Dürfen Insolvenzverwalter auch juristische Personen sein? Jetzt hat das Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Verfassungsgemäßheit des Paragraphen 56 I 1 der Insolvenzordnung eine Entscheidung getroffen – und die bisherige Vorschrift bestätigt.
Insolvenzverwalter müssen natürliche Personen sein
Diese Vorschrift besagt, dass zum Insolvenzverwalter eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person zu bestellen ist. Sprich: der Insolvenzverwalter muss eine reale Person, ein Mensch, sein.
Das Verfahren hatte eine Kanzlei angestrengt, die das Amt des Insolvenzverwalters als Unternehmen anstrebte – vergleichbar mit der Steuerberatungsgesellschaft, die anstelle eines Steuerberaters mandatiert werden kann. Die Kanzlei sah sich durch diese Vorschrift in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit verletzt.
Insolvenzverwalter: Vertrauen und Fachkompetenz entscheidend
Die Ernennung von natürlichen Personen zum Insolvenzverwalter hat eine lange Tradition im deutschen Recht, obwohl dies nicht ausdrücklich im Gesetzestext stand. Schon bei der früheren „Konkursordnung“ erkannte man als wesentliche Voraussetzung für eine verlässliche Verwaltung das personifizierte Vertrauen und die personifizierte Verantwortung des Verwalters.
Dies gilt nach wie vor. Die Tätigkeit des Insolvenzverwalters hat sich seit dem Inkrafttreten der aktuellen „Insolvenzordnung“ zu einem hochspezialisierten Beruf entwickelt, der die Fortführung von Unternehmen und deren dauerhafte Sanierung im Insolvenzverfahren als vorzugswürdige Verwertungsoption ansieht. Dies liegt auch im Gläubigerinteresse, da die Quoten in aller Regel höher ausfallen als bei einer Zerschlagung des Unternehmens.
Keine Unternehmenssanierung ohne Vertrauen in den Insolvenzverwalter
Diese Sicht hat das BVerfG nun bestätigt und führt dazu aus: „Aus den vom Senat eingeholten Stellungnahmen ergibt sich zudem, dass die Komplexität der Insolvenzverfahren in den letzten Jahren, nicht zuletzt auch durch die Übertragung des Insolvenzplanverfahrens auf die Richter, gestiegen ist. Auch dies erfordert einen verlässlichen, persönlich verantwortlichen Insolvenzverwalter.“
Damit deckt sich die Ansicht des Gerichts mit der allgemein vertretenen Auffassung, dass das persönliche Vertrauen, das der Insolvenzverwalter genießt, für das Zustandekommen einer erfolgreichen Sanierung maßgeblich ist. Entscheidend sind insbesondere persönliche Eigenschaften wie Fachwissen, Branchenerfahrung aber auch Überzeugungskraft und Durchsetzungsfähigkeit. Der Weg einer erfolgreichen Sanierung kann nur gemeinsam mit Gläubigerbanken und Lieferanten beschritten werden. Die Voraussetzung für die Vergabe weiterer Kredite an ein insolventes Unternehmen und die Aufrechterhaltung der Lieferbeziehungen ist insbesondere das in die Person des Verwalters gesetzte Vertrauen.
Unternehmen profitieren vom Insolvenzverwalter-Urteil
Dies gilt ebenso für Insolvenzverfahren in Eigenwaltung, bei denen regelmäßig der Geschäftsführung eine insolvenzerfahrene Person an die Seite gestellt wird. Hierbei wählen die betroffenen Unternehmen zumeist eine Person aus, die als langjährig bestellter Verwalter über entsprechende Sanierungsexpertise verfügt. Gleiches gilt hier für den vom Gericht in diesen Verfahren zu bestellenden (vorläufigen) Sachwalter, der in aller Regel durch einen vorläufigen Gläubigerausschuss vorgeschlagen wird.
Für Unternehmen, die sich aus den unterschiedlichsten Gründen in einer Krise befinden mögen, hat die Entscheidung des BVerfG somit unmittelbar positive Auswirkungen, dürfen sie doch nach erfolgter Insolvenzantragstellung nach wie vor mit einer vom Gericht bestellten Vertrauensperson rechnen, die sich nach bestem Wissen und Gewissen dafür einsetzen wird, ein sanierungsfähiges Unternehmen im Wege des Insolvenzverfahrens zu entschulden und dauerhaft zu erhalten.
Über die Autorin: Christine Frosch ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Insolvenzrecht. Als Partner der DHPG Rae WP Stb Obermüller, Rohde & Partner mbB ist sie schwerpunktmäßig im Bereich Insolvenzverwaltung und Sanierungsberatung tätig.
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