Rund 50 Positionen – vom Büromaterial über Verpackungen bis hin zum Fuhrpark – umfasst die Liste der „Vertriebs-, Verwaltungs- und sonstigen Ausgaben“ eines Unternehmens. Sie verzehren bis zu 25 Prozent des Umsatzes! Dieser Bereich findet zwar zunehmend Beachtung, aber oft mangelt es an Effizienz und Kapazitäten. Traditionell stehen die Produktionsmittel und Rohstoffe im Mittelpunkt der Beschaffung; für sie wird schließlich das meiste Geld ausgegeben. Folglich werden hier auch die größten Kostensenkungspotenziale gesehen.
Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch ein anderes Bild. Auch bei den extern eingekauften Nicht-Produktionsmaterialen und Dienstleistungen sind Einsparungen in beträchtlicher Größenordnung möglich. Diese liegen laut verschiedenen branchenübergreifenden Studien im Durchschnitt bei 20 Prozent, in der Spitze sogar bei 40 Prozent.
Nicht mit „Preisdrückerei“ verwechseln!
Einkaufsoptimierung hat allerdings nichts mit Preisdrückerei zu tun. Es handelt sich um eine strategische Aufgabe. Erster und entscheidender Schritt ist die Herstellung von Transparenz in dem oft unüberschaubaren Dickicht der Warengruppen und Lieferbeziehungen. Dadurch lassen sich ungünstige Einkaufsstrukturen erkennen und gezielt verändern.
Ein wichtiger Erfolgsfaktor bei der Einkaufsoptimierung ist der Abbau von Komplexität. Erfolgreiche Unternehmen haben zum Beispiel eine geringere Anzahl an Lieferanten und beziehen weniger Artikel als der Durchschnitt. Es werden deutlich weniger, dafür aber qualifiziertere Ausschreibungen durchgeführt und die Bedarfe intensiver auf wenige Schlüssellieferanten gebündelt. Die praktische Umsetzung bedarf einer Vielzahl an konzeptionellen und organisatorischen Schritten.
Vielen Einkaufsabteilungen fehlt für eine strategische Einkaufsoptimierung in den Bereichen Nicht-Produktionsmaterial und Dienstleistungen jedoch das notwendige Know-how. Während sie sich im Kerngeschäft ihrer jeweiligen Branchen mit Rohstoffen und Halbzeugen natürlich bestens auskennen, hatten sie bis dato keine Möglichkeit, sich fachspezifisches Wissen über Marketing, Zeitarbeit, Logistik, Bürogeräte, Dienstreise, Arbeitskleidung oder Energie anzueignen. Dies rührt nicht zuletzt daher, dass diese Beschaffungsfelder noch vor gar nicht allzu langer Zeit von den Fachabteilungen wahrgenommen und nicht als Aufgabe des zentralen strategischen Einkaufs erkannt worden sind.
Unternehmen, die ihre Einkaufsorganisation schnell und effizient verbessern wollen, können spezialisierte Beratungsunternehmen mit dieser Aufgabe betrauen. Ein professioneller Optimierungsprozess vollzieht sich in mehreren Schritten.
Wie viel wovon brauchen Sie wirklich?
Zunächst müssen die aktuellen Mengen und Konditionen sorgfältig erfasst werden – keine ganz leichte Aufgabe! Oft weicht der Bedarf unterschiedlicher Stellen und Dokumentationssysteme voneinander ab. Solche Unstimmigkeiten müssen dann geklärt werden.
Beim Benchmarkvergleich wird ermittelt, ob, inwieweit und in welchen Bereichen die Einkaufsperformance einer Firma von Branchen-Best-Marks abweicht, oder wie groß das Potential bei endverhandelten Preisen überhaupt ist. Qualifizierte und langjährige erfahrene Beratungen kennen diese Vergleichszahlen sowohl aus einer Vielzahl an Beratungsmandaten in den verschiedensten Branchen als auch durch eine kontinuierliche Marktbeobachtung.
Im nächsten Schritt geht eine sorgfältige Analyse den Abweichungen von anderen Unternehmen auf den Grund. Grundsätzlich gibt es drei mögliche Ursachen für einen zu teuren Einkauf: Einzelne Lieferanten sind aufgrund ihrer Monopolstellung zu teuer; bisherige Ausschreibungen haben unpräzise Leistungsbeschreibungen oder ungünstige Losgrößen oder die Einkaufsprozesse selbst und deren Kontrolle sind ineffizient organisiert und verursachen unnötige Mehrkosten.
Anhand der Benchmarks und der im Unternehmen ermittelten Defizite werden in der Einkaufskonzeption die wirtschaftlichen Ziele der Optimierung und die notwendigen Arbeitsschritte festgelegt: von der Datenaufnahme bis hin zur Ausschreibung und Auftragsvergabe einschließlich eines wirksamen Projektcontrollings.
Drei Beispiele aus der Praxis
Drei Beispiele aus unterschiedlichen Bereichen der Einkaufspraxis verdeutlichen in kurzen Stichworten den Effekt einer systematischen Vorgehensweise beim Einkauf von Nicht-Produktionsmaterial und Dienstleistungen.
1) Ersatz von rund 200 dezentralen Druckern, Kopierern und Faxgeräten durch Multifunktionsgeräte und Netzwerkdrucker mit Zugriffsberechtigung (Farb- oder S/W-Druck) sowie Einrichtung einer zentralen Kostenerfassung. Einsparung: 17.000 € p. a. Zusätzliche Prozessoptimierung durch vereinfachte Administration und Übernahme des Störungsdienstes durch den Lieferanten.
2) Neustrukturierung des internationalen Kurier-, Express- und Paketversandes, unter anderem durch Ausdifferenzierung der Leistungsprofile nach Versandarten; auf dieser Grundlage Nachverhandlungen mit den bisherigen Dienstleistern und Einschaltung eines neuen Lieferanten. Einsparung: 185.000 € p. a. Zusätzliche Prozessoptimierung durch verkürzte Wege aufgrund des dichteren Netzes der Einlieferstellen.
3) Neuausschreibung von Arbeitsschutzartikeln mit Reduzierung von 4 auf 2 Hauptlieferanten. Wechsel auf höherwertige Artikel mit längeren Standzeiten. Einsparungen allein durch Alternativprodukte: 25 %. Einsparungen insgesamt: 18.000 € p. a. Zusätzliche Prozessoptimierung: einfache Bestellung und Abrechnung über Einkaufsplattform.
Sie sehen: Unternehmen, die ihre Einsparpotenziale bei Nicht-Produktionsmaterial und Dienstleistungen konsequent ausschöpfen, erhöhen dadurch spürbar ihre Renditen. Das wird an folgendem Rechenbeispiel deutlich: Nettoumsatz – gleichbleibend – 5 Mio. Euro, Betriebsergebnis 4 Prozent, Gemeinkosten 500 Tsd. Euro. Eine Reduzierung von nur 5 Prozent verbessert das Ergebnis um 25 Tsd. Euro auf 4,5 Prozent. Das Renditeplus beträgt 12,5 Prozent.
Das intelligent einkaufende Unternehmen profitiert sogar in „doppelter“ Hinsicht: Es erhöht seinen Gewinn, ohne dafür Personal abbauen zu müssen oder Qualitätseinbußen, etwa bei A- und B-Teilen, zu riskieren.
Hans Becker ist Geschäftsführer des Einkaufberatungsunternehmens Hans Becker GmbH.