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Herr Grohe was ist der Vorteil eines Unternehmens, in dem eine Familie das Sagen hat?

Das weiß ich nicht, weil bei Hansgrohe zwei Gesellschafter gewissermaßen das Sagen haben: die Familie und die Masco Corporation. Es gibt genug Beispiele in der Welt der Familienunternehmen, die belegen, dass die Familie des Unternehmensgründers nicht unbedingt die Weisheit für sich gepachtet hat und nicht immer richtig entscheidet. Wir bei Hansgrohe sind gut damit gefahren, dass wir uns nicht allein auf die Familie verlassen haben. Im Vorstand bin ich ja das einzige Familienmitglied, und das empfinde ich nun wirklich nicht als Nachteil. Das Entscheidende ist aus meiner Sicht, dass die Interessen des Unternehmens Vorrang haben. Dafür müssen alle Beteiligten arbeiten – inner- und außerhalb der Familie.

Sind Sie in der Unternehmensleitung ein Mensch schneller Entscheidungen?

Nein, ich folge zwar gerne meinen Instinkten, denn damit kann man viele Entscheidungsprozesse verkürzen. Dennoch ist es wichtig, mit anderen zu diskutieren, weil erst in der Gruppe die Dinge dreidimensional werden und Ideen Gestalt annehmen.

Und privat?

Entscheidet ohnehin meine Frau (lacht!).

Sie haben viele Jahre in der Schweiz gelebt. 1986 kamen Sie zurück in den Schwarzwald. Wirken Familie und Tradition wie ein Magnet?

Ich bin in meiner Jugend zwischen dem Schwarzwald, wo mein Vater zu Hause ist, und der Schweiz, wo meine Mutter lebt, gependelt. Irgendwann konnte ich mich dem Ruf des Unternehmens, in das ich ja gewissermaßen hineingeboren wurde, nicht mehr entziehen, obwohl ich es durchaus anfänglich versucht habe. Heute weiß ich, dass meine Entscheidung für den Schwarzwald und für Hansgrohe genau richtig war.

Was bedeutet Tradition für Sie?

Hansgrohe ist ein innovationsstarkes Unternehmen, das bedeutet permanente Veränderungsbereitschaft. Unsere Tradition ist die Erfahrung; sie ist die Basis für diese andauernde Weiterentwicklung und setzt ihr den nötigen Rahmen.

Das Bad hat sich im Laufe der letzten Jahre vom Ort der Reinigung zu einem Ort der Entspannung verwandelt. Wirken Sie selbst an der Entwicklung neuer Produkte mit und wo lassen Sie sich inspirieren?

Ja, die Produktinnovation ist meine große Leidenschaft. Für mich ist die Zusammenarbeit mit unseren Designern wie Philippe Starck oder Phoenix Design ungeheuer anregend und bereichernd. Durch ihre Arbeit in ganz anderen Bereichen öffnen sie einfach immer wieder den Blick für Neues.

Wie sieht für Sie das Bad der Zukunft aus? Wird es von demografischen Entwicklungen beeinflusst?

Es wird wohnlicher, individueller, auf die jeweils eigenen Bedürfnisse und Wünsche abgestimmt – ein echter Lebens-Raum und wichtiger Wohlfühlbereich, in dem man sich gern und lange aufhält. Das, was man Universal Design nennt, wird an Bedeutung gewinnen. Auch die Themen Wasserund Energieeffizienz werden uns stärker beschäftigen.

Gibt es Momente in Ihrer beruflichen Laufbahn, die Ihnen in besonderer Erinnerung sind?

Mein erster Arbeitstag in unserer Gießerei – ein echter Knochenjob!

Ihr Vater und ihre Brüder sind auch im Unternehmen tätig. Wie ist das, wenn Vater und Söhne die Geschäfte führen? Harmonisch, konfliktfrei oder doch ein wenig belastet?

Wie gesagt, bei Hansgrohe führt nicht allein die Familie die Geschäfte. In der Familie geht es aber immer zuerst ums Geschäft. Dabei sind wir nicht immer einer Meinung, aber wir pflegen eine produktive Streitkultur.

Hansgrohe wurde vor kurzem der „Markenpreis der Deutschen Standards“ verliehen und steht nun im Kompendium „Marken des Jahrhunderts – Leuchttürme auf dem Markenmeer“. Macht Sie das stolz?

Wir freuen uns über jede Auszeichnung, die wir erhalten. Denn sie steht in der Regel für das Urteil unabhängiger Experten, die uns eine außerordentliche Leistung bescheinigen.

Ihre Produkte werden zu einem großen Teil in Deutschland produziert. Andere verlagern ihre Produktion aus Kostengründen ins Ausland. Können Sie sich Ihre Heimatverbundenheit (noch) leisten?

Ja, wir tun aber auch sehr viel, um die globale Wettbewerbsfähigkeit unserer Produktion in Deutschland sicherzustellen.

Sie sind in zahlreichen sozialen und kulturellen Einrichtungen engagiert, ideell und finanziell und bieten auch Ihren Mitarbeitern Anreize, sich ehrenamtlich einzubringen. Warum?

Es gehört zu den Werten von Hansgrohe, dass wir gesellschaftliche Verantwortung auch jenseits der Werkstore übernehmen. Wir sind keine seelenlose, rein profitorientierte Organisation, sondern sind fest an unseren Standorten verwurzelt.

Übrigens: Ist Ihr häusliches Bad dem Trend folgend eine Wellness-Oase?

Mein Bad ist eher ein Versuchslabor für neue Produkte. Aber ich fühle mich dort sehr wohl!

Die Fragen stellte Marie-José Kann-Hüting

Richard Grohe (47) ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Hansgrohe SE und dort für den Bereich Innovation und die Marke Hansgrohe verantwortlich. Das Unternehmen wurde 1901 von seinem Großvater, dem gelernten Tuchmacher und begnadeten Tüftler Hans Grohe (1871-1955) in Schiltach im Schwarzwald gegründet. In seiner über 100-jährigen Firmengeschichte erwarb es sich innerhalb der Sanitärbranche den Ruf als einer der Innovationsführer in Technologie und Design. Mit seinen Armaturen, Brausen und Duschsystemen schafft die Firma Originale, die das Bad funktionaler, komfortabler und schöner machen. Nicht von ungefähr finden sie sich in prominenten Prestigeprojekten wie im Kreuzfahrtriesen „Queen Mary II“, im Deutschen Reichstag, im Bundeskanzleramt in Berlin oder in den Yoo Luxusappartments in New York. Weltweit beschäftigt die Hansgrohe Gruppe heute über 3.400 Mitarbeiter, davon etwa zwei Drittel im Inland. 2012 erwirtschaftete das Unternehmen einen Umsatz von 805 Millionen Euro. Produziert wird in sechs deutschen Werken sowie in Frankreich, den Niederlanden, den USA und in China.