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Creditreform

Wenn Arbeitnehmer zu finanziell beteiligten Mitunternehmern werden, verspricht das einen Gewinn für alle Beteiligten: Eigenkapital für die Chefs, Motivation und Zinsen für die Mitarbeiter.

Genuss geht nicht immer durch den Magen. Er kann auch übers Konto laufen. Wie beim Batteriehersteller Hoppecke in Brilon, dem Familienunternehmen, das bereits 1973 Arbeitnehmerdarlehen einführte und seit 1984 seinen Mitarbeitern Genussrechte anbietet. Anlegen können die Beschäftigten eine fixe Summe fürs Jahr, dazu Sonderzahlungen oder Prämien aus dem Vorschlagswesen. Über 60 Prozent der Belegschaft machen mit, mehr als vier Millionen Euro Genussrechtskapital bringen dem Unternehmen Spielraum. Einmal jährlich können die Genussscheine gezeichnet werden. Ratenzahlung erleichtert es Mitarbeitern mit niedrigerem Entgelt zu investieren. Werner Beele, seit 1969 bei Hoppecke angestellt, hat die Entwicklung verfolgt und selbst vom Start weg investiert. Jetzt leitet er den gewählten Partnerschaftsausschuss, der die Interessen der Genussrechte-Inhaber gegenüber der Geschäftsleitung vertritt. „Da die Beschäftigten im Durchschnitt 17 Jahre bei Hoppecke arbeiten, kann ganz schön was zusammenkommen“, sagt er. „Das fließt bei dem einen Kollegen in den Hausbau und ist bei dem anderen Teil der Altersvorsorge.“ Rentner können ihre Genussrechte stehen lassen, neue Anteilsscheine aber dürfen nur aktive Mitarbeiter kaufen.

Geschenkt gibt es nichts

Mitunternehmertum birgt freilich auch Risiken: Mitte der 1990er Jahre wurden die Mitarbeiter erstmals an Verlusten beteiligt. Doch das rüttelte nicht an der Akzeptanz der finanziellen Beteiligung, bei der die Gewinne langfristig kontinuierlich nach oben gingen. Personalleiter Michael Hinz stellt vielmehr fest, dass sich das Beteiligungsmodell auch außerhalb von Hoppecke herumspricht: „Kandidaten fragen mich im Bewerbungsgespräch nach dem möglichen finanziellen Engagement.“ Ihnen kann er sagen, dass sie ein Jahr an einem deutschen Standort dabei sein müssen, um Hoppecke-Genussrechte kaufen zu dürfen. Denn Hoppecke beteiligt nur die Mitarbeiter an deutschen Standorten. Mitarbeiter in ausländischen Niederlassungen erhalten andere Incentives, die einfacher mit den dortigen Steuer- und Abgabengesetzen zu kombinieren sind. Denn die Investition der Arbeitnehmer ins Unternehmen der Chefs ist gesetzlich geregelt. Mit einem 360-Euro-Steuerfreibetrag pro Jahr unterstützt der Staat in Deutschland das Mitunternehmertum. Auf die Gewinne fallen Steuern und Sozialabgaben an. Das gilt für jeden Mitarbeiter, der sich an dem Modell beteiligt – ganz gleich wie viele Beschäftigte eine Firma zählt. Das Vorurteil, Mitarbeiterbeteiligung sei nur etwas für größere Unternehmen – Hoppecke beschäftigt immerhin knapp 2.000 Mitarbeiter –, widerlegt zum Beispiel der Berliner Gartenbauer Zschaber & Wiehe. 2016 startete Gesellschafter Niels Wiehe. Bis heute haben sieben von zwölf Mitarbeitern sowie drei Auszubildende die stille Beteiligung gezeichnet. 2017 wurden die Zinsen erstmals ausgezahlt. „Es geht uns darum, dass die Mitarbeiter beim Materialverbrauch und bei der Effizienz stärker mitdenken“, sagt Wiehe, der darauf drängt, dass auf den Baustellen sorgfältig und ökonomisch gearbeitet wird. „Eigenkapital haben wir genug.“ Der Kleinunternehmer, der das Grün in Wohnanlagen plant und verantwortet, nennt ein weiteres Motiv: „Wenn die Mitarbeiter am Kapital und Erfolg beteiligt werden, verstärkt das die Bindung zum Unternehmen. Das ist ein wichtiger Punkt, um gute Leute im Unternehmen zu halten.“ Die Gartenbau-Mitarbeiter stecken Überstunden und Boni in die stille Beteiligung – bis jetzt rund 50.000 Euro.

