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Creditreform

© Stuart Kinlough/Getty Images

Großes Interesse aufseiten der Kapitalgeber, starke Nachfrage des Mittelstands: Private-Equity-Gesellschaften haben ihr Heuschrecken-Image abgelegt. Der Markt boomt. Wie Firmenchefs den potenziell besten Investor finden.

 

Kurz nach der Lehman-Pleite schlitterte Armin Pohl mit seiner Firma Mackevision Medien Design mit Sitz in Stuttgart knapp an der Insolvenz vorbei. Die Gesellschaft ist auf 3D-Visualisierungen, Animationen und visuelle Effekte in High-End-Qualität für Bilder, Filme und interaktive Anwendungen spezialisiert.

„Das Unternehmen hatte ich gerade übernommen, als sich unsere Marktsituation infolge der großen Wirtschaftskrise extrem verschlechterte“, erklärt Pohl. Inzwischen hat sich viel gedreht. Im vergangenen Jahr verkaufte der Grafik-Designer alle seine Anteile an einen Großinvestor.

„Wir suchten gezielt nach einem passenden Übernehmer“, so Pohl. Mackevision gehört jetzt zu 100 Prozent zum Accenture-Konzern, einem der weltgrößten Technologie-Dienstleister. „Seit einem guten Jahr bin ich nur noch als CEO ohne Beteiligung involviert“, so Pohl.

 

Mit Kunden mitwachsen

Das kam so: In den vorangegangenen drei Jahren verdreifachte sich der Umsatz von 20 auf 60 Millionen Euro. Diesen großen Erfolg erzielte Pohl mit Unterstützung der Investmentgesellschaft Gimv. Die Investoren stiegen 2014 ein – in einer Zeit, als Mackevision die Krise gerade überwunden hatte. Gimv wurde Mehrheitsgesellschafter.

„Das Unternehmen musste mit bestehenden Kunden mitwachsen und sich global aufstellen. Wir konnten also nicht nur finanzielle Mittel in eine interessante Situation investieren, sondern auch unsere gesamte Erfahrung einbringen“, sagt Sven Oleownik, verantwortlich für den deutschen Markt bei Gimv. „Hier gefiel uns, dass der Unternehmer auch einen Sparringspartner suchte, mit dem er eng zusammenarbeiten wollte.“

Gemeinsam erweiterten sie das Produktportfolio, den Kundenstamm und eröffneten beispielsweise Tochtergesellschaften in Asien. Das Konzept ging auf.

„Wir waren erfolgreicher als geplant. Deshalb verkauften wir unsere Anteile bereits nach drei Jahren wieder“, sagt Pohl. Den Schritt bereut er nicht. „Die Zusammenarbeit mit den neuen Eigentümern gestaltet sich genauso produktiv wie mit dem früheren Investor Gimv“, sagt er. Außerdem schläft der CEO ruhiger, weil er das bisher recht hohe finanzielle Risiko nicht mehr mitträgt.

Pohl achtete allerdings sehr genau darauf, wen er als Partner ins Boot holte: „Ich führte während der Jahre mit mehreren Gesellschaften Gespräche. Viele Investoren verstanden unsere Unternehmensstruktur nicht. Das passte dann nicht. Sicherlich ließ sich auch bei einigen sehr schnell erkennen, dass sie nur an kurzfristiger Rendite interessiert waren.“

Momentan stehen die Chancen für Mittelständler wie Armin Pohl besonders gut, einen passenden Partner mit Beteiligungskapital zu finden. „Die Branche sitzt weltweit auf nicht investierten Mitteln in Rekordhöhe und steht einmal mehr vor der Aufgabe, sich neu zu erfinden“, erklärt Steve Roberts, Private-Equity-Experte der Unternehmensberatungsgesellschaft PwC.

 

Der Markt ist im Aufschwung

Entsprechend engagiert zeigen sich die Beteiligungsgesellschaften. „Im Jahr 2018 investierten sie in Deutschland insgesamt 9,6 Milliarden Euro. Nach dem Rekordjahr 2017 hat der Markt damit erneut seine Stärke bewiesen“, sagt Dr. Christian Stoffel, Sprecher des Vorstands des Bundesverbands Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK).

Gegenüber dem Vorjahr bedeutet dies zwar einen Rückgang um 18 Prozent – allerdings ausgehend von einem extrem hohen Niveau. Gut 1.200 Unternehmen erhielten nach Angaben des Verbands Beteiligungskapital. „Wir sehen einen Trend, vor allem Wachstumsfinanzierungen sowie Nachfolgelösungen mit Private Equity zu finanzieren“, sagt Jürgen von Wendorff, Vorstandsmitglied der Beteiligungsgesellschaft Hannover Finanz Gruppe sowie Vorstandsmitglied des BVK.

