Christian Wolfram trat im Dezember 2013 die Nachfolge von Uwe von Padberg als Präsident des Verbands der Vereine Creditreform an. Ein Gespräch mit dem neuen Amtsinhaber über die Entwicklung der Creditreform Gruppe in den vergangenen Jahren, seine Pläne und Ziele im Amt – und über Spaß an der Arbeit.
Herr Wolfram, Sie führen nicht nur fünf Creditreform Vereine – seit rund 100 Tagen stehen Sie noch dazu an der Spitze des Creditreform Verbands. Dieses Amt stellt seinen Inhaber gewiss vor große Herausforderungen?
Ich bin mir dessen wohl bewusst und gehe deshalb mit hohem Engagement und großer Leidenschaft an diese Aufgabe. Denn es gibt viel zu tun. Zwei Beispiele: Es geht zum einen darum, die marktführende Position von Creditreform in Deutschland nicht nur zu halten, sondern weiter zu festigen und zu stärken. Zum anderen müssen wir unseren Kunden noch intensiver mit effizienten Dienstleistungen bei ihrer Globalisierung zur Seite stehen, unser internationales Angebot verstärken. Eine weitere Herausforderung ist der IT-Megatrend „Big Data“. Wenn wir auf die Entwicklung in diesem Bereich nicht schnell reagieren, laufen wir Gefahr, unsere Spitzenposition zu gefährden.
Wenn Sie auf Ihre fast 30-jährige Tätigkeit bei Creditreform zurückblicken: In welchen Bereichen gab es die größten Änderungen?
Wesentliche Meilensteine waren die IT-Entwicklung und speziell der Siegeszug des Internets. Beide Entwicklungen haben schnelle und beherzte Anpassungen nötig gemacht, uns aber auch in die Lage versetzt, mehr valide Daten und detailliertere Analysen zur Verfügung zu stellen – und das immer schneller. Wir haben den Algorithmus zur Berechnung des Bonitätsindex optimiert, sodass die Ausfallwahrscheinlichkeit treffsicherer bestimmt werden kann. Und damals gab es schlicht eine Auskunft – heute gibt es eine Vielzahl von Produktvarianten: Von der Premiumauskunft über die Wirtschaftsauskunft, die Kompakt-, Kurz- und Ampelauskunft bis hin zum Risikocheck. Der Informationsgehalt dieser unterschiedlichen Produkte ist individuell den jeweiligen Bedürfnissen unserer Kunden angepasst. Zur Prüfung eines hohen Risikos empfiehlt sich die Premium- oder Wirtschaftsauskunft, kleinere Risiken werden geprüft mit Kurzauskünften, und Kleinstrisiken etwa im E-Commerce mit der Ampelauskunft oder dem Risikocheck. Zur Prüfung von Bestandskunden bieten wir neben dem klassischen Nachtrag verschiedene Monitoring-Produkte an.
Im Produktsegment Inkasso haben wir in den letzten Jahren im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten unsere Angebotspalette erweitert, etwa um Mahnservice, Telefon-Inkasso, gerichtliches Mahnverfahren und Factoring. Die Inanspruchnahme unserer Dienstleistungen ist auch hier individuell nach den Bedürfnissen unserer Mitglieder gestaltbar. Im Inkasso lag der Fokus zudem auf der Optimierung der Prozessabläufe, um damit rationeller, aber vor allem auch effektiver arbeiten zu können.
Von diesen technologischen Quantensprüngen profitiert auch der Wettbewerb …
Das stimmt. Wir geben uns aber nicht allein mit dem Einsatz moderner Mittel zur Datenerhebung zufrieden. Creditreform setzt bei der Analyse der gewonnenen Informationen zusätzlich auf profundes Experten-Know-how. Um diese Qualifikation zu schaffen, haben wir gemeinsam mit der Hochschule Bochum das Weiterbildungsprogramm zum Certified Business Analyst, kurz CBA genannt, aufgelegt.
Was tun CBAs denn genau und welchen Nutzen haben die Kunden von deren Arbeit?
Aufgabe der Rechercheure ist es, Datensätze auf Plausibilität zu prüfen, zu interpretieren und eine abschließende Bonitätsbewertung abzugeben. Erst dann geben wir die Informationen an den Kunden.
Creditreform bezeichnet sich in weiten Bereichen als Markt- und Qualitätsführer. Was berechtigt Sie zu der selbstbewussten Aussage?
Dafür gibt es viele Gründe. Deshalb nur zwei Beispiele: der Einsatz der CBAs und unsere dezentrale Struktur. Wir sind ortsnah mit der regionalen Wirtschaft vernetzt und so immer nah an den Informationen über die Unternehmen. Zudem verfeinern wir das Leistungsangebot nicht nur in den Kernbereichen Auskunft und Inkasso kontinuierlich. Ich denke etwa an die Gründung von Crefo Factoring sowie an Services wie die Kreditversicherung und die neue Compliance-Tochter.
Wenn es um Produktentwicklung und Produktoptimierung geht, sind Ihre Mitbewerber auch keine Laien. Trotzdem ist Creditreform häufig Vorreiter in der Branche.
