Jahrelang tüftelte der Branchenverband GS-MA am RCS-e-Standard, der Joyn zugrunde liegt. Kritiker sagen: zu lange. Konkurrenzprodukte wie WhatsApp, Skype und auch Hangouts bei Google+ sowie Facebook-Messenger haben sich mittlerweile etabliert. Der Mehrwert von Joyn sei zu gering, als dass Nutzer einen Wechsel von ihrer gewohnten App in Erwägung ziehen. „Wenn die Mobilfunkanbieter zwei Jahre vor den Konkurrenz-Applikationen gekommen wären, hätten sie eine gute Chance gehabt. Jetzt ist aber nicht einzusehen, warum sie den Markt von hinten aufrollen sollen“, sagt Prof. Torsten Gerpott, Experte für Telekommunikationswirtschaft an der Mercator School of Management. Dass sich nur zwei der vier großen Mobilfunkanbieter in Deutschland entschieden haben, Joyn anzubieten, spricht nicht für den neuen Dienst. Spezielle Kosten entstehen Nutzern durch Joyn nicht. Bei beiden Anbietern werden sie im Rahmen der üblichen Smartphone-Flatrates beglichen.
Vodafone als Vorreiter
Vodafone wagte sich als erster an Joyn. „Wir haben mit der Einführung unsere Rolle als innovativer Vorreiter in Deutschland unterstrichen“, betont Pressesprecher Dirk Ellenbeck. Nach Vorteilen von Joyn gefragt, hört man vom schnellen und einfachen Austausch von Textnachrichten, von Dokumenten, Videos und Fotos, von Sprachnotizen und Videotelefonie. Kontakte können als digitale Visitenkarten geteilt werden. Dem Verbraucher kommen diese Funktionen von Anbietern wie WhatsApp bekannt vor. Sucht man nach Alleinstellungsmerkmalen, findet sich wenig.
„Alle Funktionen von Joyn werden direkt über die gespeicherten Kontakte im Adressbuch gestartet. Ein Vorteil als Netzbetreiber-Dienst ist, dass die Netzwerkgeschwindigkeit von Sender und Empfänger automatisch festgestellt wird, damit Videotelefonate oder Fotos und Videos in der bestmöglichen Qualität auf dem schnellsten Weg sicher übertragen werden“, sagt Ellenbeck. Die Telekom verweist auf die plattformübergreifende Kommunikation. „Kunden können – ähnlich wie bei der SMS – mit jedem Kontakt kommunizieren und sind nicht beschränkt auf Teilnehmer, die eine gemeinsame Anwendung installiert haben“, sagt Alexandra Hürter, Pressesprecherin der Telekom. Voraussetzung ist dafür aber der Zugang zu Joyn. Und dieser ist bisher schwierig. E-Plus- und O2-Kunden bleiben bisher außen vor und längst nicht alle Smartphones unterstützen den Dienst, nur wenige werden mit Joyn vorinstalliert ausgeliefert. Wer die App nachträglich herunterladen möchte, muss über ein Smartphone eines teilnehmenden Herstellers und mindestens über Android 2.3 oder iOS 4.3 verfügen. Angesichts dieser Barrieren wundern die schlechten Downloadzahlen nicht: Im Google Play Store erreicht die Joyn-App je nach Mobilfunkanbieter einige Hundert oder knapp über 1.000 Downloads, während beispielsweise WhatsApp über vier Millionen für sich verbuchen kann.
Vorteil beim Datenschutz
Den ganz großen Erfolg versprechen sich die Mobilfunkanbieter selbst nicht mehr von Joyn. Nach einer Studie von Tyntec, einem Unternehmen für mobilfunkbasierte Dialog-Dienste, glaubten nur noch sieben Prozent der befragten internationalen Mobilfunkanbieter an einen Erfolg. Telekomsprecherin Alexandra Hürter: „Joyn wird, anders als früher SMS, nicht der einzige Kommunikationsdienst der Kunden sein.“ Ein wichtiges Argument für Joyn wurde weder von der Telekom noch von Vodafone aufgeführt: Datenschutz. Adressbücher von Smartphones werden anders als bei Whats-App oder Skype nicht auf Server ausgelesen, sondern bleiben im Gerät.
Auch Prof. Gerpott sieht Joyn eher als Nischenprodukt. „Es wird SMS nicht ersetzen. Die wird es noch lange geben, weil viele Menschen daran gewöhnt und rund 65 Prozent der Bevölkerung in Deutschland noch nicht mobil im Internet unterwegs sind. Der Wandel braucht Zeit.“ Paul Henkel
Mobile Sicherheit, Ortung, Datenschutz: Mehr Wissenswertes zu Joyn und den Vorteilen und Gefahren mobiler Kommunikation unter creditreformmagazin.de/joyn