Mittelständische Unternehmer setzen bei Wachstumsfinanzierungen wieder stärker auf Beteiligungskapital. Wie Firmenchefs die Geldgeber überzeugen. Text: Eva Neuthinger
Bei der Hör Technologie GmbH im bayerischen Mitterteich stehen alle Zeichen auf Wachstum. Das Unternehmen mit 250 Mitarbeitern entwickelt und fertigt Komplettgetriebe und technisch anspruchsvolle Einzelteile wie zum Beispiel Nockenwellen, Exzenterwellen und Verzahnungsbauteile. Das Unternehmen investierte in den vergangenen Jahren in ein neues Verwaltungsgebäude und drei Produktionshallen. Bis 2020 sollen weitere 15 Millionen Euro in den zweiten Standort Weiden in der Oberpfalz fließen, verbunden mit 20 neuen Arbeitsplätzen. „Unsere Kunden sind die großen Namen der Automobilbranche“, erklärt Geschäftsführer Dietmar Wohlfart. Auch in der Luft- und Raumfahrt, der Energie- sowie der Medizintechnik kommen Ideen und Produkte aus Mitterteich zum Einsatz.
»Beteiligungsgesellschaften achten vor allem auf ein starkes Geschäftsmodell und daraus resultierend auf die entsprechende Wettbewerbsposition.«
Ulrike Hinrichs, BVK-Geschäftsführerin
Die Finanzierung stemmt das Unternehmen mit der Beteiligungsgesellschaft VR Equitypartner GmbH, einer Tochtergesellschaft der zur genossenschaftlichen Finanzgruppe gehörenden DZ Bank, sowie mit deren Co-Investor Bayern BG. Anlass für das Engagement war eine Unternehmensnachfolge. Die beiden Eigenkapitalfinanzierer kamen vor drei Jahren als Mehrheitsgesellschafter ins Boot. „Unsere Motivation für den Einstieg waren die guten Marktchancen des Unternehmens, die stark durch Asien getrieben sind. Wir haben gesehen, dass die Hochleistungstechnologie der Hör Technologie auch auf andere Bereiche übertragbar ist wie etwa den Maschinenbau oder die Medizintechnik“, erklärt Christian Futterlieb, Geschäftsführer bei VR Equitypartner. Seit dem Einstieg der beiden neuen Partner ist der Umsatz der Firma um rund 30 Prozent gestiegen. „Uns ist natürlich klar, dass sie irgendwann wieder aussteigen werden. Aber die Beteiligung sehen wir langfristig“, so Wohlfart.
Staat lockt mit Steuererleichterungen
Eine klassisches Modell: Gesellschaften steigen als Eigenkapitalgeber in Firmen ein, stehen dem Management beratend zur Seite und ziehen sich nach einigen Jahren wieder aus dem Unternehmen zurück. 2016 zeigten wieder deutlich mehr Firmen ein Interesse an einer solchen Finanzierung. Die Stimmung im Markt hat sich nach einer Umfrage des Bundesverbandes der Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) deutlich verbessert. „Dazu dürften einige der im dritten Quartal von der Bundesregierung getroffenen Entscheidungen beigetragen haben“, erläutert der Verband.
So wurden steuerliche Erleichterungen beschlossen – vor allem, um das Interesse von Business Angels an einem Einstieg bei innovativen jungen Firmen zu steigern. Beispielsweise erhalten Investoren im Programm „INVEST – Zuschuss für Wagniskapital“ seit Jahresanfang 20 Prozent ihrer Beteiligung von mindestens 10.000 Euro als Zuschuss vom Bund steuerfrei erstattet. „Die jüngsten Entscheidungen der Bundesregierung waren richtig und wichtig. Sie sind ein Signal an die Venture-Capital-Branche, dass man Wettbewerbsnachteile für Start-ups und ihre Investoren beseitigen will“, so Ulrike Hinrichs, geschäftsführendes BVK-Vorstandsmitglied. Laut aktueller BVK-Statistik erhielten von mehr als 1.000 in den Jahren 2015 und 2016 finanzierten Unternehmen 34 Prozent Kapital im Rahmen einer Expansionsfinanzierung oder sonstigen Minderheitsbeteiligung. 58 Prozent profitierten von einer Gründungsfinanzierung mit Venture Capital und bei acht Prozent wurde die Mehrheit übernommen (siehe Grafik).
