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Creditreform

GmbH-Gesellschafter, in deren Vertrag das Stuttgarter Verfahren gilt, erliegen im Falle des Ausscheidens möglicherweise schwerwiegenden, finanziellen Risiken.

Bundesweit gibt es rund eine Million Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Die Grundlage der Zusammenarbeit zwischen den Gesellschaftern regelt der Gesellschaftsvertrag. Die meisten Unternehmer schließen diesen Vertrag einmal ab und legen ihn zu den Akten. Dabei lohnt es sich, nochmal einen genauen Blick darauf zu werfen. Denn wissen Sie eigentlich, was genau passiert, wenn sich die Wege trennen, falls etwa ein Gesellschafter austritt oder ausgeschlossen wird? Häufig wird dann eine Abfindung fällig. Oft wird diese wegen einer entsprechenden Regelung im Gesellschaftsvertrag auf Basis des Stuttgarter Verfahrens errechnet. Das Stuttgarter Verfahren, das 2009 für steuerliche Bewertungszwecke offiziell abgeschafft wurde, ist heute nach wie vor Bestandteil vieler Gesellschaftsverträge. Und das hat für denjenigen, der austritt oder ausgeschlossen wird, finanzielle Nachteile: Die Abfindung kann sich um bis zu 45 Prozent reduzieren.

Doppelt schlechtes Geschäft möglich mit Stuttgarter Verfahren

Das Stuttgarter Verfahren schätzt lediglich den Unternehmenswert. Der tatsächliche Verkehrswert einer GmbH liegt in der Regel über diesem Schätzwert. Dadurch entsteht eine erhebliche Differenz, die von den Finanzämtern steuerlich geltend gemacht wird. Beispiel: Ein Gesellschafter wird gegen seinen Willen ausgeschlossen. Die Höhe seiner Abfindung wird, weil der Gesellschaftsvertrag nicht aktualisiert worden ist, geschätzt. Der tatsächliche Wert hat sich aber im Verlaufe der Jahre deutlich erhöht. Viele Finanzämter werten diese Differenz zwischen dem gesellschaftsvertraglichen Abfindungswert und dem Marktwert als Schenkung und erheben Schenkungssteuer.

Der Gesellschafter, der ausscheidet, hat ein doppelt schlechtes Geschäft gemacht: Zum einen, weil die Abfindung niedriger ausfällt, und zum anderen, weil er steuerlich belangt werden kann. Beispielrechnungen zeigen, dass sich der Abfindungsvertrag – unabhängig von der persönlichen Steuersituation – um fast die Hälfte reduzieren kann. Deswegen lohnt es sich, den Gesellschaftsvertrag zu prüfen. Wenn in diesem Vertrag eine Abfindungsklausel nach dem Stuttgarter Verfahren enthalten ist, empfehle ich, den Gesellschaftsvertrag schnellstmöglich zu ändern. So umgehen Sie jedes finanzielle Risiko, dass im Falle einer Abfindung nach dem Stuttgarter Verfahren entstehen kann.

Dr. Christian Löhr ist Fachanwalt bei Kümmerlein Rechtsanwälte & Notare