Immer mehr Firmen mit guter Bonität nutzen Schuldscheine zur Finanzierung. Welche Vorteile diese Alternative bietet und welche neuen Trends sich abzeichnen.
Ende November 2015 hatte die Körber AG mit Stammsitz in Hamburg 600 Millionen Euro von Versicherungen, Pensionskassen und Banken eingesammelt. Das Kapital will der 12.000 Mitarbeiter starke Technologiekonzern als strategische Reserve für weiteres Wachstum halten. Das Besondere daran: Die Finanzierung läuft über Schuldscheindarlehen mit einer Laufzeit von fünf, acht und zehn Jahren. Dabei handelt es sich um einen langfristigen Kredit, der jedoch nicht von der Hausbank, sondern von dritten Investoren gewährt wird. „Die große Nachfrage und die Akzeptanz der Anleger ist für uns ein hoher Vertrauensbeweis“, sagt Körber- Finanzvorstand Stephan Seifert.
Fast zeitgleich platzierte auch der Automobil- und Industriezulieferer Mann + Hummel GmbH ein Schuldscheindarlehen mit einem Volumen von 1,1 Milliarden Euro. Die Laufzeiten der insgesamt elf Tranchen variieren zwischen drei und zehn Jahren. Gezeichnet wurden sie zur Hälfte von inländischen Investoren, hauptsächlich von deutschen Finanzinstituten. Darüber hinaus engagierten sich Versicherungen und Pensionskassen sowie Banken aus Europa und aus Asien.
Schuldscheindarlehen derzeit enorm gefragt
Zwei brandaktuelle Beispiele, die jedoch einen Trend widerspiegeln: Der Markt für Schuldscheindarlehen (SSD) weist eine klare Tendenz nach oben auf. Nach aktuellen Schätzungen der IKB Deutsche Industriebank belief sich das gesamte Volumen im Jahr 2015 auf rund 16 Milliarden Euro – rund 20 Prozent mehr als noch 2014. Die Anzahl der Emittenten ist im gleichen Zeitraum ebenfalls gestiegen.
Die Gründe für den Boom liegen auf der Hand: Vor allem Geldinstitute, einige Versicherungen oder Pensionskassen suchen aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsen an den klassischen Anlagemärkten nach ertragreichen Alternativen. „Deren Liquidität ist enorm hoch“, erklärt Martin Keller, Leiter Product Management der Commerzbank AG. Den emittierenden Unternehmen dagegen bieten SSD die Chance, sich ein langfristiges Sicherheitspolster etwa für weiteres Wachstum oder Expansion durch Zukäufe anzulegen. „Die Einsatzmöglichkeiten reichen über die Ablösung bestehender Kreditverbindlichkeiten über das Halten einer Liquiditätsreserve bis hin zu großvolumigen Akquisitionen“, so Marc Müller, Managing Director im Investment Banking der Deutschen Bank. Und dies zu derzeit günstigen Konditionen: Denn „neben inländischen Banken spielen ausländische Geldinstitute und Versicherungen eine zunehmend wichtige Rolle als Investoren“, so Müller. Unterm Strich zeichnet sich damit eine dynamische Entwicklung zum Vorteil der Unternehmen ab.
SSD kommen für Unternehmen mit einem Kapitalbedarf ab zehn Millionen Euro, einem Umsatzvolumen von mindestens 200 Millionen Euro und einer guten Bonität infrage. Voraussetzungen für eine erfolgreiche Emission sind ein erstklassiger bis guter Leumund sowie eine hohe Reputation. Die Firma muss in ihrer Branche einen Namen haben, um die Aufmerksamkeit potenzieller Darlehensgeber zu wecken. SSD kommen für Unternehmen mit einer Bonität von einem Investment-Grade- bis hin zum oberen Sub-Investment-Grade infrage. „Liegt ein externes Rating vor, kommt das bei Investoren gut an“, sagt Tilo Kraus, Bereichsleiter Financial Markets der IKB Deutsche Industriebank. Zum Beispiel, wenn Firmen über die Creditreform Rating AG gut bewertet wurden.
Günstige Alternative zur Hausbank
Das kann sich in barer Münze auszahlen: Je transparenter das Unternehmen nach außen auftritt, je besser die Kapitalgeber ihre Risiken und Chancen einschätzen können, desto günstiger wird diese Finanzierung. SSD kosten tendenziell weniger als eine Kreditaufnahme bei der Hausbank. „Die Margen sind aufgrund des großen Angebots sicherlich unter Druck geraten und geben nach unten nach“, beobachtet Experte Keller. Dabei hängt der Preis von der jeweiligen Laufzeit und von der eigenen Bonität ab, wobei das Zinsniveau derzeit insgesamt extrem niedrig ist.
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