Investoren verlassen sich nicht mehr nur auf Bilanzen und Finanzkennzahlen. Stattdessen spielen ökologische, soziale und politische Faktoren bei der Auswahl von Aktien und Anleihen eine immer größere Rolle. Nachhaltig zu investieren, ist mehr als ein Trend.
Klimarisiken, Wassermangel, Einkommensungleichheit und wachsende gesellschaftliche Polarisierung – das sind laut „World Risk Report 2017“ des Weltwirtschaftsforums aktuell die größten Gefahren. Gefahren, auf die inzwischen auch Investoren achten. Neben den wirtschaftlichen Wagnissen rücken für sie zunehmen auch die Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsaspekte, auf Englisch: Environmental, Social und Governance (ESG), in den Vordergrund und beeinflussen ihre Geldanlagestrategie.
Viele dieser Faktoren scheinen auf den ersten Blick keinen Einfluss auf den Gewinn eines Unternehmens zu haben: „Wir haben aber festgestellt, dass sich Qualität und eine saubere Nachhaltigkeitsanalyse langfristig für den Anleger rechnen“, sagt Alexander Mozer, der bei der Fondsgesellschaft Ökoworld das Aktienfondsmanagement verantwortet. In der Tat: Wer seine Mitarbeiter gut ausbildet und zu motivieren versteht, ist im Vorteil gegenüber Unternehmen, die darauf keinen gesteigerten Wert legen. Genauso können Kinderarbeit eines Zulieferers oder der Verstoß gegen Umweltstandards den wirtschaftlichen Erfolg gefährden.
Pariser Klimagipfel als Wendepunkt
Ein wichtiger Wendepunkt für das Umdenken war der Pariser Klimagipfel von 2015. Daran ändert auch der Ausstieg der USA aus dem Weltklimaabkommen nichts. Klimaschutz verändert Geschäftsmodelle und spielt eine immer größere Rolle bei der Auswahl von Aktien und Anleihen. Das belegen auch die folgenden Zahlen: Berücksichtigten im Jahr 2016 nur 21 Prozent der Investoren Klimaschutzaspekte in ihren Anlagerichtlinien, so sind es 2017 bereits 43 Prozent, wie eine Umfrage der Fondsgesellschaft Union Investment zeigt.
Investoren bauen zudem ihre Investments in Unternehmen mit hohen CO2-Emissionen ab. Dekarbonisierung lautet das Schlagwort. Vorreiter für nachhaltige Investments sind institutionelle Anleger wie Versicherungen oder Pensionsfonds. Union Investment, die Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken, veröffentlicht den CO2-Fußabdruck ausgewählter Fonds für institutionelle Anleger. „Die nachhaltige Kapitalanlage ist bisher vor allem bei institutionellen Anlegern ein großes Thema, doch auch bei Privatanlegern wächst ihr Stellenwert“, sagt Florian Sommer, Leiter Nachhaltigkeitsresearch bei Union Investment.
Außerdem zu beobachten: Viele Investoren meiden kritische Branchen wie Waffenhandel oder Glücksspiele. Wer in solche Wirtschaftssegmente investiert, geht hohe Risiken ein. Das bekamen in den vergangenen Jahren auch Energieversorger mit einem hohen Anteil an CO2-Emissionen zu spüren, deren Aktien sich schlechter entwickelten als die anderer Branchen.
Besser als der Index
Nachhaltig zu investieren, muss unter dem Blickwinkel der Wertentwicklung kein Nachteil sein: Das zeigt auch der weltweit investierende Fonds Ökoworld Ökovision Classic (Wertpapierkennnummer: 974968): Seit dem Jahr 2000 kommt er auf ein Plus von 147 Prozent, während der weltweite Aktienindex MSCI World im selben Zeitraum nur 84 Prozent zulegte. In einer Drei-Jahres-Betrachtung liegt seine Performance allerdings etwas unter der Index- entwicklung: „Das liegt daran, dass Themen, die aus nachhaltiger Sicht keinen Sinn ergeben, wie etwa Rüstung oder viele Rohstoffunternehmen, am Aktienmarkt in dieser Zeit en vogue waren“, erklärt Fondsmanager Alexander Mozer.
