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Creditreform

© Fanatic Studio/Getty Images

Die Volkswirte der großen deutschen Banken und Bankenverbände erwarten für das Jahr 2020 ein geringes Wirtschaftswachstum. Immerhin. Denn die gesamtwirtschaftliche Gemengelage zwischen Zinspolitik, Regulierung, Handelskrieg und Weltwirtschaftsflaute ist unübersichtlich wie nie zuvor.

 

Kein EZB-Chef war so umstritten wie Mario Draghi. Wird der 72-Jährige, der Ende Oktober sein Amt als Präsident der Europäischen Zentralbank an Christine Lagarde übergab, als Euro-Retter in Erinnerung bleiben?

Oder als Kapitalvernichter, der nach der Euro-Krise längst den Leitzins wieder hätte anheben müssen? Seit März 2016 steht dieser bei null Prozent. Sogar schon seit Mitte Juni 2014 müssen Geschäftsbanken Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der EZB parken.

„Die EZB hat durch unkonventionelle Maßnahmen maßgeblich zur Stabilität Europas und zum Erhalt des Euro beigetragen. Diese Verdienste dürfen nicht vergessen werden“, honoriert Dominik Lamminger, Mitglied der Geschäftsleitung des Bundesverbands Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB, die Arbeit Draghis.

Allerdings nicht, ohne einzuschränken: „Den Führungswechsel an der Spitze sollte die EZB nun für eine umfassende Bestandsaufnahme ihrer Geldpolitik nutzen.“

 

Was Negativzinsen bewirken

Die Intention des negativen Einlagenzinses war klar: Die Währungshüter wollten die Kreditvergabe und die Wirtschaft im Euro-Raum ankurbeln. Was in den vergangenen Jahren durchaus gelungen ist.

Doch auch die Belastungen, die die Minuszinsen in sich bergen, sind groß. Steigende Immobilien- und Mietpreise sowie Schwierigkeiten beim Vermögensaufbau belasten Verbraucher und Anleger. Die Banken wiederum leiden unter einer schwierigen Ertragslage im Kreditgeschäft.

Und die Unternehmen? Sie genießen auf der einen Seite eine komfortable Finanzierungssituation, „gepaart mit einer historisch niedrigen Ablehnungsquote“, sagt Michael Schwartz, Ökonom und Mittelstandsexperte bei KfW Research.

So konnten sie in den vergangenen Jahren ihre Eigenkapitalquote auf durchschnittlich mehr als 30 Prozent steigern. Ein gutes Polster – aber auch eins, das die Unternehmen im kommenden Jahr benötigen werden.

Zwar erwarten die Volkswirte durchweg ein leichtes Wirtschaftswachstum. „Falls die sich abzeichnenden Stabilisierungsanzeichen in der Weltwirtschaft kein Fehlsignal sind und es im globalen Handelskonflikt in der Tat zu einer leichten Entspannung kommt, könnte die deutsche Volkswirtschaft in 2020 um knapp ein Prozent wachsen“, rechnet etwa Deutsche-Bank-Chefökonom Stefan Schneider vor.

„Allerdings sieht die Zahl besser aus, als sie tatsächlich ist“, sagt Andreas Rees, Chefvolkswirt Deutschland bei Unicredit. „Eine höhere Anzahl an Arbeitstagen verzerrt das Wachstum nach oben. Faktisch dürfte sich die Volkswirtschaft nur im Kriechgang vorwärtsbewegen.“

 

Stagnation ist keine Krise

Vor allem die Exportaussichten bleiben unsicher, wenngleich Hoffnung besteht, dass der Abschwung im Verarbeitenden Gewerbe vorübergeht, die Effekte auf den Arbeitsmarkt begrenzt bleiben und somit eine ernsthafte Ansteckung des Dienstleistungssektors vermieden wird.

Dennoch: „Der Flirt mit der Stagnation wird weitergehen“, resümiert Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING-DiBa. „Ob nun mit etwas Wachstum oder als kleine technische Rezession, ist dabei fast egal.“

Fakt sei, dass die deutsche Konjunktur ohne nennenswerten Fiskalimpuls auf hohem Niveau stagniere. „Aber keine Panik“, fügt er hinzu. „Nach zehn Jahren mit fast ununterbrochenem Wachstum ist eine kurze Phase der Stagnation nicht schädlich“ – und bei weitem noch keine Krise.

 

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