Wenn ein Betrieb seinen neuen Standort stolz „Kompetenzzentrum“ nennt, hat er offenbar kräftig investiert. Wie die Ultratronik Vertriebs GmbH, die erst vor wenigen Monaten den Umzug in ein „MMI-Kompetenzzentrum“ (MMI: Man Machine Interface) verkündete. In zwei Schritten hat Geschäftsführer Alexander Sorg den Hersteller von Handhelds für Business-Anwendungen zum Innovationsführer aufgebaut. Erst übernahm er das Unternehmen Imago Design, das sich mit der edlen Gestaltung von Hightech-Produkten inklusive deren Bedienung einen Namen gemacht hat. Anschließend investierte er in den neuen Standort, der alle 90 Mitarbeiter aufnehmen konnte. „Wir können so den Anspruch, Komplettlösungen aus einer Hand zu liefern, glaubwürdig darstellen“, sagt Sorg. Mit dem Konzept will der Gilchinger Business-Kunden aus möglichst vielen Branchen erreichen, egal ob diese nun Diagnosegeräte für Hydraulikanlagen, Monitoring-Tools für medizinische Anwendungen oder Bedienpanels für die Steuerung von Klimaanlagen in Auftrag geben. Vermutlich einen Jahresumsatz – 2012: circa 16 Millionen Euro – hat Sorg investiert.
Genau solche Investitionen, welche die langfristige Wettbewerbsfähigkeit verbessern, sollten 2014 möglichst viele Betriebe wagen. Das empfehlen immer mehr Volkswirtschafts- und Konjunkturexperten. Der Grund: Während viele große Konzerne auch 2012 und 2013 weiter neue Geschäftsfelder entwickelten und kauften, hielten sich mittelständische Unternehmen auffallend zurück – und das trotz historisch niedriger Zinsen und problemloser Kreditzugänge. Für 2012 diagnostizierte die KfW im unlängst veröffentlichten Mittelstandspanel 2013 einen Ausgabenrückgang von 2,4 Prozent auf 191 Milliarden Euro. Gerade mal vier von zehn Firmen haben demnach investiert. Für 2013 erwartet das Frankfurter Institut eine „Veränderung knapp unter null“. Grund genug für KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner, Alarm zu schlagen: „Die Produktivität des Mittelstands nimmt kontinuierlich ab.“ Verglichen mit dem Jahr 2003 sei diese immerhin um sieben Prozentpunkte zurückgegangen. Als Konsequenz verlieren vor allem jene Unternehmen, die unter starkem Wettbewerbsdruck stehen, an Boden: 2012 ging laut KfW das Umsatzwachstum des Mittelstands um fast 70 Prozent auf 2,4 Prozent zurück, für 2013 dürfte im Rückblick ein weiteres Minus errechnet werden. „Vor allem bei Unternehmen mit einem hohen Forschungsund Entwicklungsbedarf kommt zunehmend Sand ins Getriebe“, diagnostiziert Zeuner.
Als Hauptursache für die Investitionszurückhaltung macht nahezu jeder Experte eine grassierende Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung aus – maßgeblich verursacht von der europäischen Schuldenkrise. Dennoch richten die Fachleute verstärkt Appelle an kleinere und mittelgroße Unternehmen, jetzt einen Strategiewechsel zu wagen: Weil 2014 als Folge der anziehenden Binnennachfrage die bundesweite Wirtschaftsleistung erstmals seit drei Jahren um bis zu zwei Prozent wachsen könnte (mehr ab Seite 22), sei jetzt der Zeitpunkt für größere Investitionen da. „Wer vom Konjunkturaufschwung profitieren will, sollte Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen nicht weiter auf die lange Bank schieben“, mahnt etwa Zeuner. Auch der Deutsche Sparkassen- und Giroverband spricht von einem erheblichen Nachholbedarf nach den „gänzlich enttäuschenden Investitionsjahrgängen 2012 und 2013“. Wenn der Mittelstand sein Produktportfolio und seine Produktivität auf dem bisherigen Niveau halten wolle, müsse er nun handeln.
