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Creditreform

Halten Sie den  „Spiegel“ für eine esoterische Zeitung? Wohl kaum. Trotzdem titelte die Ausgabe Nr. 21 vom Mai 2013: „Der heilende Geist – gesund durch Meditation und Entspannung“.

Schulmediziner entdecken, wie Meditieren, Yoga und positives Denken die Biologie und das Immunsystem des Körpers verbessern. Den treuen Lesern meiner Creditreform-Kolumne ist das nicht neu. Schon lange lege ich größten Wert auf die Untrennbarkeit von Körper, Geist und Seele. Das unterscheidet den ganzheitlich denkenden Arzt vom Mediziner, der immer nur sein Fachgebiet kennt und nur ein Organ behandelt – statt den ganzen Menschen.

Mediziner gibt es wie Sand am Meer. Sie sehen das Gesamtkunstwerk Mensch wie ein Maschinenbauingenieur – den Menschen als die Summe seiner Organe. Doch der Mensch ist mehr als nur eine Ansammlung von Organen. Schließlich ist jeder von uns definiert als ein Individuum, sprich als die unteilbare Zweiheit von Körper und Geist. (Für alle, bei denen der Lateinunterricht schon länger zurückliegt: in=nicht, dividere=teilen, duum=zwei.) Und genau dem trägt diese neue und äußerst erfreuliche Strömung in der Medizin Rechnung. Das vegetative (unwillkürliche) Nervensystem – das hat man nun erkannt – verbindet den Leib mit der Seele.

Hier haben Mediziner Nachholbedarf. Auf Röntgenbildern und im Ultraschall kann man die Seele nicht erkennen. Mediziner beherrschen ihre Apparate vortrefflich, unterschätzen aber die Wirkung des gesprochenen Wortes. Mediziner neigen dazu, im Gespräch mit dem Patienten immer erst einmal das Schlimmste anzunehmen – und das dem Patienten auch mitzuteilen. Aktuelles Beispiel: Eine junge Dame erhielt nach einer Schulteroperation noch über sechs Wochen schmerzstillende Medikamente. Parallel dazu zeigte sich eine dramatische Verschlechterung des Blutbildes. Der behandelnde Mediziner sah keinen Zusammenhang – sondern tippte gleich einmal auf Leukämie. Ein Termin zur stationären Aufnahme wurde vereinbart und die junge Frau mit dieser Verdachtsdiagnose zwischendurch sich selbst überlassen. Was nun passiert, ist im SPIEGEL sehr exakt und einfühlend beschrieben. Die Angst und die negativen Gedanken haben eine nachweisbar lähmende Wirkung auf das Immunsystem. Die Selbstheilungskräfte werden Schachmatt gesetzt. Hoffnung nehmen heißt Leben nehmen. Die junge Dame saß nur noch weinend zu Hause, woraufhin der Ehemann seine Frau ins Auto packte und zu mir brachte. Ganz schnell wurde über eine Blutbildkontrolle festgestellt, dass die Blutwerte nach Absetzen der Präparate eine klare Tendenz zur Besserung zeigten – und schon folgten den Tränen der Verzweiflung die Tränen der Erleichterung.

Ich greife diesen Fall auf, da das bei weitem kein Einzelfall ist. Unbedacht gesprochene Worte können eine verheerende Wirkung entfalten. In puncto Gesundheit versetzt der Glaube Berge – in beide Richtungen. Das hat sich bei vielen Medizinern noch nicht herumgesprochen. Dabei ist bekannt, dass es sehr schwer ist, ein Medikament herzustellen, das besser ist als ein Placebo. Das Placebo ist eine pharmakologisch wirkungslose Pille, in der aber die Hoffnung auf Heilung steckt. Und die wirkt erwiesenermaßen in 30 Prozent der Fälle, Pharmaka oft nur um weniges mehr. Darum sollte man als Arzt sehr vorsichtig und bedacht sein, mit welchem Gefühl man seinen Patienten aus der Sprechstunde entlässt. Natürlich muss man als Arzt an jede Option denken – aber deswegen doch nicht gleich kommunizieren. Umgekehrt wirkt sich jedes Wort der Zuversicht heilend auf den Körper aus.

Selbst wenn sich einmal eine ungünstige Diagnose bestätigt hat, dann liegt es am Arzt, nun nicht über Zahlen, Statistik und Überlebensrate zu sprechen, sondern über Hoffnung, Mut und Zuversicht. Bewiesen ist: Wer nach einer Hiobsbotschaft mit dem Gefühl „diese Krankheit werde ich besiegen“ aus der Praxis geht, hat eine signifikant höhere Überlebenswahrscheinlichkeit.

Der gute Arzt ist gleichzeitig Seelsorger. Leider gibt es kein Fach „Seele“ im Medizinstudium. Viel zu oft sieht der Mediziner in den Computer- beziehungsweise Röntgenbildschirm anstatt in die Augen seines Patienten. Ich habe einen guten Freund in Amerika, den ich sehr bewundere. Jedes mal, wenn ich ihn getroffen habe, fühle ich mich immer etwas besser als vorher. Das berichten übrigens alle, die ihn kennen. Wäre das nicht nur eine schöne Maxime für einen Arztbesuch, sondern auch für den zwischenmenschlichen Umgang allgemein? Wen wollen Sie heute ein bisschen glücklicher machen?