Dabei haben sich die Laufzeiten der Finanzierungen tendenziell von früher rund sechs bis sieben Jahren auf nunmehr zehn bis zwölf Jahre verlängert. „Die Unternehmen wollen in unsicheren Zeiten größtmögliche Sicherheit bei der Kapitalbeschaffung“, kommentiert von Wendorff.

 

Investition in moderne Techniken

Das war auch ein Grund, warum sich Thomas Hübner, Geschäftsführer der C. Hübner GmbH in Marktoberdorf, Ende vergangenen Jahres für den Einstieg der Patrimonium Private Equity entschied. Hintergrund: Das Unternehmen ist im Werkzeugbau, im Kunststoffspritzguss sowie in der Kunststoffgalvanik aktiv und investierte mehr als zehn Millionen Euro in moderne Technologien sowie in einen neuen Firmenkomplex.

Das geht nicht ohne zusätzliches Kapital. Patrimonium verwaltet im Auftrag von institutionellen und privaten Investoren insgesamt rund drei Milliarden Schweizer Franken. Jetzt hält sie die Mehrheit an dem Kunststoffspezialisten. Thomas Hübner leitet die Firma weiterhin als Geschäftsführer, er bleibt finanziell beteiligt.

„Wir wollen auch künftig investieren und innovative Produktlösungen an­bieten. Wir haben das Ziel, unseren Marktanteil mittelfristig zu vergrößern. Dafür brauchen wir das erhöhte Eigenkapital“, sagt Hübner. Der Diplom-Ingenieur hat den Beteiligungspartner aktiv gesucht. „Im ersten Schritt erstellten wir ein Dossier über die Firma, um uns möglichen Investoren vorzustellen“, erklärt er.

Mit fünf potenziellen Geldgebern kam er ins Gespräch. „Wir gaben Patrimonium aufgrund der großen industriellen Erfahrung der Gruppe den Zuschlag. Uns war es aber auch wichtig, dass der Investor mit unserer Unternehmenskultur konform geht. Wir wollten einen Partner, der uns nach vorne bringt“, sagt der Firmenchef. Im Turnus von rund zwei Monaten treffen sich die Beteiligten zu Beiratssitzungen, um die Entwicklung sowie die strategische Marschrichtung zu diskutieren.

 

Strategische Partner

So oder ähnlich gestaltet sich die Zusammenarbeit häufig. Der Unternehmer bleibt oft in der Geschäftsführung. Der Investor engagiert sich als strategischer Partner, der neben seinem Kapital auch Know-how einbringt.

„Wir erwarten ein professionelles Management in der ersten und zweiten Führungsriege“, erklärt von Wendorff. Darüber hinaus sind Offenheit in der Kommunikation sowie Transparenz gefragt. „Wir investieren nicht in Unternehmen, die Compliance-Vorgaben verletzen. Unsere Kapitalgeber erwarten, dass ihre Regeln eingehalten werden. Wir überprüfen das, bevor wir uns engagieren.“

„Mittelständler, die für einen Investor interessant sein wollen, sollten ihr nachhaltiges Engagement entsprechend dokumentieren“

Steve Roberts, PwC

So achten beispielsweise drei von vier Private-Equity-Managern bei ihren Investments auf ökologische und soziale Unternehmensführung. Das ist das Ergebnis der PwC-Studie „Private Equity Responsible Investment Survey“. 89 Prozent der Beteiligungsgesellschaften gaben an, dass eine „ethische Geschäftspolitik“ für ihre Investitionsentscheidungen wichtig ist, gefolgt von einer „klaren Haltung gegen Korruption“ (87 Prozent) und „Arbeitsschutz und Gesundheit“ (83 Prozent).

Soziale und ökologische Aspekte, davon gehen die Investoren aus, müssen Renditeziele nicht ausschließen. „Mittelständler, die für einen Investor interessant sein wollen, sollten ihr nachhaltiges Engagement entsprechend dokumentieren“, rät Steve Roberts von PwC.

Genauso wie die aktuellen Zahlen: „Die Beteiligungshäuser setzen ein professionelles Controlling längst voraus. Am besten fixieren Unternehmer ihre Interpretationen schriftlich, um ihren Investoren später die Daten und Fakten ausführlich erläutern zu können – und zwar rückblickend für mehrere Jahre“, so Roberts weiter.

