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Creditreform
Bankgespräch

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Viele Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten infolge der Corona-Krise konnten bisher einen Insolvenzantrag vermeiden. Für 2021 befürchten Experten allerdings eine Pleitewelle, die auch die Banken belasten wird. Welche Rolle die Institute als eine der größten Gläubigergruppen spielen.

 

Die Zahlen sind bemerkenswert: Ausgerechnet im Jahr 2020 zählte die Creditreform Wirtschaftsforschung nur 16.300 Unternehmensinsolvenzen in Deutschland. Das ist der niedrigste Stand seit der Einführung der Insolvenzordnung (InsO) im Jahr 1999.

Diese Momentaufnahme im Jahr der Corona-Krise spiegelt allerdings nicht die wahre Verfassung der Unternehmen wider. Sie ist vielmehr das Ergebnis der Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung.

Unter anderem sind derzeit nur zahlungsunfähige Unternehmen verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen. Überschuldete Unternehmen, die wegen der Corona-Krise in Bedrängnis geraten sind, sind – nach einer Verlängerung der Sonderregelung – bis Ende Januar 2021 von der Insolvenzantragspflicht ausgenommen.

In der Praxis gibt es allerdings wenige Insolvenzfälle, die auf Überschuldung zurückzuführen sind. Der übliche Grund ist die Zahlungsunfähigkeit. Entsprechend prognostiziert die Creditreform Wirtschaftsforschung im jüngsten Insolvenzbericht, dass die Zahl der Insolvenz­anträge 2021 sukzessive steigen wird.

Diese Einschätzung teilt Andreas Bley, Chefvolkswirt des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR): „Wir rechnen derzeit für 2021 gegenüber dem Vorjahr mit einer um 20 bis 30 Prozent höheren Insolvenzzahl.“ Er verweist allerdings auf eine Aussage der Bundesbank aus ihrem jüngsten Finanzstabilitätsbericht, dass dies für die deutschen Banken vertretbar sein dürfte.

Zugleich bedroht die Corona-Krise sehr wohl die Existenz vieler Unternehmen. Auf die Banken kämen mehrere Wellen von Kreditausfällen zu, warnte auch Felix Hufeld, Chef der Finanzaufsicht Bafin, Anfang Dezember in einem Interview mit dem Handelsblatt.

Die erste könne es schon Anfang 2021 geben, so Hufeld. Weil die Banken dickere Kapitalpolster haben als vor der Finanzkrise 2008, sei das Finanzsystem als Ganzes allerdings robust.

„Die Banken haben sich schon seit Beginn der Pandemie auf steigende Insolvenzzahlen eingestellt“

Stefan Schneider, Chefvolkswirt der Deutschen Bank

 

Auf Restrukturierungen vorbereitet

Die erwarteten Insolvenzen treffen die Institute nicht unvorbereitet. Die Commerzbank etwa gab bekannt, dass sie in ihren Bereichen für Unternehmenssanierungen und Restrukturierungen sowie für Unternehmensinsolvenzen entsprechende Kapazitäten vorhalte.

„Die Banken haben sich schon seit Beginn der Pandemie auf steigende Insolvenzzahlen eingestellt“, sagt auch Stefan Schneider, Chefvolkswirt der Deutschen Bank. „Risikomanagement und Workout- und Recovery-Prozesse gehören zu ihrem Kerngeschäft.“

Dabei helfe eine gute Ausgangslage der Banken, die ihre Altlasten in der Vergangenheit gut abgebaut hätten. Die sogenannten Non-Performing-Loans, also der Bestand an notleidenden Krediten in den Bankbilanzen, hat in der Zeit vor Corona einen Tiefstand erreicht.

Klar ist aber auch: „Es sind steigende Kreditwert­berichtigungen zu erwarten. Die zu bilanzierenden Verluste werden bei einer großen Anzahl an Banken ­höher liegen als aktuell“, sagt Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW.

Insofern haben die Kreditinstitute ein eigenes Interesse daran, die Insolvenz von in Not geratenen Unternehmenskunden zu vermeiden und eine Restrukturierung zu ermöglichen.

Banken sind – wo möglich – kompromissbereit

Viele Banken haben bereits im Jahr 2020 gezeigt, wie kompromissbereit sie sind. „Die Genossenschaftsbanken leisten einen wichtigen Beitrag zur Über­brückung von akuten Problemen. Doch sind die Stundungen von Krediten seit dem vergangenen Sommer deutlich zurückgegangen.

Dennoch gab es Anfang Dezember noch rund 48.000 Stundungen mit einem Kreditvolumen von 8 Milliarden Euro. Das sind 1,3 Prozent des gesamten Kreditvolumens“, rechnet Andreas Bley vor. Möglich war das, so Bley, weil die Bestände zu 96 Prozent mit werthaltigen Immobilien besichert sind.

Es ist also ein Geben und Nehmen. In tragfähigen Konstellationen und bei Unternehmen mit langfristigen, kundenfokussierten und nachhaltigen Geschäftsmodellen werden die Banken Sanierungsanstrengungen nach Kräften unterstützen.

Inwieweit das ab 2021 zu erwartende Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) dabei in größerem Umfang helfen wird oder ob es nur eine Alternative zur bisherigen Rechtsprechung bietet, bleibt allerdings abzuwarten.

„Auch wenn das neue Verfahren den Werkzeugkasten der Restrukturierungsexperten bereichert, wird es für die Bedeutung in der Praxis darauf ankommen, dass es sich nicht nur auf finanzwirtschaftliche Maßnahmen fokussiert, sondern zudem der leistungswirtschaftlichen Restrukturierung dient“, sagt Angelika Ifftner, Bereichsleiterin Kredit Service bei der DZ Bank.

Weitere Einschätzungen der Volkswirte:

Bankenumfrage Teil 1: Wie entwickelt sich die Konjunktur 2021?

Bankenumfrage Teil 2: Kreditversorgung im Mittelstand