Das Unternehmermagazin aus der Handelsblatt Media Group

Creditreform

Als Betriebsausgaben abzugsfähige Schuldzinsen liegen nach der ständigen Finanzrechtsprechung ausschließlich dann vor, wenn die Darlehensmittel tatsächlich für betriebliche Zwecke genutzt werden. Die steuerliche Berücksichtigung privat veranlasster Finanzierungskosten ist im Einkommensteuergesetz hingegen schon seit Jahren ausgeschlossen. So hat der Gesetzgeber zuletzt 1999 den Betriebsausgabenabzug aller durch „Überentnahmen“ des Unternehmers verursachten Schuldzinsen gestrichen (§ 4 Abs. 4a EStG). Um solche handelt es sich immer dann, wenn ein höherer Betrag als die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahrs für private Zwecke entnommen wird.

Betrieblich oder privat?

Mit der Berechnung nicht abzugsfähiger Schuldzinsen befasst sich das erst kürzlich aktualisierte Anwendungsschreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 17. November 2005 (Az.: IV B 2 – S 2144 – 50/05). Die bundeseinheitliche Verwaltungsvorschrift gibt den Finanzämtern ein zweistufiges Prüfschema vor, nach dem zunächst die betriebliche Veranlassung des Darlehens anhand des tatsächlichen Verwendungszwecks ermittelt werden muss. So verneint die Finanzverwaltung selbst bei getrennten Einnahme- und Ausgabekonten regelmäßig eine betriebliche Veranlassung, wenn im Betrieb nicht genügend Barmittel vorhanden waren und die Entnahme erst durch Darlehensmittel ermöglicht wurde. Pech haben auch Unternehmer, die nur ein einheitliches („gemischtes“) Kontokorrentkonto für den betrieblichen und privat veranlassten Zahlungsverkehr eingerichtet haben: Sie trifft die äußerst mühsame Verpflichtung, die abzugsfähigen Schuldzinsen anhand der komplizierten „Zinszahlenstaffelmethode“ zu berechnen – wenn denn eine Schätzung der abzugsfähigen Schuldzinsen durch das Finanzamt vermieden werden soll. Erst im zweiten Schritt erfolgt die Prüfung von Überentnahmen, zu denen auch Überführungen von Wirtschaftsgütern in das Privatvermögen anlässlich einer Betriebsaufgabe sowie in das Privatvermögen überführte Erlöse aus der Veräußerung eines Betriebs zählen. Bei der Berechnung der Überentnahmen sieht die Verwaltungsanweisung vom 17. November 2005 zwar eine Berücksichtigung von Verlusten vor. Da nach Sinn und Zweck der Abzugsbeschränkung die Überentnahme in einem Verlustjahr aber nicht höher sein kann als der Betrag, um den die Entnahmen die Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen (Entnahmenüberschuss), bleibt nur eine Verrechnung des erlittenen Verlusts mit Unterentnahmen vergangener und zukünftiger Wirtschaftsjahre. Dabei will die Finanzverwaltung einen Verlust stets vorrangig mit Unterentnahmen vergangener und zukünftiger Wirtschaftsjahre verrechnet wissen. Zwangsweise sollen Unterentnahmen des laufenden Wirtschaftsjahres primär mit nicht ausgeglichenen Verlusten des Vorjahres verrechnet werden, um im Gegenzug Unterentnahmen des Vorjahres mit nicht ausgeglichenen Verlusten des laufenden Jahres auszugleichen (siehe zweites Berechnungsbeispiel).

Schlussendlich werden die nicht als Betriebsausgaben abzugsfähigen Schuldzinsen pauschal mit sechs Prozent der Überentnahmen des Wirtschaftsjahrs dem Gewinn hinzugerechnet. Aus Vereinfachungsgründen gilt ebenfalls bereits seit 1999 eine Bagatellgrenze von 2.050 Euro – darunter unterbleibt jegliche Gewinnzurechnung. Dieser Sockelbetrag ist betriebsbezogen und steht auch Personengesellschaften nur einmal zu, vervielfältigt sich also nicht mit der Anzahl der Mitunternehmer. Die Aufteilung des Sockelbetrags auf die einzelnen Mitunternehmer erfolgt nach einem weiteren BMF-Schreiben zum betrieblichen Schuldzinsenabzug vom 7. Mai 2008 (Az.: IV B 2 – S 2144/07/0001) deshalb entsprechend ihrer Schuldzinsenquote.

Wer an mehreren Personengesellschaften beteiligt ist oder zusätzlich ein Einzelunternehmen betreibt, kommt so mehrfach in den Genuss des anteiligen oder gesamten Sockelbetrags. Darüber hinaus zählen Zinsen des Darlehens eines Gesellschafters an seine Gesellschaft zu den abzugsbeschränkten Schuldzinsen, sofern diese beim jeweiligen Gesellschafter ertragsteuerlich als gewerbliche Einkünfte erfasst werden – immerhin gleichen sich derartige Zinszahlungen im Rahmen ihrer Gesamtgewinnauswirkung aus (Betriebsausgaben im Gesamthandsvermögen und Betriebseinnahmen im Sonderbetriebsvermögen).