Als Vorbereitung für einen Deal rät er, einen erfahrenen Experten ins Boot zu holen – nicht nur den Steuerberater. „Ein M&A-Berater beispielsweise arbeitet in der Regel mit einem Netzwerk zusammen, um den passenden Partner zu finden“, erklärt der Private-Equity-Experte.

 

Netzwerken ist das A und O

Von guten Kontakten profitierte auch Stefan Schlutius. Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler ist Geschäftsführer der Firma ABL Sursum Bayerische Elektrozubehör GmbH & Co. KG in Lauf. Das Familienunternehmen zählt zu den führenden Herstellern von Ladeinfrastruktur. Gemeinsam mit dem Partner N-Ergie gewann es den Company Builder Mantro GmbH für eine Neuproduktentwicklung im Bereich der E-Mobilität.

Die drei Firmen gründeten zusammen ein viertes Unternehmen, um die Innovation zur Marktreife zu bringen. Alle drei sind am Startup beteiligt. „Wir brauchten das Know-how von Mantro als Softwarehaus und als Company Builder“, sagt Stefan Schlutius.

Das Ziel dieser speziellen Form der Beteiligung ist es, die Marktposition der Firma mittels einer Neugründung zu stärken und Schnelligkeit in die Entwicklung zu bringen. „Wir wollen mit einem überschaubaren Kapitaleinsatz zukunftsfähige Produkte entwickeln. Der Zeitkorridor beträgt hier in der Regel rund 1,5 Jahre“, sagt Manfred Tropper, Geschäftsführer von Mantro.

Seit rund 15 Jahren unterstützt er Mittelständler bei der Digitalisierung. Zielgruppe sind Firmen mit einem Jahresumsatz ab rund 70 Millionen Euro. „Wir sind an Unternehmen interessiert, die ein ähnliches Wertekonstrukt haben wie wir selbst, und streben eine langfristige Partnerschaft an. Wir bleiben an den von uns mitgegründeten Firmen beteiligt, wenngleich sich die Anteilsverhältnisse später ändern können“, sagt Tropper.

Geteilte Werte waren auch für Armin Pohl ein wichtiger Aspekt bei der Auswahl seiner Partner. „Wir haben eine besondere Unternehmenskultur. Bei uns arbeiten kreative Köpfe, die Höchstleistungen bringen, wenn sie sich entfalten können. Andernfalls wenden sie sich ab und gehen“, sagt Pohl. Seine Investoren, sowohl bei Gimv als auch bei Accenture, haben das verstanden.

 

Beteiligungsformen: Was macht den Unterschied?

Bei der Auswahl des Investors kommt es darauf an, dass beide Partner die gleiche Strategie verfolgen. Wie sich die Zielrichtungen der Geldgeber unterscheiden:

 

Private Equity: Die Gesellschaften steigen als Minderheits- oder als Mehrheitsgesellschafter ein. Sie kaufen je nach Modell Anteile an der Firma – sogenannte Buy-outs. Sie interessieren sich beispielsweise für Familienunternehmen, die mit innovativen Lösungen weltweite Standards setzen. Die Investoren wollen eine Rendite von teilweise 20 Prozent pro Jahr erzielen. Nach einigen Jahren scheiden sie in der Regel aus dem Investment wieder aus.

 

Business Angel: Die privaten Einzelinvestoren steigen oft bei Gründern ein. Sie investieren zwischen 50.000 Euro bis zu etwa einer Million Euro risikotragendes Kapital. Sie prüfen in erster Linie die Entwicklungs- und Wachstumsperspektiven der Firma und wollen langfristig am Wertzuwachs partizipieren. Sie werden Teilhaber mit Minderheitsanteilen.

 

Company Builder: Sie engagieren sich in Form von Beteiligungen an einer neuen Firma mit dem Ziel, gemeinsam mit einem oder mehreren Partnern ein erfolgreiches Unternehmen zu gründen. Sie agieren proaktiv sowohl in der Akquise als auch in der Realisation. Sie treiben das Projekt voran.

 

Mittelstandsholding: Sie vereint mehrere Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größen unter einem Dach und investiert mit langfristiger Perspektive. Mittelstandsholdings steigen als Minderheits- oder als Mehrheitsgesellschafter ein. Interessiert sind auch sie an wachstumsstarken Firmen, die beispielsweise in Nischenmärkten unterwegs sind.