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„Stellen Sie ungewöhnliche Fragen“
Die Frage, ob und wie stark Unternehmen von der Corona-Krise betroffen sind, stellt sich nicht mehr. Handeln müssen alle, sagt Carl-Dietrich Sander. Er berät Mittelständler und Handwerksunternehmen und erklärt, worauf es jetzt bei der Liquiditätssicherung ankommt.
Herr Sander, die Maßnahmen, die die Bundesregierung zur Eindämmung der Corona-Pandemie ergreift sind drastisch. Wie überstehen Unternehmen diesen Schock?
Nur noch durch eine gute Vorbereitung der richtigen Gegenmaßnahmen. Dabei ist es egal, ob sie bereits geschlossen sind, ob sie lediglich erste Umsatzrückgänge spüren oder solche noch erwarten. Entscheidend ist es, in den kommenden Tagen und Wochen, die Liquidität zu sichern. Natürlich gibt es noch viele andere Aspekte. Aber diese haben mehr Zeit, wenn man das überhaupt so sagen kann.
Wie sehen diese Maßnahmen aus?
Wichtig ist, strukturiert an die Sache heranzugehen. Ich empfehle drei Schritte. Nummer eins: Liquiditätssicherung im Tagesgeschäft. Auch wenn es Geschäftspartner und Kunden genauso schwer haben, sollten Unternehmen ihre Zahlungseingänge forcieren. Liegengebliebene Rechnungen sollten sofort geschrieben werden – und in Zukunft immer direkt am Tag der Leistungserbringung gestellt werden. Auch auf der Ausgabenseite können Unternehmen zu den üblichen Instrumenten greifen: Eventuell besteht die Möglichkeit, bei Lieferanten für noch bestehenden Verbindlichkeiten längere Zahlungsziele zu vereinbaren. Bei den Sachkosten sollten sie sich nicht im Klein-Klein verlieren, sondern auf die großen Zahlen schauen. Zum Beispiel Mieten und Leasingraten teilweise oder ganz stunden lassen sowie Steuervorauszahlungen reduzieren oder stunden lassen. Bei den Personalkosten wird es Standard sein, Kurzarbeit anzumelden.
Damit wäre ein Anfang gemacht. Was beinhalten die Schritte zwei und drei?
Zu schauen, über welche weiteren Mittel der Unternehmer verfügen kann. Zweitens also vorhandene Guthaben auf Geschäftskonten bei Banken und Sparkassen prüfen, ebenso die Kontokorrentlinien – aber Überziehungen soweit wie möglich vermeiden. Zudem muss jeder Unternehmer für sich die Frage beantworten, welche privaten Rücklagen er besitzt, ob und welche er für das Unternehmen einsetzt.
Und drittens…
… wird selten ein Weg daran vorbeiführen, Kredite zur Liquiditätsüberbrückung zu beantragen. Hier stellt die Bundesregierung über die KfW ja inzwischen einige Sonderlösungen zur Verfügung. Ich empfehle, auf jeden Fall den Bedarf für drei Monate zu beantragen. Je besser die Unterlagen dafür vorbereitet sind, desto schneller wird auch das Procedere von statten gehen. Vorhalten sollten Unternehmer also den Jahresabschluss von 2019 oder mindestens eine aussagefähige BWA von Dezember 2019, eine aktuelle BWA des vergangenen Monats, eine aktuelle Vermögens-Verbindlichkeiten-Übersicht und eine möglichst präzise Ermittlung des Kreditbedarfs mit den zugrundeliegenden Überlegungen. Unternehmen müssen belegen, dass ihr Liquiditätsbedarf corona-bedingt ist. Hilfreich ist sicher auch eine stichwortartige Zusammenfassung der bereits getroffenen Krisenmaßnahmen bei den Schritten eins und zwei.
Die Banken spüren selbst starke Auswirkungen der Krise. Mit welcher Haltung sollten Unternehmer dort ins Kreditgespräch gehen?
Sie müssen wissen, dass die Kommunikation mit ihren (Bank-)Partnern entscheidend ist. Im Idealfall gibt es bereits eine Zusammenarbeit und daher eine gute Basis, die in der Vergangenheit gelegt wurde. Wichtig ist, sich bewusst zu machen, dass wir in einer ungewöhnlichen Situation sind. Deshalb ermutige ich dazu, kreativ zu denken und durchaus auch ungewöhnliche Fragen zu stellen. Und denken Sie einfach daran: Höfliches Fragen kostet nichts – außer sich vielleicht selbst zu überwinden. Wenn Sie einzelne Aspekte aus den drei Schritten umsetzen, dann kommt es vor allem auf die Kommunikation mit den jeweiligen Partnern an. Hoffentlich gibt es für diese (fast) immer eine gute Basis, die Sie in der Vergangenheit gelegt haben. Stellen Sie Ihren Partnern auch ungewöhnliche Fragen. Wir sind in einer ungewöhnlichen Situation.
