Ob eine unternehmerische Leistung der deutschen Umsatzsteuer unterliegt, hängt entscheidend vom Leistungsort ab. Bei einfachen Lieferungen fällt die Ortsbestimmung leicht: Sofern die Ware befördert oder versendet wird, gilt die Lieferung im Regelfall bereits dort als ausgeführt, wo der Warentransport an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Anderenfalls zählt als für die Umsatzbesteuerung maßgeblicher Leistungsort der Ort, wo dem Kunden Verfügungsmacht verschafft wird.
Schwieriger gestaltet sich die Ortsbestimmung und damit die Steuerbarkeit des jeweiligen Umsatzes bei den sogenannten „sonstigen Leistungen“. Denn mit EU-weiter Einführung des Empfängerortprinzips bleibt es seit dem 1. Januar 2010 nur noch für sonstige Leistungen an Nichtunternehmer bei dem Ort, von dem aus der leistende Unternehmer sein Unternehmen betreibt.
Leistungen an andere Unternehmer für deren Unternehmen werden von einigen Ausnahmen abgesehen dagegen seither dort ausgeführt, wo der Leistungsempfänger sein Unternehmen betreibt. Gleiches gilt für sonstige Leistungen an juristische Personen, die bei der Auftragsvergabe mit einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) auftreten. Werden sonstige Leistungen davon abweichend an eine Betriebsstätte des Leistungsempfängers ausgeführt, ist stattdessen deren Belegenheit maßgebend. Zur Verhinderung von Gestaltungsmissbräuchen akzeptieren die Finanzbehörden jedoch ausschließlich feste Geschäftseinrichtungen oder Anlagen, die darüber hinaus über einen ausreichenden Mindestbestand an Personal- und Sachmitteln verfügen müssen.
Ausnahme vom Empfängerortprinzip
Eine der wichtigsten Ausnahmen vom Empfängerortprinzip greift bei Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück – hier befindet sich der umsatzsteuerliche Leistungsort weiterhin am Belegenheitsort des Grundstücks. Offensichtlich wurde diese Ausnahmeregelung im Gemeinschaftsgebiet hinsichtlich der Frage, was als Grundstück anzusehen ist und welche unternehmerischen Leistungen darunter fallen, jedoch unterschiedlich ausgelegt. Zur Vermeidung drohender Doppelbesteuerungen haben sich die EU-Mitgliedstaaten deshalb kürzlich auf eine gemeinsame Auslegung geeinigt. Die Ergebnisse hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) in seinem Anwendungsschreiben vom 18. Dezember 2012 (Az.: IV D 3 – S 7117-a/12/10001 (2012/0787922)) zum Leistungsort bei Leistungen in Zusammenhang mit einem Grundstück zusammengefasst.
Neben einer Aufzählung betroffener Leistungen (siehe Web-Service) machen die Finanzbehörden in ihrer Verwaltungsvorschrift deutlich, dass sich der Grundstücksbegriff im Sinne des Umsatzsteuerrechts vom Zivilrecht unterscheidet. So zählen neben den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes wie beispielsweise Türen, Fenster, Dächer, Treppenhäuser und Aufzüge auch Sachen, Ausstattungsgegenstände oder Maschinen als Grundstück, sofern diese auf Dauer in einem Gebäude oder Bauwerk installiert sind und ohne dessen Zerstörung oder Veränderung nicht bewegt werden können.
