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Creditreform

Für den Vorsteuerabzug gelten auch in der Insolvenz strenge Regeln. Bei der oft als ungerecht empfundenen Insolvenzanfechtung haben die Finanzbehörden jetzt nachgelegt – allerdings nur in geringem Umfang. 

Drohen Forderungsausfälle, dürfen Unternehmer die in ihren Rechnungen ausgewiesenen Steuerbeträge korrigieren. Laut Umsatzsteuergesetz allerdings erst dann, wenn das vereinbarte Entgelt für ihre Leistung tatsächlich auf absehbare Zeit uneinbringlich ist.

Im Gegenzug muss der Leistungsempfänger seinen zuvor geltend gemachten Vorsteuerabzug entsprechend mindern (Paragraf 17 Absatz 2 Nummer 1 UStG). Dies allerdings schon dann, wenn zum Beispiel die Rechnung schon vor längerer Zeit bei ihm eingegangen ist und er absehen kann, dass er seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen wird oder kann. Übrigens: Gläubiger, die ihre gestellten Rechnungen berichtigen wollen, sind nach dem Umsatzsteuer-Anwendungserlass nicht dazu verpflichtet, ihre nachlässigen Schuldner darüber zu informieren. Allerdings dürfen sich die involvierten Finanzämter zu diesem Thema austauschen (Abschnitt 17.1 Absatz 5 UStAE).
Andere Regeln gelten dagegen im Insolvenzfall: Spätestens bei seiner Eröffnung gelten Forderungen als uneinbringlich. Eine möglicherweise realisierbare Insolvenzquote spielt keine Rolle. Wer also einen insolventen, säumigen Kunden hat, muss bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens also eine Korrektur des geschuldeten Umsatzsteuerbetrags vornehmen.

Auf den richtigen Zeitpunkt kommt es an

Uneinbringlich sind Forderungen bereits mit der Bestellung eines sogenannten starken vorläufigen Insolvenzverwalters, dem die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übertragen wurde. Dies legt die Verwaltungsanweisung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom Dezember 2011 fest (Az.: IV D 2 – S 7330/09/10001 :001). Gleiches gilt auch, wenn ein schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter vom Gericht eingesetzt wird. Und das, obwohl dieser nicht über das Vermögen des Schuldners verfügen und deswegen ohne Einzelermächtigung des Insolvenzgerichts keine Rechtsgeschäfte abschließen darf (BMF-Schreiben vom Mai 2015, Az.: IV A 3 – S 0550/10/10020-05).

Klar ist: Kann eine zunächst uneinbringlich gewordene Forderung vom Insolvenzverwalter später wider Erwarten doch noch eingetrieben werden, sind Umsatzsteuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen. Gleiches gilt im umgekehrten Fall, wenn Gläubiger schon längst aufgegebene Forderungen, die sie an einen insolventen Schuldner stellen, doch verbuchen können.

Urteile des obersten Finanzgerichts beachten

Zudem stellt der Bundesfinanzhof kürzlich in gleich zwei aktuellen Entscheidungen klar: Auftraggeber, die finanziell in Schief-
lage geraten sind, müssen ihre bereits erhaltenen Vorsteuererstattungen (erst) bei tatsächlicher Rückzahlung der Rechnungsbeträge durch die leistenden Unternehmer korrigieren (Urteile vom Dezember 2016, Az.: V R 26/16 und vom März 2017, Az.: XI R 5/16). Zugunsten der Finanzbehörden erhöht sich nach dem jüngsten Anwendungsschreiben des BMF vom Juli 2017 (Az.: III C 2 – S 7330/09/10001 :004) damit die als Masseverbindlichkeit festzusetzende Umsatzsteuerschuld. Den von einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung betroffenen Gläubigern bleibt hingegen nur ein kleines Trostpflaster: Mit Rückzahlung des Entgelts dürfen sie zumindest ihre längst überwiesene Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt berichtigen.

Insolvenzquote oder Masseverbindlichkeit?

In der Insolvenz ist für Gläubiger weniger der Zeitpunkt der Umsatzsteuerberichtigung entscheidend. Sie interessiert vielmehr die Frage, ob die Umsatzsteuerschulden des zahlungs­unfähigen Unternehmens zu den bevorzugten Masse­verbindlichkeiten zählen – und damit die Quote der anderen Gläubiger gemindert wird. In der Vergangenheit kam es bei Steuerforderungen des Fiskus grundsätzlich darauf an, ob die Umsätze erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht wurden und darauf entfallende Umsatzsteuerbeträge deshalb vom Insolvenzverwalter als Masseverbindlichkeit in voller Höhe aus der noch vorhandenen Insolvenzmasse befriedigt werden müssen. Wurde die Steuerforderung dagegen bereits vor Verfahrenseröffnung ausgelöst, blieb den Finanzämtern – wie anderen Gläubigern auch – nur die Anmeldung ihrer Ansprüche zur Insolvenztabelle übrig. Doch dies hat sich zwischenzeitlich zuungunsten der anderen Gläubiger geändert: Eine BFH-Entscheidung vom Dezember 2010 (Az.: V R 22/10) stellt sicher, dass – sofern die Masse ausreicht – Insolvenzverwalter auch bei der Sollbesteuerung nach vereinbarten Entgelten die komplette Umsatzsteuer aus den nachträglich von ihnen vereinnahmten Entgelten an das Finanzamt abführen müssen. Und zwar auch dann, wenn die umsatzsteuerpflichtigen Leistungen lange vor der Verfahrenseröffnung erbracht wurden.

Neue Unternehmerbescheinigung

Anfang Juni 2017 haben die Finanzbehörden erstmalig das Vordruckmuster einer bundeseinheitlichen Bescheinigung eingeführt, in dem deutsche Unternehmer in deutscher und englischer Sprache umsatzsteuerlich erfasst werden (BMF, Az.: III C 3 – S 7359/10/10002). Diese Formulare benötigen in Deutschland ansässige Unternehmer zur Bestätigung ihrer Unternehmereigenschaft, wenn sie Vorsteuerbeträge aus Drittstaaten verbuchen. Daneben stellt das zuständige Finanzamt künftig auf Antrag eine Bescheinigung zum Nachweis der umsatzsteuerlichen Erfassung aus, wenn diese für Zwecke der umsatzsteuerlichen Registrierung im Ausland benötigt wird. Die Bescheinigungen werden auch ausgestellt für Organgesellschaften mit einem im Inland ansässigen Organträger sowie für Organgesellschaften und Zweigniederlassungen im Inland, die zum Unternehmen eines im Ausland ansässigen Unternehmers gehören.