Das Gros der Rechnungen empfangen und versenden Unternehmen immer noch ganz klassisch: auf Papier. Doch wer auf elektronische Formate umstellt, spart gleich dreifach: Geld, Zeit und Platz. Und im Idealfall wird sogar schneller gezahlt.
Seine Zahlen hat Klaus Wellmann im Blick. Klar, dass der Finanzchef der Tente-Rollen GmbH sofort weiß, wie viele Rechnungen seine Firma 2015 verschickt hat: 26.500 nämlich. Seit vier Jahren nutzen die Wermelskirchener die Vorteile der Digitalisierung: Jede fünfte Rechnung wird heute elektronisch erstellt und als PDF an die Kunden übermittelt. Zunehmend fragen auch Tentes größere Lieferanten an, ob sie von Papier auf Digital umstellen können.
Die Ersparnis bei den Ausgangsrechnungen hat Wellmann zwar noch nicht genau erfasst, aber er schätzt sie auf 50.000 Euro jährlich. Schließlich spare man Papier, Porto – und natürlich auch Arbeitszeit für die manuelle Bearbeitung. Der Aufwand für die Umstellung habe sich allemal gelohnt, findet Wellmann. So mussten zum Beispiel die korrekten E-Mail-Postfächer recherchiert und die Daten in das ERP-System eingepflegt werden. Peu à peu versucht Tente durch gezielte Kundenansprache, dem Ziel „100 Prozent“ näherzukommen. „Wir profitieren bei den Ausgangsrechnungen auch davon, dass immer mehr unserer Kunden das elektronische Format einfordern“, sagt Wellmann.
„Immer mehr Kunden fordern das elektronische Format ein.“ Klaus Wellmann, Tente-Rollen GmbH
Schon Mitte 2011 hat der Gesetzgeber den Umgang mit elektronischen Rechnungen erleichtert. Zuvor musste die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Rechnungsinhalts mit einer qualifizierten elektronischen Signatur und zusätzlich mit einer Anbieter-Akkreditierung nach dem Signaturgesetz nachgewiesen werden. Als Alternative sind jetzt „innerbetriebliche Kontrollverfahren“ zulässig, die einen „verlässlichen Prüfpfad“ zwischen der Rechnung und der Lieferung gewährleisten.
Die Vorteile dringen allerdings erst langsam ins Bewusstsein der Firmen: Nur gut jedes sechste Unternehmen (18 Prozent) erstellt heute seine Rechnungen elektronisch. Und erst sieben Prozent erhalten ihre Rechnungen ausschließlich auf diesem Wege, meldet der Digitalverband Bitkom. „Vor allem mittelständische Unternehmen stehen wegen der erforderlichen Investitionen in Prozesse und Software noch am Anfang beim Digitalisieren der Rechnungsverarbeitung“, beobachtet Jürgen Biffar, Geschäftsführer der Docuware GmbH.
Doch jetzt kommt Bewegung in das Thema. „Seit Anfang 2016 erhalten wir vermehrt Anfragen von Klienten, die sich mit der Umstellung beschäftigen“, sagt Rechtsanwalt Thomas Grünvogel von CMS Hasche Sigle. Habe bislang „große Unsicherheit“ geherrscht, ob und wie man von Papier auf Elektronik wechseln solle, erhöhten nun Berichte über den praktischen und finanziellen Nutzen die Motivation: „Viele Firmen möchten ihre Archive auflösen und per Digitalisierung Platz und Kosten sparen.“
Welche Übertragungswege infrage kommen
Will ein Unternehmen Rechnungen digital ausstellen, versenden und empfangen, kann es als Übertragungsweg E-Mail mit und ohne PDF- oder Textanhang, Computer-Fax, Fax-Server, Web-Download, De-Mail oder E-Post wählen. „Da auch der Empfänger elektronischer Rechnungen die einschlägigen Voraussetzungen erfüllen muss, hat dieser dem elektronischen Übermittlungsverfahren zuzustimmen. Die Geschäftspartner sollten deshalb vor der Umstellung entsprechend kontaktiert werden“, rät Grünvogel. Elektronische Rechnungen seien elektronisch aufzubewahren.
