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Herr Thonet, man kann sagen, Sie tragen einen großen Namen und repräsentieren damit auch eine fast endlose Unternehmens-Erfolgsgeschichte. Ist das auch manchmal belastend?

Überhaupt nicht! So habe ich täglich die Möglichkeit, mich mit schönen Möbeln zu umgeben und meine Kunden und Designinteressierte davon zu überzeugen das gleiche zu tun.

War Ihr beruflicher Weg durch die Familie vorgezeichnet?

Eigentlich nicht, zumindest hatten wir die freie Wahl. Aber spätestens nach meiner Schreinerlehre ging der Weg dann doch in Richtung Einstieg ins Unternehmen.

Warum haben Sie vor Ihrem betriebswirtschaftlichen Studium eine Lehre als Holzmechaniker gemacht?

Etwas Handwerkliches zu tun, hatte ich schon während der Schulzeit geplant.

Was bedeutet Tradition für Sie?

Tradition heißt für mich, seine Geschichte zu kennen und zu respektieren.

Und wie verbinden Sie Tradition und Moderne?

Indem wir die Werte, die unsere Tradition ausmacht – langlebige und zeitlose Qualitätsmöbel herzustellen, die die Nutzer erfreuen und über kluge Innovationen verfügen, immer wieder mit neuen Techniken und Herangehensweisen zeitgemäß und modern interpretieren.

Der Klassiker des Hauses Thonet ist immer noch der berühmte Kaffeehausstuhl Nummer 14. Wie sieht für Sie die Zukunft des Sitzmöbels aus? Kann man den Stuhl immer wieder neu erfinden?

Einerseits kann man mit Fug und Recht behaupten, es gäbe genug Stühle in der Welt. Andererseits gibt es immer wieder Neuerungen bei den Materialien oder Herstellungstechniken, die zum Beispiel für mehr Komfort oder einen neuen Look sorgen. Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte.

Thonet-Möbel der neuen Generation zieren unter anderem die Fraktionsräume des Deutschen Bundestages in Berlin, das British Museum in London und die Züricher Börse. Wer ist für die Entwicklung neuer Designs zuständig?

Thonet arbeitet sowohl mit externen Designern als auch mit einer Inhouse-Designabteilung.

Hat Ihr Unternehmen eigentlich hauptberufliche „Test-Sitzer“ oder prüfen Sie Modellentwürfe selbst?

Wenn ein neues Modell auf den Markt gebracht wird, geht es in der Tat durch mehrere Testläufe. Erstens ist das subjektive Sitzempfinden wichtig, aber das ist eben bei jedem unterschiedlich. Das macht es ja auch so kompliziert, einen wirklich bequemen Stuhl für alle Körpergrößen zu erschaffen. Da haben die Architekten der Bauhaus-Zeit schon etwas Großes geschaffen, denn der S32/64 ist nun wirklich für fast alle Körpergrößen bequem. Die Sitzproben werden durch die Geschäftsleitung und den Kollegen aus dem Vertrieb durchgeführt. Danach kommen die Stühle in die „Folterkammer“ und werden unangenehmen Langzeittests unterzogen. 50.000 Mal Kippeln wäre für eine Person doch eher eine Lebensaufgabe …

Die Dynastie Thonet hat es geschafft, den Mythos der Marke am Leben zu halten. Wie ist das gelungen?

Dafür gibt es vielleicht mehrere Gründe. Einer ist sicherlich die Tatsache, dass wir unser Kundenversprechen immer wieder versuchen zu halten: Hochqualitative Produkte herzustellen, die zeitlose Klassiker sind oder es vielleicht werden können und durch ihre Langlebigkeit dem Nutzer – auch über mehrere Generationen hinweg – Freude beim Sitzen zu bereiten.

Woran erkennt man eigentlich einen echten Thonet?

An der klaren und reduzierten Formsprache, die hohe Qualität und die damit verbundene Langlebigkeit unserer Produkte. Einen Thonet Stuhl vererbt man nicht selten. Wir haben öfters Kunden, die ihre ersten Klassiker der Bauhauszeit, einen S32 oder S64, von den Eltern geschenkt bekommen haben und nun ergänzen wollen. Diese Stühle sind Wertgegenstände, die einen das ganze Leben begleiten und nicht an Wert verlieren.

Gemeinsam mit Ihrer Frau führen Sie seit 2004 im Düsseldorfer Medienhafen einen Thonet-Showroom. Gibt es zwischen Ihnen und Ihrer Frau eine klare Aufgabenteilung?

Meine Frau war anfangs auch im Verkauf für Privatkunden sehr aktiv. Seit der Geburt unserer Tochter kümmert sie sich stärker um die Buchhaltung. Ich betreue unsere Firmenkunden und Architekten sowie die umliegenden Fachhandelspartner. Bei unserer Arbeit werden wir aber durch ein sehr gutes Team unterstützt. Am Standort in Düsseldorf sind wir mittlerweile fünf Personen, die sich um die Anfragen unserer Kunden kümmern.

Wenn ich richtig informiert bin, befindet sich Ihre Privatwohnung unmittelbar über dem Showroom. Gelingt Ihnen dabei eine Trennung zwischen Beruf und Privatleben?

Mittlerweile wohnen wir nicht mehr über dem Shop. Aber das war damals auch kein Problem, im Gegenteil. Jeder selbstständige Unternehmer kennt das: Loslassen und den Job nicht mit nach Hause zu nehmen ist schwer. Da spielt die örtliche Nähe gar nicht die ganz große Rolle. Auch im digitalen Zeitalter bei ständiger Erreichbarkeit muss man sich das ,Loslassen‘ schon verordnen. Aber mit klaren Regeln wie beispielsweise das iPad nach 21 Uhr nicht mehr geschäftlich zu nutzen, kann man das schon erreichen.

Was tun Sie, wenn Sie sich nicht mit Stühlen beschäftigen?

Den Ausgleich vom Arbeitsleben bekomme ich durch Reisen mit meiner Familie und dem gelegentlichen Tauchen zum Beispiel in Ägypten. Auch wenn die Lage im Land derzeit sehr angespannt ist, kann ich das Rote Meer und seine Resorts nur jedem empfehlen. Innerhalb von vier Stunden kann man dem Europäischen Alltag entfliehen und die Seele im und unter Wasser baumeln lassen. Die schönste Zeit ist zwischen September und Anfang November – auch für dieses Jahr fest eingeplant.

Übrigens: Wie viele Thonet-Sitzmöbel befinden sich in Ihrem häuslichen Umfeld? Haben Sie ein Lieblingsmodell?

Wir haben selbstverständlich nicht nur Thonet Stühle und Thonet Sessel in Benutzung, auch unsere Beistelltische von Marcel Breuer und Couchtische sind schöne und praktische Einrichtungsgegenstände.

Die Fragen stellte Marie-José Kann-Hüting