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, sieht ebenfalls keine Gründe für eine weitere Investitionszurückhaltung, wenn sich die jüngste Konjunkturbelebung zum dauerhaften Aufwärtstrend verfestigt: „Die aktuellen Exportzahlen stimmen zuversichtlich“, bringt Fratzscher die Erschließung weiterer Auslandsmärkte ins Spiel. Allenfalls energieintensiven Betrieben rät der Experte zur Vorsicht, solange die politische Ausgestaltung der Energiewende „weiterhin unklar“ sei.
Über die klassischen Ersatzinvestitionen hinaus, bei denen vorhandene Anlagen ausgewechselt oder modernisiert werden, müssen die Unternehmen vor allem ihre versteckten Wachstumsreserven mobilisieren. Auch für Betriebe, die in den letzten Jahren gut verkauft haben, gibt es einiges zu tun. Sie müssen mit After-Sales-Dienstleistungen das jüngste Wachstum stabilisieren. Jedoch: „Viele kleine und mittlere Hersteller bieten nur standardisierte Instandhaltungsdienstleistungen an, welche kundenspezifische Bedürfnisse nicht berücksichtigen“, mahnt Björn Schweiger, Fraunhofer-Experte für Anlagen- und Servicemanagement. Mit weiterentwickelten Services hingegen könnten auch mittelständische Betriebe zu den großen Konzernen aufschließen, die mit ihren zusätzlich offerierten Dienstleistungen fast genauso viel oder sogar noch mehr verdienen als mit Neuprodukten.
Weit wichtiger sind jedoch die Anpassung an veränderte Märkte sowie die Erschließung neuer Absatzchancen. Auch hier hat das Unternehmen Ultratronik Maßstäbe gesetzt: „Wir haben mit unseren Investitionen auf gestiegene Kundenanforderungen reagiert“, so Geschäftsführer Sorg. „Viele Auftraggeber wünschten Komplettlösungen aus einer Hand, welche ein bedienungsfreundliches Design mit einschließen.“ Als Konsequenz überließ Ultratronik dieses Geschäftsfeld nicht mehr anderen und erweiterte sein Portfolio – und steigerte so seine Attraktivität für Auftraggeber aus anderen Branchen.
Auf diesen Effekt setzt gegenwärtig auch mancher mittelständische Automobilzulieferer. Weil 2009 die eigenen Umsätze parallel zu denen der Hauptauftraggeber in den Keller rauschten, werden jetzt neue Produkte für Kunden außerhalb der Automotive-Branche entwickelt. Ein gutes Beispiel ist die Süddeutsche Gelenkscheibenfabrik GmbH & Co. KG (SGF) in Waldkraiburg. Seit 2011 analysieren Vertrieb und Entwicklung des mittelständischen Unternehmens systematisch potenzielle Neumärkte und sind unter anderem bei Herstellern von Windkraftanlagen, Schienenfahrzeugen, Schiffsmotoren, Baumaschinen und Kraftwerkstechnik fündig geworden. „Wir wollen gute Komponenten aus Metall durch noch bessere aus Elastomer und Garn ersetzen“, erläutert SGF-Geschäftsführer Ernst Hahn das neue Geschäftskonzept. Der Anfang ist bereits gemacht. Rund fünf Prozent des Umsatzes von über 105 Millionen Euro (2012) verdient das Unternehmen in Non-Automotive-Märkten, Tendenz stark steigend.
Stefan Bottler
Transparenz gefragt
Kreditzinsen sind so günstig wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Dennoch müssen Unternehmen mit verschärften Bonitätsanforderungen rechnen. „Für die Bewertung der Bonität werden heute Faktoren wie Liquiditätsmanagement, Nachfolgeregelungen oder Branchenzugehörigkeit herangezogen“, sagt Creditreform-Experte Michael Bretz. Tipps unter: creditreform-magazin.de/finanzkommunikation