Ausschüttungen schmackhaft machen

„So wird das Instrument der Kapitalbeteiligung ein starkes Zeichen für partnerschaftliche Zusammenarbeit“, betont Heinrich Beyer. Der Geschäftsführer des Bundesverbands Mitarbeiterbeteiligung AGP hält das Modell in der digitalisierten Wirtschaft für ein Plus. „Bei der Arbeit 4.0 mit ihrer starken Fragmentierung ist der Beitrag des Einzelnen nicht immer sichtbar“, meint er. „Da zeigen die Ausschüttungen, dass gerade auch Mitarbeiter die Firma weiterbringen.“ Aktuell findet er in der Politik mehr Unterstützung. Während im Koalitionsvertrag der Bundesregierung sehr allgemein vereinbart wurde, neue Formen der Mitarbeiterbeteiligung zu prüfen, schlägt die Landesregierung Nordrhein-Westfalens nun vor, die steuerliche Freigrenze für Mitarbeiterbeteiligungen von derzeit 360 Euro jährlich auf einmalig 5.000 Euro zu setzen. Sie denkt dabei an Startups. Doch die AGP wirbt bei Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart schon um eine Lösung für alle Unternehmen. Der politische Prozess wird sich hinziehen, aber Hoppecke in Brilon hat derweil mit der Entgeltabrechnung im September die Gewinnbeteiligung 2018 ausgeschüttet.

Top-Talente erfolgreich binden

Thomas Sattelberger, früher Personalvorstand bei Continental und Telekom, setzt sich als Mitglied der FDP-Bundestagsfraktion für Vermögen in Arbeitnehmerhand ein. Drei Fragen an ihn.

Schon als Manager haben Sie sich für eine Beteiligungskultur in Unternehmen ausgesprochen. Was möchte der Politiker Sattelberger jetzt erreichen?
Die pekuniäre Beteiligung von Mitarbeitern in Deutschland fördern. Sie ist völlig unterrepräsentiert, obwohl Geld, Macht und Liebe hohe Bindungskräfte haben: Geld durch das Halten von Firmenanteilen, Macht durch Entwicklungsmöglichkeiten, Karriere und Status sowie schließlich Liebe, die sich in einer wertschätzenden Partizipationskultur zeigt.

Das klingt etwas idealistisch.
Ganz und gar nicht. Moderne Unternehmen stehen in Konkurrenz zu Startups mit ganz eigenen Teilhabe- und Mitmachmodellen. Dort ist die finanzielle Mitarbeiterbeteiligung ein Instrument, das mobile Top-Talente erfolgreich bindet. Es ist nicht einzusehen, dass es einen zwar noch ausbaufähigen gesetzlichen Anreiz für die private Altersvorsorge gibt, aber nur einen ganz kläglichen für die Mitarbeiterbeteiligung.

Wollen Sie eine Gesetzesreform anstoßen?
Ich will das Thema im nächsten Jahr aufgreifen. Die Mitarbeiterbeteiligung, immateriell und materiell gleichermaßen, ist eine niedrigschwellige Möglichkeit, finanziell-betriebswirtschaftliche Bildung, Mitarbeiterengagement und Talentbindung zu fördern. Es geht um mehr als nur geldgetriebene Loyalität, denn Menschen goutieren die Firmenkultur, die hinter der Beteiligung steckt.

Beratung gewinnen
Der Verein AGP setzt sich seit mehr als 65 Jahren für die Mitarbeiterbeteiligung ein. Nun bietet er Creditreform-Lesern eine eintägige Erstberatung vor Ort an. Drei Leser können je einen Termin mit einem AGP-Berater in ihrer Firma gewinnen. Mehr unter creditreform-magazin.de/gewinnspiele

Ein Trost für Unternehmer, die beim Gewinnspiel nicht zum Zuge kommen: Eine kürzere telefonische Beratung der AGP ist kostenlos.