen (unter anderem) Zinseinkünfte nicht der Abgeltungsteuer. Mit einem pro forma Umzug lassen sich dennoch keine Steuern mehr sparen.Ab sofort sind die Finanzämter nach der aktualisierten Verwaltungsvorschrift gehalten, schriftliche beweiskräftigeUnterlagen wie melderechtliche Nachweise oder von einer ausländischen Finanzbehörde ausgestellte Wohnsitzbescheinigungenanzufordern. Darüber hinaus soll die Ausländereigenschaft vom Kreditinstitut periodisch überprüft werden.

Als manipulationsanfällig hat sich zudem – wie schon im Gesetzgebungsverfahren absehbar – der mehr oder weniger freiwillige Einbehalt von Kirchensteuern erwiesen. Nach der derzeit noch geltenden Rechtslage sollen Kirchenmitgliederihre Banken auf Antrag mit dem Einbehalt beauftragen; alternativ sind sie zur Angabe der Kapitalerträge in ihrerEinkommensteuererklärung verpflichtet. Da bislang jedoch kein Datenaustausch zwischen Banken und Finanzbehördenüber die Religionszugehörigkeit des Zahlungsempfängers stattfand, haben wohl allzu viele Religionsangehörigeaus profanen Gründen auf die Ausübung beider Optionen verzichtet. Was den Gesetzgeber letztlich dazu bewogenhat, auch dieses Steuerschlupfloch zu stopfen: Über das als Nachfolger der Papplohnsteuerkarte kürzlich eingeführteELSTAM-Verfahren erhalten die auszahlenden Stellen ebenso wie Arbeitgeber ab 2014 auf elektronischem Weg Informationenüber die beim Bundeszentralamt für Steuern gespeicherte Religionszugehörigkeit ihrer Kunden. Zu diesemZweck verlangt das Einkommensteuergesetz (§ 51a EStG) vom „Kirchensteuerabzugsverpflichteten“, die Kirchensteuerpflichtzum 31. August jährlich automatisiert abzufragen. Dagegen kann sich der Kunde beim Bundeszentralamt für Steuern zwar schriftlich wehren – im Gegenzug wird ihn sein Wohnsitzfinanzamt dann aber zur Abgabe einer Steuererklärungauffordern.

Kurz gefasst Diese Besonderheiten sollten Sie kennen
Ausländische thesaurierende Investmentfonds
Obwohl Dividenden- und Zinserträge bei der Thesaurierung das Fondsvermögen jährlich erhöhen, erfolgt eine Versteuerungdurch ausländische Investmentfonds üblicherweise erst beim Verkauf oder Rückgabe der Anteile. Ist der Kapitalanlegerseinen steuerlichen Pflichten nachgekommen und hat die Erträge bereits in den Steuererklärungen der Vorjahreaufgeführt, muss er dies zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung seinem Finanzamt im Zweifel später nachweisenkönnen. Dies gilt nach einem weiteren Anwendungsschreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 17. Dezember2012 (Az.: IV C 1 – S 1980-1/11/10004) auch im Fall des unentgeltlichen Erwerbs ausländischer Investmentanteile. Erbenund Beschenkte sind deshalb gut beraten, die alten Steuererklärungen und Erträgnisaufstellungen des Erblassersoder Schenkers zu sammeln und zwecks Vorlage beim Finanzamt aufzubewahren.

First In – First Out im Wertpapierdepot
Sowohl bei der Girosammel- als auch bei der Streifbandverwahrung unterstellt das Einkommensteuergesetz (§ 20 Abs. 4Satz 7 EStG), dass die im jeweiligen Depot zuerst angeschafften Wertpapiere auch zuerst verkauft werden (sogenannteFifo-Methode). Dies kann sich insbesondere bei Wertpapierdepots negativ auswirken, in denen noch vor Einführungder Abgeltungsteuer im Jahre 2009 angeschaffte Aktien gehalten werden. Weil die damals geltende einjährige Spekulationsfristlängst abgelaufen ist, darf ein Verlust nicht mehr mit Gewinnen aus Wertpapierverkäufen verrechnet werden. Betroffene Anleger sollten Unterdepots anlegen, da die Finanzbehörden die Zuordnung einzelner Wertpapiere zum jeweiligen eigenständigen Unterdepotausdrücklich zulassen.

Instandhaltungsrücklagen von Wohnungseigentümergemeinschaften
Für die Anrechnung einbehaltener Steuerbeträge im Rahmen der Einkommensteuer-Veranlagung reicht den Finanzämterneine vom Verwalter erstellte Aufteilung der anteiligen Einnahmen und Steuern nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile,sofern jeder Miteigentümer zusätzlich eine Kopie der Originalbescheinigung des Kreditinstituts vorlegt.

Mietkautionskonten
Auch wenn Mietkautionskonten auf den Namen des Vermieters lauten, fließen die Zinsen dem Mieter bereits zu, sobaldsie auf den zur Absicherung nachvertraglicher Ansprüche eingerichteten Konten fällig werden. Der Vermieter ist nach derAbgabenordnung (§ 34 Abs. 1 und 3 AO) verpflichtet, seinem Mieter die Steuerbescheinigung auszuhändigen.

Rückvergütung von Bestandsprovisionen
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sind Banken und Kreditinstitute zur Offenlegung ihrerVermittlungs- und Bestandsprovisionen verpflichtet. Zwecks Kundenbindung erstatten sie Depotinhabern deshalb häufigTeile ihrer Bestandsprovisionen, die sie von Investmentgesellschaften für den Fondsvertrieb erhalten. Doch die Freudeüber den unvermuteten Geldsegen währt beim Anleger oft nur kurz, denn die Finanzbehörden betrachten derartigeGutschriften wirtschaftlich als teilweisen Rückfluss früherer Aufwendungen und damit als steuerpflichtigen Kapitalertragbeim Anleger.

Schadenersatz und Kulanzerstattungen
Auch auf finanzielle Entschädigungen für Beratungsfehler wird die 25-prozentige Abgeltungsteuer fällig. Voraussetzungist jedoch ein unmittelbarer Zusammenhang zu einer konkreten einzelnen Transaktion, bei der entweder ein Verlustentstanden ist oder sich der steuerpflichtige Gewinn vermindert hat. Keine Rolle spielt dagegen, ob der Schadenersatzohne rechtliche Verpflichtung gezahlt wird oder erst künftig zu erwartende Schäden abdecken soll.

Unentgeltliche Depotüberträge
Ab 2012 unterliegen unentgeltliche Depotüberträge mit Gläubigerwechsel nur dann nicht der Abgeltungsteuer, wenn die auszahlende Stelle dem für sie zuständigen Betriebsstättenfinanzamt nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch unter anderemName, Geburtsdatum, Anschrift sowohl des Übertragenden als auch des Empfängers und – soweit bekannt – auch das persönliche Verhältnis (Verwandtschaftsverhältnis, Ehe, Lebenspartnerschaft) zwischen beiden mitteilt. Zusätzlich werden die Identifikationsnummern des Empfängers und Gebers verlangt. Letzteres gilt nicht für Personengesellschaften, Körperschaften, andere Unternehmen und ausländische Kapitalanleger, da diesen seitens der Finanzbehörden keine Identifikationsnummerzugeteilt werden.

Zuerst erschienen in: Creditreform 3/2013