Das Unternehmermagazin aus der Handelsblatt Media Group

Creditreform

Ende Juli wurde das „Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr“ verabschiedet. Was sich damit für Gläubiger im Mittelstand ändert, erklären Dr. Stephan Harbarth (CDU) und Dirk Wiese (SPD) aus dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags.

Herr Harbarth, Herr Wiese, noch immer kommen Abnehmer – darunter auch viele öffentliche – ihren Zahlungsverpflichtungen nur schleppend nach. Unsere Leser stellt dies immer wieder vor Liquiditätsprobleme. Wie soll das neue Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr dem Mittel- stand nun konkret helfen?

Harbarth: Die zentralen Ziele des neuen Gesetzes sind Regelungen in Bezug auf Zahlungshöchstfristen. Das Problem betraf in der Vergangenheit zumeist KMU, die, wie Sie richtig sagen, lange auf ihre Liquidität warten mussten. Faktisch haben Schuldner damit auf Kosten der Gläubiger kostenlose Darlehen in Anspruch genommen. Künftig dürfen Zahlungsfristen, die zumeist marktmächtige Unternehmen ihren Geschäftspartnern in eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorschreiben, nicht mehr als 60 Tage betragen. Vertragsklauseln, nach denen Handwerker oder andere KMU bis zu 90 Tage auf ihr Geld warten mussten, wird es so in wirksamer Form nicht mehr geben. Ausnahmen wer- den lediglich bei Individualabreden in besonderen Geschäftsbeziehungen bestehen.

Wiese: Außerdem werden Vertragsklauseln, die Verzugszinsen ausschließen, künftig als grob nachteilig und deshalb als unwirksam angesehen. Daneben sind auch Klauseln unwirksam, durch die sich der Verwender vorbehält, eine Entgeltforderung erst nach unangemessen langer Zeit zu erfüllen.

Und welche Rolle spielt die im Gesetz vorgesehene neue Gläubigerpauschale in Höhe von 40 Euro im Verzugsfall?

Wiese: Sie ist neben den Verzugszinsen eine neue gesetzliche Form des Verzugsschadens und soll vor allem die vielen kleinen Kostenpunkte des Gläubigers decken, die im Schadensfall oft so schwer im Einzelnen zu beziffern sind.

Harbarth: Sie können die Pauschale auch als eine Art Mindestersatz für Gläubiger sehen. Zugleich wurde übrigens auch der Verzugszins erhöht – um einen Prozentpunkt auf acht Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz.

Dirk Wiese (SPD) (c) Creditreform-Magazin

Dirk Wiese (SPD) (c) Creditreform-Magazin

Auf uns wirkt diese neue Pauschale aber auch wie ein Strafschadenersatz – so etwas war dem deutschen Recht bislang fremd. Wie verhält sich der neue Pauschalbetrag denn zu den bestehenden Verzugsschadenregelungen?

Harbarth: Es ist richtig, dass die Pauschale zuvor dem deutschen Recht unbekannt war. Es ist eine Neuerung, die aus der Vorgabe einer entsprechenden EU-Richtlinie stammt. Sie ergänzt die Verzugsschadenregelung des BGB und soll einen Anreiz bilden, die Beitreibungskosten erst einmal gering zu halten.

Wiese: Es handelt sich bei besagtem Pauschalbetrag aber nicht um einen Strafschadenersatz wie etwa die „Punitive Damages“ in den USA. Es geht um eine Pauschale, die interne Beitreibungskosten des Gläubigers decken soll. Sie gilt ergänzend zu bestehenden Verzugsschadenregelungen – unter der Bedingung natürlich, dass der Schuldner kein Verbraucher ist.

Das Gesetz sieht vor, die Gläubigerpauschale auf die Kosten der Rechtsverfolgung anzurechnen. Laut der EU-Richtlinie, die Sie angesprochen haben, sollte der Gläubiger diesen Pauschalbetrag jedoch eigentlich zum Ausgleich seiner internen Beitreibungskosten erhalten. Heißt das: Ein Gläubiger, der bei hartnäckigen Schuldnern ein Inkassounternehmen oder einen Rechtsanwalt beauftragen muss, erhält die Pauschale nicht?