Nichtbeanstandungsregel für Reparaturen
Als fehleranfällig bei der Bestimmung des zutreffenden Leistungsorts hat sich zudem die in der betrieblichen Praxis seit jeher ohnehin schwierige Abgrenzung erwiesen, ob Reparaturarbeiten als Werkleistung oder Werklieferung (siehe Übersicht) einzustufen sind. Denn unter das Empfängerortprinzip fallen seit dem 1. Januar 2010 auch Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen und die Begutachtung dieser Gegenstände für andere Unternehmer. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) entscheidet bei der notwendigen Abgrenzung, ob die charakteristischen Merkmale einer Lieferung oder einer sonstigen Leistung überwiegen. Dabei stellt das Verhältnis des Wertes der Arbeit oder des Arbeitserfolgs zum Wert der vom Unternehmer beschafften Stoffe nach Auffassung der Richter aber kein ausschlaggebendes Abgrenzungskriterium dar, sondern darf allenfalls als Anhaltspunkt für die Einstufung der Reparatur als Werklieferung oder Werkleistung dienen. Entsprechend vorsichtig formuliert der Umsatzsteuer-Anwendungserlass (Abschnitt 3.8 UStAE) denn auch zum Austausch unbrauchbar gewordener Teilstücke: Beim Ersatz beispielsweise der defekten Kurbelwelle eines Kraftfahrzeugs „kann nicht mehr von einer Nebensache gesprochen werden“.
Zumindest dieses Rätselraten gehört seit Beginn des Jahres der Vergangenheit an, haben die Finanzbehörden den Unternehmen doch endlich eine praktikable Faustregel zugestanden. Sofern keine zweifelsfreie Einstufung der Reparaturarbeiten als Werklieferung oder Werkleistung möglich ist, dürfen die Unternehmen von einer Werklieferung ausgehen, wenn der auf das bei der Reparatur verwendete Material entfallende Entgeltanteil mehr als 50 Prozent des für die Reparatur berechneten Gesamtentgelts beträgt. Die neue Nichtbeanstandungsregel soll nach dem BMF-Schreiben vom 12. Dezember 2012 (Az.: IV D 2 – S 7112/11/10001) zur Abgrenzung zwischen Werklieferung und Werkleistung bei Reparaturarbeiten an beweglichen Gegenständen bereits auf alle Umsätze anwendbar sein, die nach dem 31. Dezember 2012 ausgeführt werden.
Bernhard Lindgens
· Eine Werklieferung liegt nach dem Umsatzsteuergesetz (§ 3 Abs. 4 UStG) vor, wenn der Unternehmer bei der Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstandes von ihm selbst beschaffte Stoffe verwendet, die nicht lediglich Zutaten oder Nebensachen darstellen. In ihrem Umsatzsteuer-Anwendungserlass (Abschnitt 3.8 UStAE) machen die Finanzbehörden jedoch deutlich, dass die Unentbehrlichkeit eines Gegenstandes diesen nicht notwendigerweise zu einem Hauptstoff macht. Auch technisch und wirtschaftlich unbedeutende Montagearbeiten führen noch nicht zur Werklieferung. In diesen Fällen bleibt es bei einer (einfachen) Lieferung, die bereits mit Beförderungsbeginn oder Übergabe an den Spediteur ausgeführt ist. Gleiches gilt nach Abschnitt 3.12 UStAE, wenn eine betriebsfertige Maschine zwecks leichterem Transport in einzelne Teile zerlegt, beim Kunden wieder zusammengesetzt und ein Probelauf durchgeführt wird.
Da das vertraglich vereinbarte Werk erst beim Kunden entsteht, liegt der Ort der Werklieferung dort, wo dem Abnehmer die Verfügungsmacht verschafft wird (Übergabe).
· Sofern dem Unternehmer bei der Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstandes dagegen alle Hauptstoffe vom Auftraggeber beigestellt werden, liegt eine Werkleistung vor. Werkleistungen werden als sonstige Leistungen behandelt. Deshalb hängt der Leistungsort – und eine mögliche Steuerbefreiung – entscheidend davon ab, ob es sich beim Kunden um einen Unternehmer oder Nichtunternehmer handelt. Hinsichtlich der Unternehmereigenschaft seines Kunden bleibt es dem leistenden Unternehmer überlassen, auf welche Weise er den entsprechenden Nachweis führt. Bei innergemeinschaftlichen Leistungsempfängern geben sich die Finanzbehörden mit der vom jeweiligen EU-Mitgliedstaat erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) zufrieden.
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