Zur Person:
Carl-Dietrich Sander kennt beide Seiten des Besprechungstisches in Finanzierungsfragen: 20 Jahre war er in der Firmenkundenbetreuung von Banken tätig, zuletzt neun Jahres als Vorstandsmitglied der Volksbank Neuss. Seit 1998 ist er selbstständig als freiberuflicher UnternehmerBerater: Trainer, Berater, Fachautor rund um die Themen Liquidität, Finanzierung, Rating, Bankenkommunikation. Unter anderem für die NRW.BANK hält er Unternehmer-Seminare. Sein Buch aus dem NWB-Verlag „Mit Kreditgebern auf Augenhöhe verhandeln“ ist eines der umfassenden Arbeitsbücher für Unternehmer und Berater zu seinem Themenkreis. Im Bundesverband „Die KMU-Berater“ leitet er die Fachgruppe Finanzierung-Rating.
http://www.cd-sander.de
„Wie Unternehmen jetzt ihre Liquidität sichern“
Die Aussagen und Empfehlungen von Carl-Dietrich Sander unterstreiche ich in vollem Umfang. Meine praktischen Erfahrungen aus knapp 40-jähriger Berufserfahrung spiegeln dies wider. Davon 33 Jahre im Sparkassensektor und danach als selbstständiger Unternehmensberater mit Schwerpunkt Finanzen.
Die vielfältigen Maßnahmen, die von der Politik unterstützend geboten werden, sollten ohne Verzögerung in Anspruch genommen werden. Dort, wo es sinnvoll ist und nicht ungefiltert. Schließlich gilt es zu berücksichtigen, dass unter anderem Steuern nach Ablauf des Stundungszeitraums nachzuzahlen sind. Auch dann muss eine ausreichende Liquidität vorhanden sein. Wer Hilfe beanspruchen muss, sollte den Grundsatz berücksichtigen, dass jeder seinen möglichen Beitrag zu leisten hat. Hilfs- und Unterstützungsangebote sind keine Einbahnstraße. Hierbei muss es ein Selbstverständnis sein, private Vermögenswerte vorrangig einzusetzen – womöglich das private Wohnhaus als Sicherheit stellen. Wenn die BeraterInnen der Geldhäuser die persönliche Bereitschaft der UnternehmerInnen erkennen, das eigene Unternehmen durch private Vermögenswerte wirtschaftlich zu stärken, ist auch eine positive Kreditentscheidung des Kreditinstitutes wahrscheinlicher. Sofern keine privaten Vermögenswerte vorhanden sind, kann eine offene Kommunikation hilfreich sein.
Wer in der jetzigen Krise maßvoll und besonnen handelt, wird diese überstehen. Entsprechende Hilfsinstrumente stehen von der Bundes- und den Landesregierungen zur Verfügung.
Herzlich, Ihr Holger Feick
Geschäftsführer HF Finanzconsulting GmbH
http://www.hf-finanzconsulting.de
Es ist alles schön was Sie hier schreiben. Nur eines würde mich interessieren. Warum wird eine ganze Branche von Ihnen jetzt in der Coronakrise insgesamt schlechter eingestuft?
Das ist doch kontraproduktiv zu dem was Sie sagen und was die Regierung erreichen möchte.
Hallo Herr Bauer,
Pardon, aber was meinen Sie mit Ihrem Hinweis? Welche Branche wird von wem „ingesamt schlechter eingestuft“? Geht es um Branchenbeurteilungen durch die Kreditinstitute? Und um welche Branche? Wichtig ist in jeder Branche: Das eigene Geschäftsmodell ausformulieren: Was ist das Besondere an meinem Unternehmen, was unterscheidet mich von Wettbewerbern, warum ist gerade mein Unternehmen ein interessanter Kreditnehmer!?
Ich vermute, dass Herr Bauer die Einstufung bei der Creditreform-Auskunft meint. Hier heißt es unter anderem:
„Der Geschäftsbetrieb des Unternehmens ist direkt / indirekt von den Folgen behördlicher Maßnahmen und Empfehlungen zur Reduzierung von Corona- Infektionsrisiken betroffen. Hilfen von EU / Bund / Ländern stehen ggf. zur Verfügung. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.“
Freundliche Grüße
Holger Feick
Geschäftsführer der HF Finanzconsulting GmbH
http://www.hf-finanzconsulting.de