Ulrike Hinrichs erklärt, worauf es den Kapitalgebern dabei ankommt: „Beteiligungsgesellschaften achten vor allem auf ein starkes Geschäftsmodell und daraus resultierend auf die entsprechende Wettbewerbsposition.“ Im Mittelstand engagieren sie sich insbesondere bei den Hidden Champions, also den Weltmarktführern bei Nischenprodukten, die mit einer Umsatzgröße von mehr als 50 Millionen Euro aufwarten können. Das Unternehmen sollte das Potenzial haben, intern oder auch durch Zukäufe überdurchschnittlich zu wachsen. „Investoren legen auch großen Wert darauf, dass die erste Führungsriege überzeugend gegenüber den Kapitalgebern auftritt“, kommentiert Hinrichs. Nach einer Studie der mittelständischen Unternehmensberatung Otto Küsters & Company (OKC) sowie der AFC Management Consulting in Kooperation mit dem BVK zählen die Branchenerfahrung, die Unternehmerpersönlichkeit und nicht zuletzt die kaufmännische und technische Kompetenz.
Hilfreich: Know-how und Netzwerk des Investors
Unternehmer Dietmar Wohlfart erfüllte diese Voraussetzungen. Das Geschäftsmodell, die Jahresabschlüsse, die Gewinn- und Verlustrechnungen sowie die einzelnen Kennzahlen waren aus Sicht der Investoren sehr erfolgversprechend. Das galt auch für die Ziele und die geplanten Projekte der nächsten Jahre. Denn bei allen Beteiligungen geht es darum, mit Unterstützung der Investoren anspruchsvolle, kapitalintensive Investitions- und Wachstumsvorhaben umzusetzen und damit den Wert der Firma nachhaltig zu steigern. „Unternehmen nutzen eben nicht nur unser Kapital, sondern schätzen auch unser Knowhow und das breite Netzwerk, das wir ihnen zur Verfügung stellen“, sagt Futterlieb. Beispielsweise unterstützt VR Equitypartner die von ihr finanzierten Unternehmen auch bei der richtigen strategischen Ausrichtung, der Optimierung von Prozessen, der Vertriebssteuerung sowie nicht zuletzt bei der Suche nach geeigneten Nachfolgern.
So ist das üblich. Die Beteiligungsgesellschaften erhalten dafür aber auch wesentliche Mitspracherechte bei strategischen Entscheidungen. Inwieweit sie sich ins operative Geschäft einmischen, hängt vom jeweiligen Partner ab. Ein guter Grund, warum der Unternehmer kritisch prüfen sollte, wen er sich ins Haus holt. Zum anderen zählen harte Faktoren wie zum Beispiel die finanzielle Position der Kapitalgeber und nicht zuletzt deren strategische Positionierung. Unternehmer Dietmar Wohlfart etwa entschied sich für VR Equitypartner, „weil wir damit einen Partner mit Erfahrungen in unserer Branche haben, der auch mit unserer Region verbunden ist“.
Passende Partner
Tipps für die Auswahl einer Beteiligungsgesellschaft:
Auswahl. Unternehmer können sich an eine Beteiligungsgesellschaft wenden, die beispielsweise eng mit der eigenen Hausbank in Verbindung steht. Ebenso kommen die Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften (MBG) oder sogar Business Angels bei Gründern infrage. Adressen und Ansprechpartner finden Unternehmer über den Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK). Pauschale Rundschreiben bringen allerdings erfahrungsgemäß wenig. Recherchen für eine Vorauswahl sind empfehlenswert.
Vorbereitung. Jeder Antrag sollte sorgfältig vorbereitet werden. Aktuelle betriebswirtschaftliche Zahlen, eine Erläuterung der Strategie sowie ein Lebenslauf des Unternehmers sind obligatorisch. Ebenso erwarten die Gesellschaften eine realistische Planung. Und: Sie führen immer ein persönliches Gespräch.
Motiv. Die Beteiligung ist kein Mittel, um reine Sanierungen zu stemmen. Anlass sind in der Regel Expansionsvorhaben, die Einführung neuer Produkte, Nachfolge oder Gründung.