Das stimmt. Zu diesem Erfolg trägt wiederum zu einem wesentlichen Teil unsere dezentrale Unternehmer-Organisation bei. Innovationen und Produktoptimierungen entstehen im engen Dialog zwischen den selbstständigen Creditreform Vereinen vor Ort und den Kunden und Mitgliedern. So erfahren wir aus erster Hand, welche individuellen Wünsche und Bedürfnisse die Kunden in den Regionen haben. Die Umsetzung der neuen Ideen erfolgt dann in Zusammenarbeit mit den Fachleuten in unserer Service-Zentrale in Neuss.
Wie lässt sich aber eine Gruppe aus rund 130 selbstständigen Gesellschaften sowie zentralen Experteneinheiten unter einen Hut bringen?
Das ist unter anderem auch meine Aufgabe als Präsident. Darüber hinaus haben wir aber zahlreiche organisatorische Vorkehrungen getroffen, um den erforderlichen engen Zusammenhalt zu gewährleisten. So hat bei uns zum Beispiel jeder Verein Creditreform das gleiche Stimmrecht, gleichgültig wie groß er ist. Und nicht zuletzt verbindet uns dasselbe Ziel: Wir wollen alle zum guten Ergebnis der Gruppe beitragen und unsere Erfahrungen vor Ort in die Fortentwicklung von Creditreform einbringen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass wir alle davon profitieren.
Ihre Mitbewerber beschränken sich zum Teil darauf, entweder Forderungsmanagement oder Inkasso-Services anzubieten. Weshalb ist Creditreform in beiden Bereichen aktiv?
Die Verbindung von Wirtschaftsinformationen und Inkasso ist für uns ein immens wichtiger Baustein für unseren Erfolg zum Schutz des Gläubigers. Wir führen eine riesige Menge von Daten zusammen – die Möglichkeit, diese zu verzahnen, ist einzigartig.
Darüber hinaus bieten wir alle notwendigen Leistungen zur Unterstützung in der Kette „Order-to-Cash“. Schon bei der Neukundenakquise versorgen wir den Kunden mit verlässlichen Bonitätsinformationen. Wir begleiten ihn bis zur Bezahlung der Forderung.
Auch wenn es darum geht, verlässliche Lieferanten aufzuspüren, sind wir ebenfalls in der Lage, mit unserem gewaltigen Datenpool die richtigen Adressen herauszufinden und das Lieferantenausfallrisiko zu reduzieren.
Dennoch hat Ihre Branche nach wie vor ein nicht allzu positives Image.
Mit dieser Aussage haben Sie leider nicht ganz Unrecht. Es gibt in unserer Branche auch schwarze Schafe. Auf Creditreform trifft diese Kritik jedoch nicht zu. Im Gegenteil: Unser Name hat sich zu einem Qualitätssiegel entwickelt, das für Seriosität und hohe Professionalität steht. Dieser Meinung sind inzwischen auch viele Schuldner: Sie kennen Creditreform und reagieren in vielen Fällen bedeutend schneller auf unsere Schreiben.
Werfen wir einen Blick in die Vergangenheit: Die Creditreform Gruppe schützt seit 1879 Unternehmen vor Forderungsausfällen. Sind in dieser langen Zeit Traditionen entstanden, an die sich Verband und selbstständige Gesellschaften noch heute gebunden fühlen?
Ja, auf jeden Fall. Dazu zähle ich vor allem die Maxime, dass wir uns 100-prozentig auf Markt und Kunden einstellen. Wenn wir neue Trends und andere Erfordernisse erkennen, leiten wir unverzüglich die dazu notwendigen Schritte ein. Wir wollen und müssen als Partner unserer Mitglieder immer auf dem neuesten Stand sein.
Zum Schluss eine private Frage: Was macht Ihnen an Ihrer Arbeit für und bei Creditreform besonders Spaß?
Eigentlich alles. Das gilt für die Tätigkeiten in unseren fünf Gesellschaften vor Ort, die ich gemeinsam mit meinem Bruder führe, und nun auch für die Aufgaben an der Spitze des Verbandes. Es ist toll zu erleben, wie es immer weitergeht und mit welchem Elan sich alle Beteiligten für den weiteren Erfolg von Creditreform und der Kunden einsetzen. Ich führe diese Begeisterung vor allem auf den engen Zusammenhalt in unserer Unternehmer-Organisation zurück. Ich bin optimistisch, dass sich daran nichts ändern wird. Denn wir sind sehr gut aufgestellt und entwickeln uns ständig weiter.
Leser unserer App-Version sehen das Interview mit Christian Wolfram zusätzlich als Bildstrecke.
Christian Wolfram (Jahrgang 1957) begann seine Tätigkeit bei Creditreform im Jahr 1985 und setzte damit eine Familientradition fort. Seit 1990 ist er Geschäftsführer von Creditreform Berlin, Frankfurt/Oder, Brandenburg a. d. Havel, Duisburg und Mülheim a. d. Ruhr. Für Hobbys bleibt da wenig Zeit. Urlaub mit der Familie ist ihm lieb, und er reserviert sich eine Woche pro Jahr zum Segeln.