Seine Fondsgesellschaft schließt dagegen kategorisch Unternehmen aus, die gegen soziale oder ökologische Standards verstoßen. Ein Beispiel dafür ist Apple mit seinem Top-Seller I-Phone. „Aufgrund vielfältiger Menschenrechtsverletzungen des Zulieferers Foxconn sind das Unternehmen Apple und das Endprodukt I-Phone für uns tabu – Ökovision investiert aber etwa in Zulieferer wie Dialog Semiconductor oder AMS, die unter ethischen, ökologischen und sozialen Aspekten in Ordnung sind“, so Mozer. Überhaupt finden nachhaltig orientierte Fondsgesellschaften immer mehr attraktive Aktien. Schließlich ist das Anlagespektrum an nachhaltig gemanagten Unternehmen in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen. Die wachsenden Märkte für Gesundheit, Bildung, Energieeffizienz, Wasser, Recycling, umweltfreundliche Baustoffe, fairen Handel und Kommunikation bringen zusätzlich neue Möglichkeiten. „Auch in den Bereichen Industrie 4.0 und Künstliche Intelligenz bieten sich gute Investitionschancen“, so Mozer.
Intransparenter Markt
In einem solch schnell wachsenden Segment kann man rasch den Überblick verlieren. Deswegen hat die Ratingagentur Morningstar eigens ein Sustainability-Rating entwickelt, mit dem sich Anleger darüber informieren können, wie nachhaltig ein Fonds ausgerichtet ist (siehe „Im Nachhaltigkeitscheck“). Dabei werden Anleihen und Aktien der Fonds anhand von ökologischen, sozialen und Governance-Faktoren bewertet. Diese Analyse überlässt Morningstar dem Nachhaltigkeitsspezialisten Sustainalytics. „Anleger bekommen einen guten Eindruck, wie ihr Fondsmanager unter Nachhaltigkeitsaspekten investiert“, sagt Morningstar-Analyst Ali Masarwah. Was auf den ersten Blick erstaunt: Reine Nachhaltigkeitsfonds schneiden dabei oft schlecht ab. „Viele Unternehmen aus dem Ökosektor sind zwar beim Aspekt Umweltschutz gut aufgestellt, schneiden aber bei den Themen Soziales und Governance häufig nicht so gut ab“, erklärt Masarwah.
Und auch mit Anleihen können Anleger nachhaltig investieren. Sogenannte Green Bonds finanzieren gezielt ökologische Projekte und tragen so dazu bei, die Klimaschutzziele der Pariser Klimaschutzkonferenz zu erreichen. Obwohl sich Deutschland gerne als Vorreiter in Sachen Klimaschutz und Energiewende sieht, halten sich deutsche Unternehmen hierbei jedoch zurück. Der Anteil Deutschlands am weltweiten Volumen an Green Bonds liegt nur bei neun Prozent – aktivster Emittent ist die Förderbank KfW.
Dass der Nachholbedarf Deutschlands so enorm ist, liegt auch daran, dass Pensionsfonds in anderen Ländern wie Großbritannien oder Frankreich schon viel stärker auf Nachhaltigkeitskriterien achten. Sie setzen damit bereits die EU-Richtlinie für Betriebspensionsfonds konsequent um, in der es heißt, dass Investoren ESG-Risiken berücksichtigen sollen.
Unterm Strich gilt: Soziale und ökologische Risiken werden auch in den kommenden Jahren eher zu- als abnehmen. Die meisten Experten sind deshalb überzeugt, dass der Trend zu nachhaltigen Investments weiter anhalten wird.