Wiese: Das Gesetz differenziert nicht, ob sich der Gläubiger eines externen Rechtsanwalts bedient oder Forderungen intern beitreibt. Der Zahlungsanspruch steht dem Gläubiger bereits in voller Höhe mit Verzugseintritt zu – unabhängig davon, ob tatsächlich ein entsprechender Schaden entstanden ist.

Harbarth: Jeder Gläubiger hat einen Anspruch auf die Pauschale. Kollege Wiese hat recht: Das Gesetz differenziert hier gerade nicht. Soweit dem Gläubiger ein Schaden in Form externer Rechtsverfolgungskoten entsteht, ist die Pauschale freilich auf die Kosten der Rechtsverfolgung anzurechnen, wie Sie richtig festgestellt haben.

Dr. Stephan Harbarth (CDU) (c) Creditreform-Magazin

Dr. Stephan Harbarth (CDU) (c) Creditreform-Magazin

Nach bisherigem Recht kann der Gläubiger seine Kosten für Mahnschreiben und sonstige Auslagen vom Schuldner zurückverlangen – zusätzlich zu eventuell später anfallenden Kosten für ein Inkassounternehmen oder Rechtsanwälte. Entfällt durch die Anrechnung der Pauschale nun die Erstattungspflicht dieser Kosten?

Wiese: Nein, aber soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist die Pauschale auf den geschuldeten Schadenersatz anzurechnen – eben bis 40 Euro.

Harbarth: Sie müssen das so sehen: Die Pauschale bündelt lediglich die Kosten der eigenen Beitreibung. In den allermeisten Fällen werden die Gläubiger nach der neuen Rechtslage besser gestellt, da die Pauschale über dem liegt, was sie vorher erhalten hätten.

Wir halten fest: Der Gläubiger eines redlichen Schuldners erhält bei Verzug die 40 Euro – und das zusätzlich zu seiner Hauptforderung. Der Gläubiger eines vertragsuntreuen Schuldners hingegen, der nach eigenen und vergeblichen Beitreibungsaufwendungen ein Inkassounternehmen oder einen Rechtsanwalt einschalten muss, hat die ihm zustehende Gläubigerpauschale dagegen auf seine externen Beitreibungskosten anrechnen zu lassen?

Harbarth: Ja, denn der zunächst eigenständig handelnde Gläubiger soll privilegiert werden. Dies erscheint grundsätzlich sachgerecht. Er kommt so schnell und effektiv zu seinem Geld und erhält hier- für den pauschalierten Ersatz bereits bei Eintritt des Verzugs.

Wiese: Sie müssen hier differenzieren zwischen Hauptforderung und Beitreibungskosten. Die Anrechnung der Pauschale soll eine Doppelung ausschließen, da die 40 Euro auch Beitreibungskosten decken sollen. Der Anspruch wiederum auf die Zahlung der Hauptforderung ist unabhängig von den Beitreibungskosten zu sehen: Hier entsteht keine Doppelung wie bei den Beitreibungskosten.

Die selbstständigen Rechtsanwälte unter unseren Lesern dürften sich fragen: Wenn ein Gläubiger, der ein Inkassounternehmen oder einen Rechtsanwalt beauftragen musste, auf Auszahlung der Pauschale an ihn zum Ausgleich seiner Aufwendungen und Kosten besteht: Müssen die 40 Euro dann von den Gebühren des Anwalts abgezogen werden?

Wiese: Nein, der Anspruch des Rechtsanwalts gegen den Gläubiger besteht in voller Höhe. Die 40 Euro betreffen nur dessen weitere Ansprüche gegen den Schuldner und sind auf den geschuldeten Schadenersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist. Daraus lässt sich aber nicht folgern, dass die Gebühren des Rechtsanwalts um 40 Euro zu senken sind.

Harbarth: Auch ich kann die Rchtsanwälte da beruhigen: Ihre Ansprüche gegen einen Mandanten werden nicht dadurch tangiert, dass dieser seinerseits die Pauschale von seinem Schuldner erhalten hat.