Gelingt die Umstellung, winken zahlreiche Vorteile: „Das zeitaufwendige Kuvertieren, Frankieren und Ablegen entfällt“, sagt Michael Olk von KPMG. Die Firma spare Papier und Archivierungsfläche. Zudem würden die Rechnungsdaten schneller übermittelt und könnten deshalb zügiger verarbeitet werden: „Die Praxis zeigt, dass oftmals schneller gezahlt wird, weil zum Beispiel die Frist für Skonto eher eingehalten werden kann.“
Der Nutzen von elektronischen Rechnungen steige noch deutlich, „wenn die Rechnungsaussteller standardisierte Formate verwenden, aus denen der Empfänger die relevanten Rechnungsdaten einfach extrahieren kann“, ergänzt Frank Früh vom Bitkom. 2014 sei deshalb vom Forum elektronische Rechnung Deutschland (FeRD) in Zusammenarbeit mit Verbänden, Ministerien und Unternehmen der ZUGFeRD-Standard für elektronische Rechnungen entwickelt worden. ZUGFeRD steht für Zentrale User Guideline Forum elektronische Rechnung Deutschland. Rechnungen gemäß diesem Standard stellen einen Hybrid aus einem PDF-Dokument mit eingebetteten XML-Dateien dar, mit deren Hilfe die Rechnungen automatisch weiterverarbeitet werden können. „Die entscheidende Erleichterung gegenüber dem bislang genutzten EDI-Datenaustauschverfahren für elektronische Rechnungen ist beim ZUGFeRD-Format ein Austausch von Rechnungen ohne vorherige Absprache der Partner über das Datenformat“, unterstreicht DocuWare-Chef Biffar. Da ZUGFeRD nur eine Erweiterung des PDF-Formats sei, könne jeder Empfänger die Rechnung auch wie eine ganz normale PDF-Datei behandeln.
Ganz so leicht scheint der Weg ins digitale Rechnungszeitalter nicht zu sein. KPMG-Experte Olk beobachtet immer wieder Verstöße – von kleinen Formfehlern bis hin zu signifikanten Regelwidrigkeiten, vor allem bei der ordnungsgemäßen Archivierung. „Wenn ein Unternehmen die elektronischen Belege nicht zur Verfügung stellen kann, verstößt es gegen das Datenzugriffsrecht der Finanzbehörde“, so Olk. Dann drohen Verzögerungsgelder bis zu 250.000 Euro oder gar Kürzungen des Vorsteuerabzugs. Im Vorfeld der Umstellung sei es deshalb wichtig, sich nicht nur über die Implementierung einer zur Unternehmensgröße passenden Software Gedanken zu machen, sondern sich auch intensiv mit den rechtlichen Vorgaben zu beschäftigen.
Nachweis- und Aufbewahrungspflichten
Was Unternehmer beachten müssen, verrät Frank Früh, Bereichsleiter Enterprise Content Management beim Digitalverband Bitkom:
Alle Rechnungen gleich behandeln. Egal ob in Papierform oder elektronisch: Rechnungen müssen die umsatzsteuerrechtlichen Vorgaben erfüllen – insbesondere die Kriterien Authentizität (Echtheit der Herkunft), Integrität (Unversehrtheit des Inhalts) und Lesbarkeit – und die gesetzlichen Pflichtangaben (§§ 14 Abs. 4, 14a UStG) enthalten.
Echtheit sicherstellen. Jeder Unternehmer muss einen „Prüfpfad“ zwischen Leistung und Rechnung festlegen, um darlegen zu können, dass etwa Art, Menge und Preis der Leistung stimmen.
Rechnung lesbar halten. Bei elektronischen Rechnungen müssen dafür geeignete Anzeigeprogramme eingesetzt werden (etwa ein passender Viewer für PDF-Formate), sodass klar erkennbar ist, ob es sich beispielsweise beim 30.04.2015 um ein Rechnungs-, ein Liefer- oder ein Fälligkeitsdatum handelt.
Zustimmung einholen. Der Empfänger muss mit der elektronischen Übermittlung einverstanden sein. Die Zustimmung kann aber auch durch eine so genannte stillschweigende Willenserklärung, also durch Bezahlung, erfolgen.
Technologieneutralität sicherstellen. Sowohl für das Format, in dem die Rechnung erstellt wird, als auch für den Weg, auf dem sie übermittelt wird, gelten Technologieneutralität und Wahlfreiheit.
Zehn Jahre lang aufbewahren. Elektronische Rechnungen müssen zehn Jahre lang als originär digitale Dokumente unverändert aufbewahrt werden. Der alleinige Papier-Ausdruck genügt nicht.
Signatur und EDI weiter akzeptieren. Auch die bislang vorgeschriebenen technischen Verfahren auf Basis der qualifizierten elektronischen Signatur und des EDI-Verfahrens sind weiterhin zulässig.