Schuldzinsen aus Investitionsdarlehen

Eine weitere wichtige Ausnahmeregelung greift bei Kreditkosten, die auf Investitionsdarlehen entfallen. So bleiben Darlehenszinsen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens in vollem Umfang abzugsfähig. Bis vor kurzem forderten die Finanzbehörden dazu jedoch regelmäßig eine Finanzierung über gesondert aufgenommene Darlehen. Sofern die Darlehensmittel vor Begleichung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten hingegen zunächst dem betrieblichen Kontokorrentkonto gutgeschrieben wurden, verlangten sie in jedem Fall den Nachweis eines engen zeitlichen und betragsmäßigen Zusammenhangs zwischen der Belastung auf dem Kontokorrentkonto und der Darlehensaufnahme. Dabei galt eine feste Frist: Zwischen Überweisung der Darlehensmittel auf das Kontokorrentkonto und der Abbuchung zur Bezahlung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten darf ein Zeitraum von 30 Tagen keinesfalls überschritten werden!

Dieser restriktiven Auslegung des Einkommensteuergesetzes seitens der Finanzbehörden hat der Bundesfinanzhof erst kürzlich widersprochen und sich dabei an der betrieblichen Praxis orientiert. Nach Auffassung des Gerichts entscheidet über die Frage, ob Schuldzinsen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten vorliegen, ausschließlich die tatsächliche Verwendung der Darlehensmittel. Erfreulicherweise haben sich die Finanzbehörden der unternehmerfreundlichen Rechtsprechung zeitnah angeschlossen und ihre alte Verwaltungsvorschrift vom 17. November 2005 entsprechend ergänzt. Das dazu ergangene BMF-Schreiben vom 18. Februar 2013 (Az.: IV C 6 – S 2144/07/10001) verzichtet ab sofort in allen noch offenen Fällen auf die Aufnahme eines gesonderten Darlehens. Den nach wie vor geforderten engen zeitlichen und betragsmäßigen Zusammenhang zwischen Belastung auf dem Kontokorrentkonto und Darlehensaufnahme sollen die Finanzämter innerhalb der 30-Tages-Frist „unwiderlegbar vermuten“. Selbst eine Fristüberschreitung kann vom Unternehmen nunmehr durch Nachweis des Finanzierungszusammenhangs geheilt werden.

Konsequenterweise dürfen die durch Investitionsmaßnahmen über ein Kontokorrentkonto verursachten Schuldzinsen unbeschränkt als Betriebsausgaben abgezogen werden. Alternativ zur Berechnung anhand der Zinszahlenstaffelmethode akzeptieren die Finanzbehörden dabei eine Schätzung des unbeschränkt abzugsfähigen Anteils. Doch Vorsicht: Mit Rückendeckung des Bundesfinanzhofs stellen sie klar, dass Darlehensmittel jedenfalls dann nicht zur Finanzierung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens verwendet werden, wenn deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten zuvor bereits abschließend finanziert waren und das überwiesene Darlehen lediglich das eingesetzte Eigenkapital wieder auffüllt.

Bernhard Lindgens

Beispiel 1 – Betriebliche Veranlassung:

Das Betriebsausgabenkonto weist einen Schuldsaldo von

100.000 Euro auf. Vom Guthaben des Betriebseinnahmenkontos in Höhe von 50.000 Euro entnimmt der Unternehmer zur privaten Verwendung einen Betrag von 40.000 Euro.

Da für die Entnahme genügend Barmittel bereitstehen, sind die auf das Betriebsausgabenkonto entfallenden Schuldzinsen in vollem Umfang betrieblich veranlasst.

Beispiel 2 – Verlustverrechnung:

Wegen eines Verlustes von 100.000 Euro wurden keine Entnahmen getätigt. Dem Betrieb wurden aber auch keine Einlagen zugeführt. Aus dem vorangegangenen Wirtschaftsjahr stammt eine Unterentnahme von 10.000 Euro.

Der Verlust bewirkt keine Überentnahme, wird jedoch mit der Unterentnahme des Vorjahres verrechnet. Zur Verrechnung mit künftigen Unterentnahmen verbleibt ein Verlustbetrag von 90.000 Euro. Dieser braucht lediglich formlos dokumentiert zu werden.

Beispiel 3 – Berechnung des Hinzurechnungsbetrags:

Die Überentnahme des Wirtschaftsjahres 2012 beträgt 10.000 Euro, an Schuldzinsen wurden 4.500 Euro gezahlt. Der Hinzurechnungsbetrag von pauschal 6 Prozent der Überentnahme von 10.000 Euro ist mit 600 Euro geringer als der Höchstbetrag der nicht abzugsfähigen Schuldzinsen von 2.450 Euro (die um den Kürzungsbetrag von 2.050 Euro geminderten tatsächlichen Schuldzinsen von 4.500 Euro). Folglich kommt es zu einer Gewinnerhöhung um 600 Euro.